Eine verworrene Geschichte. Hendrik Conscience
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Читать онлайн книгу Eine verworrene Geschichte - Hendrik Conscience страница 6
»Ja, da hast Du Recht, Jan, hol eine gute Flasche,« versetzte seine Frau, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben ihm zustimmend.
»Laßt es gut sein für heute, Roosen,« wehrte der Pächter, »ich muß eilig nach Hans; unsere Kinder harren gespannt der Nachricht, welche ich ihnen zu bringen versprochen. Es wäre grausam, sie länger leiden zu lassen.«
»Freilich,« bestätigte Frau Roosen; »so geht nur schnell und holt sie beide her, damit ich sie als Braut begrüße, vergeßt es auch nicht, Eure Frau mitzubringen. Heut soll Kirmes hier im Hause sein, ich will Kaffee kochen und Kuchen holen lassen, auch Wein wollen wir trinken . . . Lauft, Lauft!«
»Wart’, ich gehe mit,« rief der Müller seinem alten Freunde folgend.
Urban stand am Hufthor. Als er seinen Vater lachen, den Müller freudig den Hut schwenken sah, senkte eine selige Hoffnung sich ihm in’s Herz. Er eilte seinem Vater entgegen, fiel ihm um den Hals und fragte:
»Vater, Vater, was bringst Du Neues?«
»Du kannst heirathen, mein Sohn, Alles ist geordnet,« lautete die Antwort.
»Cilia ist Deine Braut,« fügte der Müller bei; »umarme nun auch Deinen Schwiegervater, Urban.«
Der Jüngling folgte der Aufforderung.
»O, so seid Beide gesegnet!« rief er aus, »wie glücklich wird Cilia sein! Wie wird meine liebe Mutter sich freun!
Und schnell wie ein Pfeil lief er laut jubelnd über den Hof dem Hause zu, stürzte in die Stube und rief wie außer sich:
»Mutter ich darf heirathen, die Uebereinkunft ist geschlossen! Cilia, Cilia, Du wirst meine Frau, ich bin Dein Bräutigam! O Gott, kann ein Mensch ein solches Maaß der Freude ertragen, ohne den Verstand zu verlieren? Ich muss singen, springen, tanzen, oder ich ersticke!«
Die That zum Worte fügend lief er wie von Sinnen im Hause umher. An der Hinterthür stehenbleibend rief er:
»Heda, Blasius,Therese! Kommt einmal her! Schnell, schnell! Cilia ist meine Braut!«
Inzwischen erreichten auch die beiden Väter das Haus. Viele Umarmungen wurden nun gewechselt, viele Freudenthränen wurden vergossen.
Urban tanzte mit seiner Mutter, mit Cilia, mit dem Knecht und der Magd und erfüllte mit seinem Jubelgeschrei die Luft, bis Alle das Haus verließen, um die angesagte Kirmeß in der Mühle zu feiern und auch die Base Roosen an ihrer Freude Theil nehmen zu lassen.
II
Einige Tage später ging Cilia mit schnellen Schritten durch das Dorf, und lenkte dann in einen Pfad ein, der durch die grünenden Wiesen den Windungen eines rauschenden Baches folgte.
Das reinste Glück sprach aus ihren Zügen, um ihre Lippen spielte ein seliges Lächeln:
»Wenn das Bäschen mir nur ihr Hochzeitskleid leihen will,« murmelte sie leise vor sich hin, »sonst werde ich noch herausgeputzt wie eine alte Großmutter aus der alten Zeit. Und warum sollte sie mir es nicht leihen? Ich hafte dafür, daß nichts daran verdorben wird. Sie ist zwar im Allgemeinen nicht gerade sehr gefällig, doch war sie stets meine Freundin und kann es nicht wohl abschlagen . . . «
Sie wurde in ihren Erwägungen plötzlich gestört durch helle Stimmen die aus der Ferne ihren Namen riefen.
Sich umwendend gewahrte sie zwei Mädchen, welche eilig hinter ihr herliefen, es waren zwei ihrer Freundinnen aus dem Dorfe, Elisabeth, die Tochter des Schulmeisters und Clara, die des Leinenwebers.
