Die Last. Georg Engel

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Die Last - Georg Engel

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Liedchen sang. Sonst webte über allem eine heilige wohltuende Ruhe.

      Hedwig blieb stehen und ließ ihren Blick weit umherschweifen.

      Also hier sollte sie fortan ihre Tage verbringen? So allein, so ausgesetzt unter fremden Menschen? Denn ihr herber Verstand sagte ihr, daß auch Else ihr eine Fremde bleiben würde, eine Bedauernswerte, für die sie sich höchstens ein unangenehmes Gefühl des Mitleids würde abzwingen können.

      Und die lautlose Einsamkeit fing an, sie zu bedrücken.

      Wie etwas Schattenhaftes flog es über die Heide, kam auf sie zu und quälte und ängstigte sie.

      Sie dachte an ihren letzten Aufenthalt in der Stralsunder Pension und zusammenzuckend empfand sie wieder jenes eine Ereignis, vor dem ihr bisheriges Leben zusammengebrochen war, jene eine entsetzliche Stunde, an der alle ihre Gedanken sich festgesogen hatten, so fest, daß ihr Körper eigentlich halb träumend herumwandelte, beinahe getrennt von einer leitenden Seele. Und sie fühlte wieder, daß sie etwas in ihrem Leben vergessen müßte, und daß diese weite Ödnis ringsumher vielleicht jene stumpfe Ergebenheit in ihr erzeugen könnte, nach der sie sich sehnte.

      Und merkwürdig. – Noch sann sie diesen dunklen fernen Traum, da erweckte sie etwas. – Ein flüchtender Hase streifte ihren Weg, fuhr vor ihr zurück und setzte dann seitwärts über das Feld.

      Das Mädchen lachte plötzlich hell auf.

      Das frische, selbstbewußte Lachen eines kräftigen Menschen. Was brauchte sie sich in solchen Hirngespinsten zu verfangen? Es war ja alles vorüber, bald überhaupt nicht mehr gewesen, nur eine seltsame verflatternde Erinnerung. Erhobenen Hauptes eilte sie weiter; ab und zu schlug sie mit dem Sonnenschirm spielend an die den Weg begrenzenden Büsche, und dann verweilte sie wieder, um sich von dem säuselnden Wind die Wangen kühlen zu lassen.

      So war sie in einen Hohlweg geraten. Fast in Manneshöhe über ihr erhob sich zu beiden Seiten das Feld. An den Abhängen blühten noch wilde Rosen, ganze rotbraune Bündel von Erika sproßten dort empor, und hier und da nickten violette Glockenblumen dazwischen.

      Gedankenlos pflückte das Mädchen einen Strauß, vielleicht für die eigene Brust bestimmt, vielleicht für Else, da hörte sie unvermutet hoch über sich Stimmen laut werden und einen Wortwechsel sich entspinnen.

      Und jetzt erkannte sie auch, wer dort sprach. Es war Wilms, den seine Tagelöhner um eine rückständige Schuld zu mahnen schienen.

      Vier bis fünf Männer redeten dort oben durcheinander.

      »Leute, ich hab’ euch doch gegeben, was ich hatte – nun geduldet euch noch die paar Tage – ihr wißt ja, was ich inzwischen selbst alles durchmachen mußte – eine kleine Weile, dann ist ja alles wieder ins gleiche gebracht. – Nicht wahr?«

      »Ja Herr, wir haben ja auch Vertrauen zu Sie, aber bei uns zu Haus sieht’s auch man mager aus.«

      »I ne wir wollen Ihnen nicht drängen ne – dat tun wir nich –«

      »Ne Herr Wilms, Sie sind ja auch immer gut zu uns gewesen, und werden’s woll jetzt allein nich so haben, – bloß Frau und Kinners –«

