Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Aerger gehabt. Denke dir nur, Helene, da kommt mir draußen auf dem Kiesplatze Bella in Begleitung der neuen Gouvernante entgegen – kannst du wohl glauben, daß diese Person die Unverschämtheit hat, das Kind zu ihrer Linken gehen zu lassen? … Dazu sieht sie aus, daß man sie in die Schoten stellen möchte … Ich war sehr außer mir und habe ihr sofort ihren Standpunkt klar gemacht … Aber sage selbst, ob es nicht arg ist; ich darf nur daran denken, mich einmal erholen zu wollen, da kann ich sicher sein, daß alles geschieht, um mich krank und elend zu machen!«

      Sie wollte die Stirn schwermütig auf den Arm stützen, fühlte aber in diesem Augenblicke, daß die geschickt angebrachten falschen Zöpfe an den Schläfen unter dem Drucke des Hutes eine bedenkliche Richtung angenommen hatten. Sie erhob sich schnell und erbat sich noch auf ganz kurze Zeit Urlaub, um ihre derangierte Morgentoilette in Ordnung bringen zu lassen.

      »Apropos!« sagte sie nachlässig und drehte sich im Weitergehen noch einmal um nach den Zurückbleibenden, während sie den Hut einstweilen fest auf die rebellischen Zöpfe drückte, »da hat uns der einfältige Reinhard gestern schön blau anlaufen lassen … Ich begegnete zufälligerweise dem Forstschreiber Ferber droben bei den Ruinen … ich gratulierte ihm –«

      »Ah, ich begreife jetzt deine Wanderung auf den Berg!« unterbrach Hollfeld ironisch seine Mutter. »Und du hast den Mann angeredet, Mama?«

      »Nun, jetzt kann man das ja … Mich interessierten hauptsächlich die Juwelen.«

      »Wolltest du sie kaufen?« fragte ihr Sohn spöttisch – er mochte an die stete Ebbe in ihrer Kasse denken.

      »Das weniger,« erwiderte sie mit einem Zornblicke. »Aber ich habe stets eine Leidenschaft für schöne Steine gehabt – und wäre dein Vater nicht so plötzlich gestorben, so hätte ich jetzt sehr schöne Brillanten, denn er hatte sie mir versprochen, du aber wärst um ein Kapital von circa sechstausend Thalern ärmer … Aber um wieder auf die gefundenen Kostbarkeiten zu kommen. Ferber sagte mir, aus was sie bestanden, und erzählte mir auf mein Befragen ohne Umstände, daß sie ungefähr – achttausend Thaler wert seien – und das nennt der Mensch, der Reinhard, einen unermeßlichen Wert … Einstweilen Gott befohlen – in wenigen Augenblicken bin ich wieder da!«

      Auf Hollfelds Gesicht war das spöttische Lächeln verschwunden, mit dem er die Erzählung der Mutter angehört, und hatte einem unverkennbaren Ausdrucke der Enttäuschung Platz gemacht; es war ihm plötzlich zu Mute, als ob ein kaltes Sturzbad sich über ihn ergossen habe.

      Kaum hatte sich die Thür hinter der Baronin geschlossen, als Helene aus ihrer bisherigen scheinbaren Apathie erwachte und Hollfeld beide Hände entgegenstreckte.

      »Emil,« sagte sie rasch, wenn auch mit etwas verschleierter Stimme und bebenden Lippen, »wenn es dir gelingt, Elisabeths Herz zu gewinnen, was ich nicht bezweifle, dann gehe ich auf deinen Plan ein; aber es bleibt dabei, daß ich bei euch in Odenberg wohne.«

      »Das versteht sich,« entgegnen er, wenn auch etwas zögernd; sein Ton hatte bei weitem nicht mehr die Festigkeit von vorhin, »aber ich mache dich vorher darauf aufmerksam, daß du eine etwas schmale Küche finden wirst … Meine Einkünfte sind nicht besonders glänzend, und daß Elisabeth so gut wie gar nichts besitzt, hast du eben gehört.«

      »Sie soll nicht arm in dein Haus kommen, Emil, darauf verlasse dich,« antwortete das junge Mädchen mit weichem Tone und unnatürlich glänzenden Augen. »Von dem Augenblicke an, wo sie erklärt, die Deine sein zu wollen, ist sie meine Schwester … Ich will redlich mit ihr teilen … ich weise ihr vorläufig die Einkünfte von meinem Gute Neuborn in Sachsen zu und werde über diesen Punkt mit Rudolf sprechen, sobald er zurückkehrt … Und wenn ich die Augen schließe, so gehört euch beiden dann alles, was ich besitze … Bist du zufrieden mit mir?«

      »Du bist ein Engel, Helene!« rief er. »Niemals sollst du deine Großmut und aufopfernde Liebe bereuen!«

      Diesmal war sein Feuer, seine Ekstase nicht erheuchelt, denn die Einkünfte von Neuborn machten Elisabeth zu einer sehr reichen Braut.