»Cilia, Cilia!’« rief die Erstere athemlos, »wir erkannten Dich von Weitem . . . und da wir desselben Weges gehn, mochten wir Dich gern begleiten.«
»Gewiß,« fügte die Andere bei, »es ist gegenwärtig viel von Dir die Rede, daß wir gern aus Deinem eigenen Munde hörten, wie es denn eigentlich um Dich steht, und Du läßt Dich im Dorfe seit acht Tagen nirgendwo mehr sehn. Du bist Sonntag nicht einmal zur Kirche gewesen.«
»O warum nicht gar, ich habe Cilia in der frühmesse gesehn,« sagte Elisabeth, »aber sie muß rasch nach Hause gegangen sein, denn ich sah mich auf dem Kirchhofe vergebens nach ihr um . . . Und nun laß einmal hören, Cilia, ist es wahr, daß Du Urban Coutermanns Braut bist.«
»Gewiß, gewiß,« bestätigte Cilia, »in fünf Wochen ist die Hochzeit.«
»So bald schon! Da habt sehr gewiß alle Hände voll zu thun, es ist doch keine Kleinigkeit, alles anzuschaffen, und einen neuen Hausstand tu gründen. Und dann der Hochzeitsstaat! Ich weiß noch, wie meine älteste Schwester heirathete, da stand auch unser ganzes Haus auf dem Kopf, zwei Monate lang, es war zum toll werden!«
»Wohin gehst Du eigentlich Cilia?« fragte Elisabeth.
»Nach Plattenstein, auf den Nomaderhof, wo ich bei meiner Base etwas zu thun habe,« war die Antwort.
»Das trifft sich herrlich! Wir müssen nach Kapellenbusch, um Garn zu holen zu einem Stück Leinen, das mein Vater weben will, das ist derselbe Weg und da können wir behaglich mit einander Plaudern,« sagte Clara. »Wie schön das Wetter heute ist, nicht wahr? Laß uns doch nicht so rasch gehn, man kommt ja außer Athem.«
»Hast Du denn auch schon an Dein Brautkleid gedacht, Cilia?« fragte Elisabeth; »es gibt jetzt wieder ganz neue Moden. Zu Hal habe ich am letzten Markttage eine Braut gesehn, die trug ein Unterkleid von schlichtem gelben Stoff und darauf ein langes, vorn offenes Ueberkleid, grün mit rothen Blümchen. Das Mieder war enganschließend, mit rundem Ausschnitt, die Ärmel kurz und mit faltiger Spitze besetzt, das Käppchen war klein und wenig verziert, aber um den Kopf lag ein Kranz von weißen Atlasschleifchen, der wie eine Krone aus weißen Blumen aussah. Dass Ganze war so schön, so prächtig, daß ich mich nicht satt daran sehen konnte.«
»Und nun erzähle uns was Du anziehen wirst, Cilia,« bat Clara, »es wird ja doch kein Geheimniß sein, nicht wahr? Uns darfst Du es jedenfalls sagen.«
»Das war eine wichtige Angelegenheit,« antwortete Cilia, »während der letzten fünf Tage ist in unserm Hause nicht wenig darüber verhandelt worden, aber Gott sei es gedankt, endlich habe ich doch den Sieg davon getragen. Denkt Euch nur, meine Mutter wollte mich in ein schweres, großblumiges Kleid stecken mit Falten auf dem Rücken, als hätte man einen Höcker, und langen Nonnenärmeln, dazu eine Flügelmütze aus dem vorigen Jahrhundert, ich hätte darin ausgesehen wie ein uraltes Mütterchen.«
Die Mädchen brachen in ein lustiges Lachen aus.
»Ja, ja, die alten Leute, sie können nicht leiden, daß Unsereins sich ein wenig hübsch macht,« scherzte Clara; »es fehlte Dir dann nichts mehr als eine große Schnupftabaksdose und allenfalls eine Krücke.«
»Ich weiß, wo der Hase im Pfeffer liegt,« sagte Elisabeth, »Mutter Roosen hält bekanntlich die Sachen zusammen und hat gewiß ihr eigenes Brautkleid noch einmal für ihr Töchterchen benutzen wollen.«
»Nein nein, das nicht,« fiel Cilia ein, »sie sagt im Gegentheil, daß sie keine Kosten scheue, es ist einfach Geschmackssache.«
»Und wie soll es denn nun werden?«
»Mein Anzug wird nach dem meiner Base zu Plattenstein angefertigt, die vor zwei Monaten den Bauer Dalings geheirathet hat; nur die Farben sind verschieden, ich habe noch helleres