Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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gewiß bereuen,« sagte er. »Ich vergegenwärtige mir nämlich den Moment, wo ich vor deinen Bruder hintreten und sagen darf: ›Helene hat sich entschlossen, künftig in meiner Familie zu leben‹, und ich leugne nicht, daß ich das mit einer Art von Genugthuung dachte; denn er hat ja von jeher meine Liebe zu dir mit scheelen Augen angesehen.«

      Leser – man sagt, die Liebe sei blind; allein in den meisten Fällen schließt sie freiwillig die Augen, denn sie weiß, daß sie an der Erkenntnis sterben müßte, und gegen die Vernichtung kämpft sie verzweifelter noch, als das Leben.

      Helene bemühte sich, das, was er vorgab, mit seinem Aussehen von vorhin in Einklang zu bringen, und es harmonierte denn auch vortrefflich. Sie reichte ihm aufatmend die Hand.

      »Ich glaube dir,« sagte sie innig, »der Verlust dieses Glaubens wäre ja auch mein Todesurteil … Ach, Emil, du darfst mich nie, niemals hintergehen; auch nicht, wenn du denkst, daß es zu meinem Heile sei – ich will lieber eine schlimme Wahrheit hören, als den qualvollen Verdacht mit mir schleppen, daß du nicht wahr gegen mich seiest … Ich habe eine schreckliche Nacht gehabt, aber jetzt bin ich gefaßter und bitte dich, mir die Idee mitzuteilen, von der du gestern sprachst. Das fühle ich klar, ich werde nicht eher mein inneres Gleichgewicht wieder erlangen, bis ich das Gesicht kenne, das für die Zukunft zwischen uns stehen soll. Bis jetzt ist dieses Wesen nur noch ein Phantom für mich, und ich glaube, eben in dieser Unsicherheit liegt die quälende Unruhe, die mich verzehrt … also den Namen, Emil, ich bitte dich inständig!«

      Hollfelds Augen irrten wieder am Boden. Die Sache schien ihm mißlich in diesem Augenblicke.

      »Weißt du auch, Helene,« begann er endlich, »daß ich großes Bedenken trage, heute die Angelegenheit mit dir zu besprechen? … Du bist sehr angegriffen; ich fürchte, ein eingehendes Gespräch macht dich krank. Und dann muß ich sagen, daß mir mein gestriger Gedanke, je öfter ich ihn beleuchte, immer praktischer erscheint; es sollte mir deshalb sehr leid thun, wenn du in der Aufregung seine vorteilhaften Seiten übersähest.«

      »Das werde ich ganz gewiß nicht!« rief Helene, sich lebhaft emporrichtend, ihr Auge hatte einen fieberhaften Glanz. »Ich habe mich überwunden und bin bereit, mich in das Unvermeidliche zu fügen … Ich verspreche dir, so völlig unparteiisch zu sein, als ob – ich nicht liebte.« Sie errötete, denn zum erstenmal sprach sie das Wort aus.

      »Nun denn,« sagte Hollfeld zögernd – er vermochte nicht ganz seine innere Erregung zu beherrschen – »was meinst du zu dem jungen Mädchen auf Gnadeck?«

      »Elisabeth Ferber?« rief Helene aufs höchste überrascht.

      »Elisabeth von Gnadewitz,« verbesserte Hollfeld rasch. »Gerade die plötzliche Veränderung ihrer Stellung hat mich auf die Kleine aufmerksam gemacht. Bis dahin habe ich sie wenig beachtet, und ist mir nur ihr bescheidenes Wesen und die große Ruhe in ihren Gesichtszügen aufgefallen.«

      »Wie, an der reizenden, wunderbar beseelten Erscheinung wäre dir nichts bemerkenswert vorgekommen, als die Ruhe und Bescheidenheit?«

      »Nun ja,« entgegnete er gleichgültig. »Ich erinnere mich, daß du manchmal über deine eigenen Finger ärgerlich wurdest, während sie nie eine Miene verzog und geduldig immer wieder von vorn anfing, bis du ihr folgen konntest. Das gefiel mir schon damals. Ich halte sie für einen sehr ruhigen Charakter, und den muß vor allem meine künftige Frau haben. Auch ist es nicht zu verkennen, daß sie dich verehrt; damit wäre die Hauptbedingung erfüllt. Ferner ist sie in engen, beschränkten Verhältnissen aufgewachsen; sie wird keine Ansprüche machen und sich leicht in die Stellung dir und mir gegenüber finden. Ich glaube, sie hat Takt, ist sehr häuslich erzogen, ein großer Vorzug, und –«

      Helene war in das Kissen zurückgesunken und legte die Hand über die Augen.

