Die Schlucht. Иван Гончаров
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Viertes Kapitel
Man saß bereits bei Tisch, als Nikolaj Wassiljewitsch das Speisezimmer betrat. Er trug ein kurzes Jackett, eine tadellos gebundene Krawatte und eine blendend weiße Weste; er war frisch rasiert, das schöne weiße Haar duftete nach Parfüm, seine ganze Erscheinung verriet das Bemühen, recht jugendlich auszusehen.
»Bonjour, bonjour!« rief er und nickte, als Antwort auf den Gruß der anderen, nach allen Seiten mit dem Kopfe. »Ich speise heut nicht mit Ihnen, meine Herrschaften, ne vous déranges pas,« sagte er, als man ihn zum Platznehmen einlud. »Ich mache eine Landpartie.«
»Eine Landpartie! Ich bitte dich, Nicolas!« sagte Anna Wassiljewna. »Der Schnee ist ja noch gar nicht weg . . . Du sehnst dich wohl wieder nach deinem Rheumatismus?« Pachotin zuckte die Achseln.
»Was soll ich machen! Ce que femme veut, Dieu le veut! La petite Nini hat sich gestern von Viktor nach seiner Villa einladen lassen: ›Ich möcht’ mal frische Luft schnappen,‹ meinte sie – na, und da will ich eben mit hinaus! . . .«
»Bitte, bitte!« rief Nadjeschda Wassiljewna mit einer abwehrenden Handbewegung. »Sparen Sie sich die Details für diese petite Nini!«
»Sie riskieren, sich zu erkälten,« sagte Ajanow. »Ich habe in meinem dicken Paletot gefroren.«
»Ah, mon cher Iwan Iwanowitsch: hätten Sie Ihren Pelz angezogen, dann hätten Sie nicht gefroren! . . .«
»Eine Landpartie in Pelzen!« bemerkte Raiski ironisch.
»Eine Landpartie – du stellst dir natürlich gleich grüne Fluren, murmelnde Bäche, hellen Sonnenschein und Hirtenknaben, vielleicht gar Hirtenmädchen vor. . . Du bist eben ein Künstler! Denk’ dir die Sache aber mal ohne das Grün, ohne die blumigen Fluren . . .«
»Ohne den Bach und ohne die Sonne . . .« fiel ihm Raiski ins Wort.
»Ganz recht, nichts weiter als Landluft . . . na, und die kann man doch auch im Zimmer einatmen! Den Pelz zieh’ ich auf alle Fälle an . . . und unter den Hut nehme ich meine Samtkappe, es brummt mir nämlich seit gestern so im Kopfe, als ob ich in einem fort Glockengeläute hörte; wie ich gestern im Klub war, wurde neben mir deutsch gesprochen, und mir war’s, als knacke jemand Walnüsse . . . Aber die Partie mache ich dennoch mit! . . . O, diese Frauen!«
»Auch ein Don Juan, was?« bemerkte Ajanow leise zu Raiski.
»Ja, auf seine Art. Ich kann nur wiederholen: der Typus des Don Juan existiert in ebenso zahllosen Abarten wie der des Don Quixote. Dieser hier hat das künstlerische Empfinden für die Schönheit verloren, seine Begeisterung ist von grober, sinnlicher Art . . .«
»Du hast dir da ja anscheinend eine ganze Metaphysik der Schönheit ausgetüftelt!«
»Die Frauen,« versetzte Pachotin, »schwärmen heut nur noch für Leute in unseren Jahren.« (Er hätte um nichts in der Welt sich selbst einen Greis genannt.) »Und wie reizend sie sind: so sagte zum Beispiel neulich Pauline zu mir . . .«
»Schweigen Sie, bitte, schweigen Sie!« rief Nadjeschda Wassiljewna mit sichtbaren Zeichen der Ungeduld. »Fahren Sie doch, wenn Sie nicht mit uns speisen wollen! . . .«
»Ach, ma soeur, was ich sagen wollte . . .« begann er, zu der älteren der beiden Schwestern gewandt, und flüsterte ihr leise, mit bittender Miene, irgend etwas ins Ohr. »Schon wieder!« unterbrach ihn Nadjeschda Wassiljewna mit kühlem Erstaunen. »Ich habe nichts!« fügte sie unwillig hinzu.
