Eine verworrene Geschichte. Hendrik Conscience
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»Gewiß, gewiß,« bestätigten die Andern, »das Kleid ist zu Brüssel gemacht und hat eine Menge Geld gekostet.«
Der Weg wurde jetzt so schmal, daß die Mädchen einzeln gehn, und darum ihre Unterhaltung unterbrechen mußten.
»Also in fünf Wochen ist Deine Hochzeit? Und Du fürchtest nicht, daß sie verschoben werden könnte.« fragte Clara, als sie wieder nebeneinander gingen.
»Verschoben? Wie so?« fragte Cilia. »Unsere Eltern sind über Alles einig, welches Hinderniß sollte da entstehn?«
»Ja, das weiß ich nicht,« murmelte die Tochter des im Webers, »aber wenn man den Markus Corfs sprechen hört . . . «
»Was sagt er denn?« fragte Cilia.
»Er versichert Jeden, der es hören will, daß Urban Dich nun und nimmermehr haben soll und das; er Mittel und Wege wisse, Euch zu trennen; vorgestern bin ich noch selbst dabei gewesen.«
»Sinnlose Worte, leere Drohungen,« antwortete Cilia. »Unsere Eltern haben bereits einen schriftlichen Contract gemacht. Den Markus fürchten wir nicht, was will er auch machen? Mein Hochzeitstag ist festgesetzt, und nichts kann ihn hindern oder verzögern.«
»Schade ist es doch, dass Du Dich schon so früh dem Urban verlobt hattest und darum den Markus nicht lieb haben konntest;« bemerkte Clara.
»Lieb haben? Den Trunkenbold, der seine Mutter zu Tode quält?« rief Cilia lebhaft.
»Den gottlosen Flucher, den Raufbold, der vor nichts zurückscheut?« setzte Elisabeth hinzu. »Erst kürzlich bat er meinen Bruder geschlagen, als dieser Urban zu gefallen, Euren Knecht Blasius beschützen wollte. Er glaubt ungestraft Alles thun zu dürfen, weil der Amtmann sein Onkel ist.«
»Aber er hätte sich bessern können, denn seine Liebe zu Cilia ist so heiß, so tief, daß sie an Wahnsinn grenzt, ich weist das von der Magd seiner Mutter,« versicherte Clara. »Der Amtmann hatte seinem Neffen die besten Hoffnungen gemacht, der arme Junge versprach auch, ein anderer Mensch zu werden, und ich glaube er hatte Wort gehalten, denn schon jetzt trank er beinah gar nicht mehr, kam zeitig des Abends nach Haus und war gut und freundlich gegen seine Mutter. Seit er nun aber gehört hat, daß Du den Urban heirathen sollst, ist im Goldenen Apfel nichts mehr als Schmerz und Verzweiflung. Markus treibt sich ganze Tage und halbe Nächte in den Schenken herum; und kommt er einmal zu seiner Mutter, so macht er ihr das Leben zur Hölle: er flucht, schlägt um sich, wirft Alles in Stücke, was ihm in die Hand kommt . . . «
»Und ist betrunken von Morgens bis Abends, oder bis in die Nacht,« ergänzte Elisabeth.
»Es ist wirklich ein Jammer,« fuhr Clara fort, »der schmuckste Bursche aus dem Ort und dabei so reich! Herrlich und in Freuden könnte er leben und gebt nun unter um seiner Liebe willen.«
»Unsinn, er ist immer ein Trinker gewesen,« wandte Elisabeth ein.