      »Man kann sie doch nich hungern lassen, Herr.«

      Einen Augenblick trat Stille ein. Die Männer schienen stehen geblieben zu sein, und die Lauscherin vernahm wieder, wie der Wind durch das Heidekraut strich. Dann sagte der Pächter mit seiner tiefen treuherzigen Stimme: »Kommt morgen abend zu mir, Leute, dann sollt ihr bestimmt euer Geld bekommen – so oder so.« Und in festerem Tone setzte er hinzu: »Und jetzt geht wieder an eure Arbeit.«

      »Na, dann bedanken wir uns auch vielmals, Herr. Adjüs!«

      »Guten Morgen.«

      Man hörte, wie sich die Tagelöhner entfernten, und etwas später bemerkte Hedwig, daß schwere Tritte den Hohlweg herabknirschten.

      Jetzt mußte er kommen. Unwillkürlich trat das Mädchen hinter den Dornenbusch zurück, als wollte sie den Nahenden ungestört vorüberlassen.

      Auch der Pächter hatte keine Ahnung von der Nähe eines fremden Wesens, das ihn und seine Qual erforschen könnte, sonst würde er sicherlich schnell vorübergeschritten sein; so aber hielt er an der tiefsten Stelle des Weges an, senkte den Kopf auf die Brust und preßte mit einer müden, schlaffen Bewegung die Hand gegen die Stirn.

      Es lag soviel Müdigkeit darin, soviel verschlossenes Weh.

      Jedoch kein Stöhnen quoll über die geschlossenen Lippen, lautlos, ohne Wort verharrte die große Gestalt, es war ein Trauern, das man mit sich und mit Gott allein abmacht, versteckt und geschützt durch die Einsamkeit.

      Kein fremdes Auge darf dergleichen erspähen.

      Mit ihren kühlen, scharfen Blicken hatte Wilms’ Schwägerin dies alles erfaßt, nun sah sie, wie sich der Pächter die graue Forstjoppe strammer zog, die Inspektormütze zurechtrückte und festen Schrittes weiterging.

      Gott sei Dank. Es war auch besser so.

      Bald mußte er verschwunden sein.

      Und doch – ihr Geschick zwang sie plötzlich, sich fast gegen ihren Willen in das Schicksal dieses Mannes einzumischen.

      Schon hatte er die höher gelegene Ebene erreicht.

      Ein Stein löste sich von der Böschung, wo das Mädchen stand, und rollte mit Gepolter in den Hohlweg hinab.

      Wilms wandte sich ruckartig zurück.

      Täuschte er sich denn nicht? Das junge, elegant gekleidete Weib dort unten war wirklich – ja es war Hedwig, sie mußte ihn schon früher überrascht haben.

      Die Züge des Pächters verzerrten sich, etwas Brutales stieg in ihnen auf, und die Äderchen in seinen Augen wurden blutig.

      »Wie kommst du dorthin?«

      »Ich?« – sie schlenkerte nachlässig den Schirm und kam näher – »ich ging ein bißchen spazieren.«

      »Warum bliebst du denn nicht bei Else?«

      »Weil ich es nicht länger aushielt – das Wachen, glaube ich, hat mich zu sehr angestrengt.«

      Wilms brach los: »Und nun gehst du hier so – so – was machst du denn eigentlich hier?«

      Er hatte sich vorgebeugt, seine Lippen bebten.

      Aber in dem Mädchen war plötzlich etwas geweckt, etwas vor dem sie sich selbst graute, und an das sie vorhin so stark gedacht hatte.

      Ganz nahe trat sie an den aufgeregten Mann heran und warf ihm einen einzigen Blick zu: »Ich sagte ja, ich gehe spazieren,« kam es scharf und trotzig hervor.

      Ihre Fäuste in dem zarten Glacéleder ballten sich, ihr Körper zuckte.

      Im Moment glich sie einer Katze, die sich zum Sprung anschickt. Aus ihren blitzenden Augen leuchtete die Lust, mit ihrem Bedränger zu ringen. Brust an Brust. Um irgend etwas Unerkanntes – Kostbares – um sich selbst.

      Das alles

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