      »Nein, nein!« rief sie, sich rasch wieder aufrichtend und seinen eifrigen Redefluß unterbrechend. »Nicht das arme, liebliche Kind! Elisabeth verdient, geliebt zu werden.«

      Ein plötzliches Hundegeheul unterbrach sie und ließ sie selbst einen Schrei des Schreckens ausstoßen. Hollfeld hatte seine Diana, die mit hereingekommen war und zu den Füßen ihres Herrn hingestreckt lag, auf die Pfote getreten. Dieser Zwischenfall kam ihm sehr gelegen, denn Helenes letzte Worte klangen, seinen eigenen glühenden Wünschen gegenüber, so komisch, daß er lachen mußte. Er öffnete die Thür und jagte das hinkende Tier hinaus. Als er zu dem jungen Mädchen zurückkehrte, waren seine Züge wieder völlig ruhig und beherrscht.

      »Lieben wollen wir ja die Kleine auch, Helene,« sagte er anscheinend gleichmütig, während er seinen Platz wieder einnahm – Helene war zu sehr erregt und wohl auch zu reinen Sinnes, um die leichte Beimischung von Frivolität in seinem Tone herauszuhören – »sie soll dir nur den Vorrang lassen in meinem Herzen, und das wird sie auch gewiß … Sie besitzt sehr viel ruhige Ueberlegung und Kaltblütigkeit, das hat sie vorgestern vollständig bewiesen, als sie Rudolf rettete.«

      »Wieso?« rief Helene, die Augen voll unsäglichen Erstaunens weit öffnend.

      Der Diener, welchem gestern wider Willen das Ereignis im Walde entschlüpft war, hatte, erschrocken über sein Versehen, alle näheren Umstände des Attentats unerörtert gelassen und war einfach dabei stehen geblieben, daß der beabsichtigte Schuß Herrn von Walde glücklicherweise nicht getroffen habe. Auch Hollfeld hatte den Sachverhalt erst vor einer Stunde vom Gärtner erfahren. Das unerschrockene Benehmen Elisabeths verlieh ihr, wie man denken kann, in seinen Augen einen neuen Reiz und stachelte seine Sehnsucht, sie so rasch wie möglich zu gewinnen, aufs höchste. Er teilte Helene jetzt alles mit, was er über die Begebenheit erfahren hatte, und schloß mit den Worten. »Du hast jetzt einen Grund mehr, das Mädchen zu lieben, und mich bestärkt ihre Handlungsweise in dem Glauben, daß sie die einzige ist, die in die Verhältnisse paßt.«

      Hiermit harte er sein letztes Pulver verschossen. Er strich mit seiner weißen, schlanken Hand langsam das Haar von der Stirn zurück und beobachtete dabei hinter dem vorgehaltenen Arme gespannt die junge Dame, die den Kopf so in das Kissen gedrückt hatte, daß er nur ihr Profil sehen konnte. Aus ihren geschlossenen Lidern quollen Thränen! Sie sprach kein Wort mehr, vielleicht rang sie zum letztenmal mit sich selbst.

      Warum sie aber nicht ein einziges Mal die Frage aufwarf, ob auch Elisabeth in der That Hollfeld ihre Neigung zuwenden werde? Das wird sich vielleicht manche Leserin selbst beantworten können, sobald sie bedenkt, daß das liebende Herz gewöhnlich den Gegenstand seiner Leidenschaft für unwiderstehlich hält und es schwer begreift, wenn er nicht allen anderen Menschenkindern ebenso begehrenswert erscheint.

      Das Schweigen, das peinlich zu werden anfing, wurde durch das Eintreten der vom Spaziergange zurückkehrenden Baronin unterbrochen. Helene fuhr in die Höhe und trocknete rasch ihre Thränen. Mit sichtlicher Ungeduld ließ sie sich die Liebkosungen gefallen, mit denen sie von der augenscheinlich sehr echauffierten Dame förmlich überschüttet wurde, und antwortete sehr einsilbig auf die Fragen nach ihrem Befinden.

      »Puh!« rief die Baronin sich schüttelnd und ließ die Mantille in den Händen ihres Sohnes, während sie schwerfällig in einen Fauteuil niedersank. »Mir ist warm geworden … Ist das ein vertrackter Weg über den Berg! … Mich bringt keine Macht der Erde je wieder da hinauf!«

      »Du warst auf dem Berge, Mama?« frug Hollfeld ungläubig.

      »Nun ja – du weißt ja, der Arzt hat dergleichen Morgenspaziergänge immer für mich gewünscht.«

      »Ach, das war aber vor so und so viel Jahren, und seitdem behauptest du ja stets, dein Herzübel mache dir derartige Promenaden ganz unmöglich.«

      »Man muß alles in der Welt mehrmals probieren,« entgegnete

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