Die Schlucht. Иван Гончаров

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Die Schlucht - Иван Гончаров

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Buch überhaupt nicht. Den ›Bassurman‹ zum Beispiel habe ich angefangen, aber Wjerotschka sagte mir, daß der Held hingerichtet wird, und da warf ich das Buch gleich auf die Seite.«

      »Dann liebst du wohl auch Gribojedows Komödie ›Wissen bringt Schmerz‹ nicht? Auch dort kommt es ja zu keiner Hochzeit!«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Sophie Pawlowna ist abscheulich,« bemerkte sie – »und Tschazki tut mir leid: weil er verständiger ist als die anderen, muß er leiden!«

      Lächelnd hörte er ihr literarisches Gestammel an und sah ihr dabei mit wachsendem Entzücken in die Augen.

      »Wir wollen zusammen fleißig lesen,« sagte er, »du hast noch keine ganz klaren Begriffe, und dein Geschmack ist noch unentwickelt. Willst du? Du wirst nach und nach begreifen lernen, wirst das Gelesene kritisieren . . .«

      »Sehr gern, aber Sie müssen immer solche Bücher aussuchen, die glücklich enden, mit einer Hochzeit . . .«

      »Und natürlich müssen dann auch Kinder kommen?« fragte er neckend. »Und das eine soll sein Süppchen verlangen, das andere muß geimpft werden – nicht wahr?«

      »Oh, pfui, wie böse Sie sind! Nicht ein Wort sage ich mehr. . . Alles merken Sie sich, nichts entgeht Ihnen . . .«

      »Du wirst dich also nicht verheiraten, ohne die Tante um Erlaubnis zu fragen?«

      »Nein!« sagte sie in bestimmtem Tone, fast ein wenig damit prahlend, daß sie nicht imstande sei, eine solche Schandtat zu begehen.

      »Warum denn aber nicht?«

      Wenn er ein Spieler oder Trinker ist, wenn er nicht häuslich ist oder ein gottloser Mensch, wie Mark Iwanytsch – wie soll ich das erfahren? Und die Tante kommt doch sicher dahinter . . .«

      »Ist Mark Iwanytsch denn wirklich gar so gottlos?«

      »Der geht niemals in die Kirche!«

      »Nun, und wenn solch ein gottloser Mensch oder Spieler dir gefällt? . . .«

      »Ganz gleich – ich würde ihn nie heiraten!«

      »Und wenn du dich in ihn verliebst? . . .«

      »Wie – in einen Spieler, oder in einen Religionsspötter wie Mark Iwanytsch sollte ich mich verlieben? Ist denn das möglich? Ich rede doch nicht einmal mit ihm!«

      »Was also die Tante bestimmt, das geschieht?«

      »Ja, sie weiß alles besser als ich.«

      »Und wann wirst du selbst genügend Bescheid wissen, um danach leben zu können?«

      »Wenn . . . ich in reiferen Jahren bin, wenn ich meine eigene Häuslichkeit haben werde, und meine eigenen . . .«

      »Kinder?« fiel Raiski ihr ins Wort.

      »Meine eigenen Kühe, Pferde, Hühner, meine Leute im Hause . . . und auch meine Kinder, ja . . .« fügte sie errötend hinzu.

      »Und bis dahin hat die Tante alles zu bestimmen?«

      »Ja. Sie ist klug und gut, und sie weiß alles. Sie ist besser als alle Menschen hier und überhaupt in der ganzen Welt!« fügte sie begeistert hinzu.

      Er schwieg, dachte an die Bjelowodowa, an die Gespräche, die er mit ihr gehabt hatte, an die Ähnlichkeit zwischen Marsinka und jener, und suchte zu ergründen, worauf diese Ähnlichkeit und andererseits wiederum der Unterschied in dem Wesen beider beruhe.

      Er sah beide nebeneinander im Bilde – jede von ihnen hatte ihre eigene Schönheit, schien ihr eigenes Licht um sich auszustrahlen.

