Die Last. Georg Engel
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Beide starrten sich noch immer, wie aus allen Himmeln gefallen, an. Langsam ließ das Mädchen den erhobenen Schirm niedergleiten und richtete sich straff auf.
Ein verächtlicher Zug flog um ihre frischen Lippen.
Es war wohl ihr Schicksal, überall mit den Männern im wirklichen, körperlichen Kampfe streiten zu müssen. Dieser da schien ihr wenigstens nicht gefährlich.
»Ich wollte einmal mit dir über deine Verhältnisse sprechen,« begann sie kurz und herb.
Er stand so groß und kräftig, und doch so ungeschickt vor ihr.
O, wie sie es reizte, diesen ungebärdigen Riesen ihre Macht fühlen zu lassen.
»Über meine Verhältnisse?« wiederholte der Pächter, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
»Da hast du also vorhin alles mit angehört, wirklich alles?«
»Ja, ich weiß, daß du dich in Geldverlegenheit befindest.«
Eine Sekunde noch dauerte das peinliche Schweigen, die Brust des Mannes hob und senkte sich, als wollte sie etwas von sich abwälzen, den Kopf schob er stierartig vor, die Zähne knirschten mechanisch übereinander.
Dann stürzte es aus ihm heraus.
»Und du – – was hast du dich da rein zu mischen, du freche Dirn? – – – Was geht dich das alles überhaupt an? Nein, nein, du mußt fort, – aus dem Haus – heute noch.«
Schrie und brüllte er dem Mädchen wirklich all diese Schmähungen ins Gesicht? Nein, ach nein, matt und schmerzhaft stachen ihm die Worte nur durchs Gehirn, über die halbgeöffneten Lippen aber quoll dumpf und heiser:
»Was geht dich das an? – Was soll das alles? Wozu drängst du dich in meine Angelegenheiten? Was?«
»Wozu? – Weil ich mir Klarheit über die Menschen verschaffen will, bei denen ich von jetzt an leben soll.«
»Willst – du denn wirklich bei uns bleiben? – Hedwig – aber – aber du – du paßt ja gar nicht hierher, du taugst nicht in so viel Traurigkeit – du solltest lieber wieder gehen.«
Unwillkürlich hatten beide den Weg von neuem aufgenommen und schritten nebeneinander über die leere Heide.
Der Mann in sich zusammengesunken, das Mädchen schlank aufgerichtet und geschmeidig, von Zeit zu Zeit einen prüfenden Blick auf den Begleiter heftend.
Und wieder sagte er eindringlich vor sich hin: »Ja, ja, du solltest gehen.«
Da faßte Hedwig seinen Arm und legte den ihrigen hinein.
Es waren die Bewegung und die Manier, wie sie sie drüben in der aristokratischen Tanzstunde in der alten Hansastadt gelernt hatte.
Stirnrunzelnd ließ es Wilms geschehen, innerlich jedoch empörte ihn dies elegante Gebaren, obgleich es sich leicht und anmutig genug ausnahm.
»Schwager, hast du eigentlich etwas gegen mich?« fragte sie plötzlich und ließ ihre klugen braunen Augen fest auf ihm ruhen.
Ihr Arm drückte noch gegen den seinen, so daß sie sein Erschrecken merken mußte. Den ehrlichen Mann brachte die Lüge, die nun gebraucht werden sollte, in gänzliche Verwirrung.
»Ich – nein, – was denkst du, – ich habe nichts gegen dich.«
»Und Else?«
»Meine arme Frau wohl auch nichts – bloß –«
Er stockte und über seine offnen Züge breitete sich wieder jene große Verlegenheit.
»Bloß – nun also?«
»Nun, du bist uns wohl nur zu sehr überlegen« – stammelte er. »Du hast soviel Bildung genossen – drüben in der feinen Pension – Else und ich, wir sind doch nur einfache Leute. Und dann meine schmalen Einkünfte, du hast es ja selbst gehört, das wird dir doch auf die Dauer nicht gefallen.«
Sie schmiegte sich an ihn, bis er fast ihre weichen Glieder fühlen konnte, und flüsterte rasch und mit einem Ausdruck der Teilnahme: »Aber ich möchte ja so gern meine Kräfte für euch einsetzen, ich bin stark, Schwager, und möchte euch gern helfen.«
»Wirklich?« fuhr er auf und wandte sich voll zu ihr. »Das willst du in der Tat?«
Sie nickte und sah ihn ernst an. »Und wieder ein bißchen Ruhe und Gemütlichkeit bei euch verbreiten. Das fehlt doch bei dir?«
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