Die Schlucht. Иван Гончаров
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Читать онлайн книгу Die Schlucht - Иван Гончаров страница 60
»Tantchen,« bat nun Marsinka – »ich möchte den Blumengarten und mein grünes Zimmer, und dann noch diese sächsischen Tassen mit dem Hirtenknaben, und das Tischzeug mit der Diana . . .«
»Wirst du wohl schweigen, unverschämtes Ding! Dann wird man noch sagen, wir sind Bettelweiber, haben eine arme Waise ausgeplündert!«
»Wer wird das sagen?« fragte Raiski.
»Alle werden es sagen! Vor allem Nil Andreitsch – der wird uns schön den Kopf waschen!«
»Was für ein Nil Andreitsch?«
»Na, der Gerichtspräsident! Weißt du noch, wie wir ihn damals, als du das letzte Mal hier warst, besuchten und nicht antrafen? Und nachher war er aufs Land gefahren, du hast ihn überhaupt nicht kennengelernt. Jetzt mußt du ihn aber unbedingt besuchen: alle Welt achtet ihn und fürchtet sich vor ihm, obschon er bereits verabschiedet ist . . .«
»Der Teufel soll ihn holen! Was geht er mich an?« sagte Raiski.
»Ach, Boris, Boris – wie kannst du nur so reden!« sprach die Großtante fast andächtig. »Ein so geachteter Mann . . .«
»Warum ist er denn so geachtet?«
»Er ist ein so ehrwürdiger, ernster Greis, und er hat einen Stern!«
Raiski mußte lachen.
»Warum lachst du?«
»Was verstehen Sie unter ›ernst‹?« fragte er.
»Er spricht so verständig, so lebensklug, er singt nicht: ti ti ti oder ta ta ta. Und so streng ist er: alles Unrecht verurteilt er! Das nenne ich ernst.«
»Alle diese ernsten Leute sind entweder große Esel oder Heuchler,« versetzte Raiski. »Lebensklug soll er sein – war er denn selbst so klug im Leben?«
»Und ob! Ein Vermögen hat er erworben, ist etwas geworden, ein Mensch . . .«
»Manch einer denkt bei uns, er sei ein Mensch geworden, und in Wirklichkeit ist er nur ein Schwein geworden . . .«
Marsinka lachte laut auf.
»Ich liebe das nicht, ich liebe das nicht, wenn du so keck von jemandem redest!« versetzte die Großtante ärgerlich. »Was bist du denn geworden – sag’ mal, mein Lieber! Nicht Fisch noch Fleisch bist du! Und Nil Andreitsch ist doch ein Mensch, den alle Welt respektiert, was man auch sagen mag! Wenn er hört, daß du mit deinem Eigentum so leichtsinnig umgehst, wird er dich schön abkanzeln! Und auch mir wird er gehörig den Kopf waschen, wenn ich zu deinen Einfällen ja sage: du bist doch eine Waise . . .«
»Sagten Sie mir nicht einmal, er hätte seine Nichte betrogen und die Staatskasse bestohlen? Und der wird mich abkanzeln?«
»Schweig davon, schweig!« fiel ihm die Großtante ängstlich ins Wort. »Denk an das Sprichwort: Meine Zunge ist mein Feind, sie wurde vor meinem Verstande geboren!«
»Bin ich ein kleiner Junge, daß ich mein Eigentum nicht geben darf, wem ich will? Und nun gar meinen Verwandten? Ich selbst brauche es nicht,« fuhr er fort, »folglich ist es doch nur recht und verständig, wenn ich es anderen gebe, die es besser brauchen können!«
»Und wenn du heiratest?«
»Ich heirate nicht!«
»Wie kannst du das wissen? Wenn du die Richtige triffst. . . Hier ist zum Beispiel ein reiches Mädchen . . . ich schrieb dir davon . . .«
»Ich brauche keinen Reichtum!«
»Er braucht keinen Reichtum: was für Unsinn! Aber eine Frau brauchst du doch?«
»Auch eine Frau brauche ich nicht.«
»Wieso denn nicht? Wie willst du denn leben – so, ohne Frau?« fragte sie ungläubig.
Er lachte, erwiderte jedoch nichts auf ihre Frage.
»Es ist höchste Zeit, Boris Pawlowitsch,« sagte sie. »Da, an den Schläfen, schimmert es schon ziemlich stark! Willst du, daß ich dir eine Braut verschaffe? Ein hübsches Mädchen, und so wohl erzogen!«
»Ich will sie aber nicht, Tantchen!«
»Ich scherze nicht,« versetzte sie. »Die Sache geht mir schon lange im Kopfe herum.«
»Auch ich scherze nicht – es ist mir nie in den Sinn gekommen, zu heiraten.«
»Du mußt sie wenigstens kennenlernen.«
»Auch das mag ich nicht.«
»Heiraten Sie doch, lieber Bruder!« warf Marsinka ein.
»Ich würde Ihre Kinder warten . . . ich habe Kinder so gern!«
»Und du, Marsinka, willst du nicht heiraten?«
Sie errötete.
»Sag’ mir die Wahrheit – ins Ohr sag’ sie mir!« flüsterte er.
»Ja . . . manchmal denk’ ich daran.«
»Manchmal? Wann ist denn das?«
»Wenn ich Kinder sehe: ich liebe sie so . . .«
Raiski lachte, nahm ihre beiden Hände und sah ihr gerade in die Augen. Sie wurde rot und wandte sich bald nach der einen, bald nach der anderen Seite, um seinem Blicke nicht zu begegnen.
»Ja, hör’ nur auf sie: sie wird dir schon recht etwas vorschwatzen!« bemerkte die Großtante, die auf das Geplauder der beiden lauschte, während sie ihre Hefte samt der Rechenmaschine wegräumte. »Das reine Kind: was sie im Sinne hat, muß auch gleich auf die Zunge!«
»Ich habe Kinder sehr lieb,« begann Marsinka, ein wenig verwirrt, sich zu verteidigen. »Ich beneide Nadeschda Nikitischna: sie hat sieben Stück! Wohin man sich wendet, überall Kinder. Ist das eine Lust! Ich möchte recht viel solche Brüderchen und Schwesterchen haben, oder wenigstens fremde Kinder. Dann würde ich meine Vögel, meine Blumen, meine Musik – alles würde ich lassen und mich nur um die kleinen Kerlchen kümmern. Der eine tobt herum – der muß in die Ecke gestellt werden! Der will sein Süppchen, jener schreit, noch einer prügelt sich mit den anderen; heute muß einer geimpft werden, morgen müssen seinem Schwesterchen die Ohren durchstochen werden, und dort ist ein ganz Kleines, das erst gehen lernen soll . . . Kann’s etwas Lustigeres geben? Kinder sind so lieb, so graziös von Natur, so drollig, so reizend und gut.«
»Es gibt doch auch häßliche Kinder,« sagte Raiski – »hast du auch die lieb?«
»Kranke Kinder gibt’s wohl,« sagte Marsinka ernst – »aber häßliche Kinder gibt es nicht! Ein Kind kann nicht häßlich sein, es ist noch nicht verdorben.«
Alles das sagte sie mit so viel Eifer, fast leidenschaftlich, und ihre wohlgebildete, volle Brust wogte dabei unter dem Musselin.
»Das Ideal einer Gattin und Mutter! Marsinka, liebes Schwesterchen! Wie glücklich wird dein Mann einmal sein!«
Sie setzte sich verschämt in eine Ecke.
»Immer muß sie mit Kindern zusammen sein – nicht