      »Was wird wohl dabei herauskommen?« fragte er sich – und beschloß zunächst einmal, Marsinkas Porträt in Öl zu malen. Sie waren bis an den Absturz gekommen. Marsinka blickte ängstlich hinab und wich erschrocken zurück.

      Raiski warf einen Blick auf die Wolga, vergaß alles ringsum und stand unbeweglich da, ganz in den Anblick des breit dahinfließenden Stromes vertieft, der seine Fluten weithin über die Ufergelände ergoß.

      Die Hochflut war noch nicht ganz verlaufen, das Wasser des Stromes ging noch weit über das flache Ufer hinweg, während es schäumend gegen das andere, steile Ufer schlug und seine Höhen unterspülte. Da und dort sah man Boote auf der Wasserfläche, die sich kaum zu bewegen schienen. Hoch am Himmel schwebten die Wolken über die Landschaft dahin.

      Marsinka trat wieder näher an Raiski heran und sah gleichgültig auf die Flußlandschaft, deren Anblick ihr ein längst gewohnter war.

      »Diese Boote dort haben Kochgeschirr verladen,« sagte sie, »und das da sind Segelschiffe, die von Astrachan kommen. Und dort die Häuschen, sehen Sie, die ganz von Wasser umgeben sind – in denen wohnen die Barkenknechte. Und da, hinter jenen beiden Hügeln, führt der Weg nach dem Dorfe, in dem Wjerotschkas Freundin, die Popenfrau, wohnt. Wunderschön ist es dort drüben am Ufer! Im Juli fahren wir im Boot nach den Inseln hinüber, um dort Tee zu trinken. Und Blumen gibt es da – eine Unmenge!«

      <Raiski schwieg.

      »Auch Hasen sind dort in Menge, aber sie werden jetzt ertrunken sein, die armen Tierchen! Ich habe hier auch Kaninchen – die will ich Ihnen gelegentlich zeigen.«

      Er stand noch immer schweigend da.

      »Wenn der Sommer zu Ende geht, kommen die Boote mit den Wassermelonen,« fuhr sie fort. »Wie viel ihrer da angefahren werden! Wir kaufen nur welche zum Einsäuern; zum Dessert haben wir unsere eigenen, ganz große, bis zu vierzig Pfund schwer. Im vorigen Jahre hatten wir solch eine Riesenfrucht, die ein Pud wog, die hat Tantchen dem Bischof als Präsent verehrt.«

      Raiski stand noch immer da und schaute vor sich hin.

      »Warum er nur so schweigsam ist?« flüsterte Marsinka vor sich hin.

      »Gehen wir dahin!« sagte er plötzlich, während er nach dem Grunde der Schlucht zeigte und ihren Arm nahm.

      »Ach nein, nein, ich fürchte mich!« sagte sie und wich zitternd zurück.

      »Du fürchtest dich – auch wenn ich mitgehe?«

      »Ja, ich fürchte mich!«

      »Ich werde dich halten, daß du nicht fällst. Glaubst du dich nicht sicher genug an meiner Seite?«

      »O doch, doch, aber ich fürchte mich. Wjerotschka, sehen Sie, die fürchtet sich nicht! Die geht allein dahin, auch wenn es dunkel ist. Dort liegt ein Mörder begraben – aber das macht ihr nichts aus!«

      »Und wenn ich dir sagte: Schließ die Augen, gib mir die Hand und komm mit dahin, wohin ich dich führe – würdest du es tun? Würdest du mir die Hand geben und die Augen schließen?«

      »Ja . . . ich würde es tun, aber . . . das eine Auge würde ich doch ein ganz klein wenig aufmachen . . .«

      »Nun, so versuch’s einmal – schließ die Augen und reich’ mir die Hand! Du wirst sehen, wie sicher und wie vorsichtig ich dich hinunterführen werde – gar keine Furcht wirst du spüren. Nun – vertrau’ dich mir an, schließ ruhig die Augen!«

      Sie schloß die Augen, doch so, daß sie ihn sehen konnte, und kaum hatte er ihre Hand

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