»Quinze cent!« bat er im Flüsterton.
»Ich habe nichts, ich habe nichts, mon frére! Zu Ostern erst haben Sie dreitausend bekommen, sind die schon weg? . . .
Das ist unerhört! . . .«
»Eh bien, mille roubles! Ich muß an den Grafen eine Schuld abtragen: ich habe ihn vor acht Tagen angeborgt und kann ihm nun nicht in die Augen sehen.«
»Mir aber können Sie in die Augen sehen? Ein für allemal – ich habe nichts!«
Er wandte sich ab von ihr und begann nachdenklich an den Lippen zu kauen.
»Hat man Ihnen gesagt, Papa, daß der Graf heut bei Ihnen vorgesprochen hat?« fragte Sophie, als sie den Namen des Grafen hörte.
»Ja; leider war ich nicht zu Hause, aber ich werde ihn morgen aufsuchen.«
»Er fährt morgen früh nach Zarskoje Sselo.«
»Sagte er das?«
»Ja, er hat uns hier begrüßt. Er sagte, er müsse Sie sprechen, es liege etwas vor . . .«
Wieder kaute Pachotin an den Lippen.
»Ach ja – ich weiß, um was es sich handelt!« rief er plötzlich, als erriete er eben erst, weshalb der Graf dagewesen. »Ich soll da gewisse Akten durcharbeiten – merci! Und zu Ostern hat er mich wieder übergangen, während Ilja seinen Stern bekommen hat! Qu’il aille se promener! Warst du heut im Sommergarten?« fragte er seine Tochter. »Entschuldige nur, ich kam zu spät . . .«
»Ich war nicht da; wir wollen morgen mit Catherine hinfahren, sie will mir Gesellschaft leisten.«
Er küßte die Tochter auf die Stirn und ging, um seine Landpartie zu machen. Nach dem Mittagessen setzten sich die beiden alten Damen mit Ajanow an den Kartentisch.
»Seien Sie mir heut nicht böse, Iwan Iwanytsch,« begann Anna Wassiljewna, »wenn ich wieder meine Treffdame übersehe. Ich habe diese ganze Nacht von ihr geträumt. Wie konnte ich sie nur damals nicht sehen! Auf den Buben gebe ich die Neun zu, und habe dabei die Dame! . . .«
»Das kann leicht vorkommen,« sagte Ajanow in höflichem Tone.
Raiski und Sophie blieben noch ein Weilchen im Salon und begaben sich dann in Sophies Zimmer.
»Was haben Sie heute morgen getrieben?« fragte Raiski.
»Ich war bei Lydia, im Institut.«
»Ah, bei Ihrer Cousine! Was macht die liebe Kleine? Kommt sie bald heraus?«
»Zum Herbst; und den Sommer soll sie bei uns auf dem Lande zubringen. Ja, sie ist sehr lieb, und hübsch ist sie geworden! Nur ist sie noch so lächerlich naiv, wie überhaupt alle dort . . .«
»Wieso?«
»Sie umringten mich sogleich von allen Seiten, und alles versetzte sie in Entzücken: die Spitzen, und das Kleid, und die Ohrringe; selbst meine Schuhe wollten sie sehen . . .« Sophie lächelte bei diesen Worten.
»Nun – und Sie zeigten ihnen die Schuhe?«
»Nein. Man wird Lydia das alles im Sommer abgewöhnen . . .«
»Warum abgewöhnen? Ich finde diese Naivität der jungen Mädchen, die alles bewundern und sich über alles freuen, ganz entzückend. Warum sollen sie sich nicht für Ihre Schuhe interessieren? Wenn sie sich dann auf dem Lande über die Bäume und Blumen freut – werden Sie auch da etwas dagegen haben?«
»O, durchaus nicht! Wer wird ihnen die Freude an Bäumen und Blumen verwehren? Nur meine Schuhe sollen sie nicht sehen,