Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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alberne Reden,« setzte sie streng hinzu. »Du wirst schon mit Mademoiselle Jamin gehen müssen, wenn ich es wünsche.«

      Diese mit ziemlicher Heftigkeit ausgesprochene Zurechtweisung, infolge deren die verdutzte Bella schmollend die Unterlippe hängen ließ und heimlicherweise ein Stück Franse an dem Fauteuil der Mama abriß, hatte einfach ihren Grund in der sogenannten Marterzeit, die auf Miß Mertens’ Weggang gefolgt war. Die Baronin hatte notgedrungen die einstweilige Aufsicht über Bella übernehmen müssen, und das war, wie sie versicherte, ein wahrer Totschlag für ihre Nerven. Fräulein von Walde gegenüber behauptete sie zwar stets, lediglich unter Miß Mertens’ Erziehungssünden leiden zu müssen; im Grunde ihres Herzens aber fand sie, daß das Töchterlein in frappanter Aehnlichkeit alle Charaktereigenschaften des seligen Lessen geerbt hatte, worunter sich hauptsächlich ein unbeugsamer Starrsinn und der unbezwingliche Hang zum süßen Nichtsthun auszeichneten … Sie war indes weit entfernt, zu denken, daß Miß Mertens Unrecht geschehen sei – diese Person hatte sich als Erzieherin bezahlen lassen, mithin verstand es sich von selbst, daß sie – natürlicherweise ohne je gegen die Wünsche und Ansichten der Mutter zu handeln oder die Schutzbefohlene gar eigenmächtig zu strafen – alle Fehler des Kindes beseitigte. Jener mütterliche Einblick in Bellas Charakter hatte deshalb auch ganz und gar keinen Vorteil für die schmerzlich erwartete neue Gouvernante – die unglückliche Französin mit der Farbe der Freude auf ihrem Hute hatte sicher keine Ahnung von den freudelosen Tagen, denen sie entgegenging. – In diesem Augenblicke jedoch fiel mit ihrem Kommen der Baronin ein Stein vom Herzen, und die Dame wünschte nichts weniger als einen Konflikt gleich zu Anfang zwischen Lehrerin und Zögling – deshalb wurden Bellas naseweise Ausstellungen gerügt.

      Die Baronin erhob sich und ging in Begleitung ihrer grollenden Tochter hinüber in ihre Gemächer, um die Angekommene in Augenschein zu nehmen. Zugleich wurde Reinhard von Fräulein von Walde entlassen.

      »Befiehlst du, daß ich weiter lese, Helene?« fragte Hollfeld, nachdem die drei das Zimmer verlassen hatten, in sehr verbindlicher Weise, während er die Zeitung wieder aufnahm.

      »Später,« entgegnete sie zögernd und richtete forschend, aber doch mit einer Art schüchterner Beklommenheit ihre Augen auf ihn. »Ich wollte dich eigentlich bitten, da wir für einen Augenblick allein sind, mir endlich zu sagen, was dich in den letzten Tagen so sehr verstimmt hat … du weißt, Emil, daß es mich unsäglich schmerzt, wenn du mir verweigerst, an dem, was dich freut oder bedrückt, teilzunehmen. Du weißt auch, daß es nicht müßige Neugier ist, die in deine Angelegenheiten eindringen will, sondern wahres, warmes Interesse für dein Wohl und Wehe … Du siehst, daß ich schmerzlich unter deiner kalten Verschlossenheit leide; sage mir offen, habe ich unwissentlich etwas gethan, um deswillen du mich deines Vertrauens nicht mehr für würdig hältst?«

      Sie streckte wie flehend die Hände nach ihm aus; ein Stein hätte sich erbarmen mögen bei dem unsäglich weichen, trauervollen Klange ihrer Stimme.

      Hollfeld bog das knisternde Zeitungsblatt zwischen seinen Fingern hin und her. Er hielt den Kopf gesenkt und vermied es konsequent, dem reinen, offenen Blicke des jungen Mädchens zu begegnen. Ein feiner Menschenkenner würde in dieser Haltung und den unter den gesenkten Lidern rastlos hin und her irrenden Augäpfeln wohl keinen Moment den Duckmäuser verkannt haben, der zögernd überlegt, wie er wohl am schlauesten handelt. Für ein argloses, liebendes Mädchenherz dagegen mochte diese hohe, ein wenig nach vorn gebeugte Gestalt mit dem schönen Gesichte unter den prächtigen blonden Haarwellen weit eher ein sinnender Apoll sein.

      »Mein Vertrauen hast du noch, Helene,« unterbrach endlich der Angeredete das minutenlange Schweigen, »du bist ja die einzige in der Welt, der ich vertraue« – Helenes Augen leuchteten auf bei diesen Worten, die Arme war ja so stolz auf diese Auszeichnung – »aber es gibt herbe Notwendigkeiten, die wir uns selbst zuerst nicht einmal eingestehen mögen, geschweige denn, daß wir den Mut haben, sie auszusprechen.«

      Die junge Dame richtete sich betroffen und in unaussprechlicher Spannung in die Höhe.