      18.

       Inhaltsverzeichnis

      Zwei Tage waren vergangen seit dem Morgen, an welchem Helene, wie sie wähnte, den vollständigen Sieg über sich selbst errungen hatte, wo sie fest überzeugt war, der unumstößlichen Gewißheit gegenüber werde das Stürmen und Wogen ihrer aufgeregten Gefühle sich beruhigen … Wie wenig war sie im stande gewesen, die Tiefe ihrer Leidenschaft zu bemessen! Sie hatte nach einem Strohhalme in der empörten Flut gegriffen, und er war treulos mit ihr gesunken … Nur zwei Tage! … aber sie wogen ihr ganzes bisheriges Leben an Seelenschmerzen auf. Sie sagte sich unaufhörlich, daß das Ziel ihrer Tage, die heißersehnte Ruhe, nicht fern sei, und doch schauderte sie vor dem kurzen Stücke irdischen Daseins, das noch vor ihr lag, wie die nichtgläubige Seele angesichts des Grabes. Sie fühlte immer deutlicher, daß ihr Versprechen, in Odenberg leben zu wollen, ihr Opfer erst recht zu einem übermenschlichen mache; aber um keinen Preis hätte sie auch nur ein Jota von dem ändern mögen, was sie Hollfeld gelobt hatte; sie wollte seiner Liebe würdig sein, wollte seine Achtung verdienen durch die ungeheuerste Selbstüberwindung. – Arme Verblendete.

      Ihr schwaches Nervenleben litt unbeschreiblich unter den fortgesetzten inneren Kämpfen. Sie fieberte beständig und wurde von einer quälenden Unruhe fast aufgerieben. Fort und fort drängte sich das, womit sich ihr ganzes Denken und Empfinden ausschließlich beschäftigte, auf ihre Lippen, aber sie schwieg pflichtschuldigst, weil Hollfeld es wünschte. Ebensowenig hatte er erlaubt, daß sie Elisabeth in den ersten Tagen zu sich berufen durfte, denn er fürchtete, vielleicht nicht mit Unrecht, sie möchte ihm in ihrer Aufregung das Spiel bei dem jungen Mädchen verderben. Er selbst hatte bereits die ersten Schritte gethan, um sich Elisabeth wieder zu nähern. Er war schon zweimal vor dem Mauerpförtchen erschienen, um »der Familie von Gnadewitz« seine Aufwartung zu machen, aber, ob er auch den Klingelgriff fast abgerissen hatte, es war ihm doch nicht aufgethan worden. Das erste Mal war in der That niemand zu Hause gewesen; gestern jedoch hatte ihn Elisabeth kommen sehen. Die Eltern waren mit Ernst im Forsthause, und Miß Mertens erklärte sich mit der Absicht des jungen Mädchens, den Besuch nicht einzulassen, völlig einverstanden. Die beiden saßen oben lachend in der Wohnstube, während die kleine Mauerglocke sich fast heiser läutete. Von diesem Komplott hatte der Untenstehende freilich keine Ahnung.

      Es war sieben Uhr morgens. Helene lag bereits angekleidet auf ihrem Ruhebette; sie hatte sich die ganze Nacht schlummerlos aus ihrem Lager umhergeworfen. Die Baronin schlief noch, Hollfeld war ebensowenig sichtbar, allein sein konnte und wollte die junge Dame um keinen Preis, deshalb hatte die Kammerfrau eine Handarbeit nehmen und sich zu ihr setzen müssen. Was das Mädchen plauderte, es flog unverstanden an ihren Ohren vorüber, aber nichtsdestoweniger hatte der Klang einer menschlichen Stimme nach der einsamen, fieberhaften Nacht etwas Beschwichtigendes für sie.

      Das Geräusch eines näherkommenden Wagens ließ plötzlich die Erzählerin verstummen. Helene öffnete das Fenster und bog sich hinaus. Eben verließ die zurückkehrende Equipage ihres Bruders die Chaussee, und ihre Räder sanken tief ein in den hochaufgeschichteten, knirschenden Kies des breiten Parkfahrweges. Der Wagen war leer.

      »Wo ist dein Herr?« rief Helene dem Kutscher zu, als er ziemlich nahe vorüberfuhr.

      »Der gnädige Herr sind auf der Chaussee ausgestiegen,« antwortete der alte Mann, seinen Hut abnehmend, »und kommen zu Fuße über den Berg, bei dem Gnadecker Schlosse vorüber.«

      Die junge Dame schlug das Fenster zu und schauderte zusammen, als fröstele sie; das einzige Wort »Gnadeck« hatte ihre Nerven berührt wie ein

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