»O nein, das ist er nicht,« widersprach Clara, »er trank wohl hin und wieder etwas zu viel, wie das dem Sohne aus einem Wirtshause ja leicht passiren kann, aber er war fleißig im Geschäft und seine Mutter konnte nicht über ihn klagen. Seit er aber ein Auge auf Cilia geworfen und erfahren hat, daß sie nichts von ihm wissen will, ist er außer Rand und Band, er weist nicht mehr, was er sagt oder thut. Einmal ruft er, daß er sich todt trinken, dann daß er Soldat werden will, dann wieder daß er ein Unglück anrichten will, ja gestern versicherte er seine Mutter, er würde am Galgen sterben. Mit einem Wort, der arme Schelm ist ganz von Sinnen und es wäre fast ein Glück zu nennen, wenn er ins Irrenhaus käme, denn Gott weiß, wie es sonst noch mit ihm enden mag. Niemand würde sich wundern, wenn man ihn eines schönen Tages todt aus dem Mühlenteich zöge.«
»Das lautet betrübt genug,« sagte Elisabeth, »aber was läßt sich daran ändern.«
»Jedenfalls ist es doch ein hartes Loos, so jung zu sterben oder den Verstand verlieren zu müssen,« fuhr Clara fort. »Wer eine solche Liebe im Herzen trägt ist nicht ganz verdorben und ich gestehe es frei, wenn Markus mich geliebt und meine Hand begehrt hätte, ich würde ihn nicht zurückgewiesen haben, in der Hoffnung, ihn noch retten und einen braven Mann aus ihm machen zu können. Sein Schicksal flößt mir tiefes Mitleiden ein . . . Aber Du sagst ja gar nichts, Cilia, fühlst Du denn nicht auch einiges Erbarmen mit dem armen Markus, der doch nur deshalb so unglücklich ist, weil er Dich zu sehr liebt?«
»Was soll ich dazu sagen?« antwortete die Gefragte mit einem Seufzer. Ich bedaure ihn von Herzen, und wenn ich ihn in anderer Weise trösten könnte, thäte ich es gewiß. Urban aber liebe ich seit Jahren, während ich zu Markus nicht den Schatten einer Neigung empfinde, – vielmehr das Gegentheil. Meine Schuld ist das doch sicher nicht.«
»Keineswegs Cilia; die Liebe kommt von selbst, sie läßt sich nicht erzwingen.«
»Hier müssen wir scheiden,« sagte Clara, als die an einem Kreuzwege stehn blieben; »wir gehen gerade aus nach Capellenbusch, Du, Cilia mußt rechts über den Bach . . . Sonntag ist Kirmes zu Beersel; gehst Du nicht auch hin?«
»Natürlich,« versetzte Cilia, »es wäre ja das erste Mal, daß ich meinen Ohm zu Beersel nicht zur Kirmes besuchte. »Ich bleibe gewöhnlich bis Dienstag.«
»Ja, aber nun Du so bald schon heirathen willst?« . . . bemerkte Elisabeth.
»Was schadet das, wenn Urban auch hingeht? Außerdem wird nicht getanzt, das hat der Pastor verboten. Das Fest fällt aber doch gewiß schön aus; es sind feine Preise für die Bogenschützen zu gewinnen.«
»Adieu denn bis Sonntag spätabends,« riefen die Mädchen einander noch zu und schlugen dann die bezeichneten Richtungen ein.
Cilia schritt über die kleine Brücke, welche über den Bach führte, und setzte dann ihren Weg durch das offene Feld fort. Sie ließ allmählich den Kopf aus die Brust sinken und verlor sich in traurigen Gedanken. Claras Worte, die sie schweigend und wie im Traum angehört, hatten doch ihr Mitleiden geweckt, sie war nicht mehr abgeneigt zu glauben, daß des Markus leidenschaftliche Liebe zu ihr die Ursache seines schlechten Verhaltens und seines Unglücks sei, und es regten sich sanftere Empfindungen gegen ihn in ihrem Herzen, sie wiederholte es sich, daß sie alles Mögliche aufbieten möchte, um Markus aus der Verzweiflung zu retten, aber ihn lieben, das war unmöglich, wäre auch dann unmöglich gewesen, wenn sie Urban nicht gekannt hätte.
Den Blick zur Erde gerichtet kam sie jetzt zu einer Stelle wo der Feldweg sich in einem Gehölze verlor und an beiden Seiten von hohen Bäumen beschattet war.
Da hörte sie plötzlich ihren Namen aussprechen; sie erkannte die Stimme, noch bevor sie den Kopf erhoben hatte, erbleichte und hemmte ihren Schritt, wie von einem unsichtbaren Schlage getroffen. Im nächsten Augenblick stand Markus vor ihr.
Er war ein schlanker kräftiger Jüngling; seine Züge hätte man schön nennen müssen, wären nicht die Spuren einer wüsten, ausgelassenen Lebensweise ihnen ausgeprägt gewesen; auch seine Kleidung war vernachlässigt und befleckt.
Markus sah das zitternde Mädchen mit einer Art von Begeisterung an. Ein Lächeln schwebte auf seinen Lippen, seine Augen glänzten vor Bewunderung und Freude.
»Gott sei gepriesen für das unverhoffte Glück, Dir hier in der Einsamkeit zu begegnen, Cilia,« rief er aus. »Nun kann ich Dir doch sagen, welche Hölle Du in meinem Herzen entzündet hast.«
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