      »Ich bin gezwungen,« fuhr Hollfeld stockend fort, »einen Entschluß zu fassen, der mir sehr, sehr schwer wird, und das lastet seit einigen Tagen auf mir.«

      Er erhob jetzt den Blick, um zu sehen, welchen Eindruck seine Worte hervorgebracht hatten.

      Helene schien offenbar keine Ahnung von dem zu haben, was er sagen wollte, denn sie veränderte ihre Haltung nicht im geringsten und schien die Worte von seinen Lippen lesen zu wollen. Er sah sich also genötigt, weiter zu operieren, ohne daß sie ihm zu Hilfe kam.

      »Du weißt, Helene,« sprach er langsam weiter, »daß ich seit einem Jahre unsäglichen Verdruß mit meinen Wirtschafterinnen gehabt habe. Sie laufen mir auf und davon, ehe ich mich dessen versehe, und ich vermag nichts, diesem Unwesen zu steuern … Vorgestern hat mir die letzte, die kaum vor zwei Wochen den Dienst angetreten hat, wieder gekündigt … Ich bin außer mir, denn der bitterste Schaden erwächst mir aus dem ewigen Wechsel; meine Besitzung ist mir dadurch vollständig verleidet.«

      »Ah, du willst Odenberg verkaufen?« unterbrach ihn Helene lebhaft.

      »Nein, das würde Thorheit sein, denn es ist eines der schönsten Güter in Thüringen. aber ich bin gezwungen, einen anderen Ausweg zu suchen; es wird mir nichts anderes übrigbleiben, als – mich zu verheiraten.«

      Wenn eine plötzliche Gewalt die junge Dame gepackt hätte, um sie in einen fürchterlichen Abgrund zu schleudern, ihr Gesicht würde sicher nicht mehr schreckensvolle Ueberraschung und Entsetzen ausgedrückt haben, als in diesem Augenblicke. Sie öffnete die schneebleich gewordenen, zuckenden Lippen, aber kein Laut kam hervor, und unfähig, ihren Schmerz zu bewältigen, schlug sie plötzlich die Hände vor das Gesicht und sank mit einem leisen Weherufe in die Kissen zurück.

      Hollfeld eilte sofort an ihre Seite und nahm ihre beiden Hände in die seinigen.

      »Helene,« flüsterte er leise, aber zärtlich – der Ton gelang ihm vortrefflich – »willst du, daß ich rede und dir eine wunde Stelle in meinem Herzen zeige? … du weißt es nur zu gut, daß ich dich liebe, und daß diese Liebe meine erste und einzige durch mein ganzes Leben hindurch bleiben wird.«

      Die Zunge verdorrte ihm nicht bei dieser abscheulichen Lüge, ja, sie vermochte sogar mit einer ihr sonst fremden Geschmeidigkeit tiefinnige Klänge anzuschlagen, welche die ganzen Gefühle des jungen Mädchens aufstürmten und in einen unaussprechlichen Taumel versetzten. Hätte ein guter Engel der Armen zugeflüstert, sie möge nur ein einziges Mal die Augen aufschlagen, so wäre freilich der furchtbare Schmerz der Enttäuschung unausbleiblich für sie gewesen, denn der Blick, der bei jener Versicherung über ihre verkrüppelte Gestalt hinglitt, war ein überaus spöttischer; aber sie hätte doch vielleicht in ihrer Entrüstung die Kraft gefunden, sich den Schlingen des erbärmlichen Egoisten zu entziehen. Ihre Augen blieben jedoch geschlossen, als wolle sie die ganze Außenwelt von sich weisen, um einzig in dem Klange der Stimme zu schwelgen, die zum erstenmal das Wort der Liebe aussprach.

      »Wollte Gott,« fuhr er fort, »ich dürfte meinem Herzen folgen und nur dieser Neigung leben, denn wenn auch meine höchsten Wünsche unerfüllt bleiben müssen, so bin ich doch glücklich neben dir, in deinem Umgange, Helene … Aber, du weißt, ich bin der letzte Hollfeld, schon aus dem Grunde bin ich gezwungen, mich zu vermählen … Es bleibt mir nur ein Mittel, mir dieses Opfer zu erleichtern; ich muß eine Frau wählen, die dich kennt –«

      »O, sag es nur schnell!« rief Helene in ausbrechendem Schmerze, während unaufhaltsame Thränenströme aus ihren Augen stürzten, »du hast bereits gewählt, meine Ahnung hat mich nicht betragen, es ist Cornelie!«

      »Die Quittelsdorf?« rief er lachend, »dieser Irrwisch? … Nein, da will ich doch lieber mein Hab und Gut in den Händen widerspenstiger Wirtschaftsmamsellen

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