Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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aus und erzählte auf Miß Mertens’ Befragen, daß sein Herr in einer nicht zu beschreibenden Gemütsstimmung aus Thalleben zurückgekehrt sei.

      »Die Eindrücke im Trauerhause müssen schrecklicher Art gewesen sein,« bemerkte er, »denn ich erkenne Herrn von Walde nicht wieder. Ich hatte ihm notwendig verschiedene Meldungen zu machen, allein im Laufe meines Vortrags merkte ich wohl, daß ich umsonst sprach … Er saß vor mir wie gebrochen, wie völlig verloren in qualvolle Gedanken. Merkwürdigerweise fuhr er heftig auf, als ich ihm zum Schlusse die Entdeckung hier oben in den Ruinen mitteilen wollte; ›ich habe die Sache bereits zur Genüge gehört,‹ unterbrach er mich zornig und ungeduldig, ›bitte, lassen Sie mich allein!‹«

      Es entging Miß Mertens nicht, daß Reinhard sich verletzt fühlte durch die Art und Weise, wie sein Gebieter ihn angelassen hatte.

      »Lieber Freund,« sagte sie beschwichtigend, »in einem Augenblicke, wo ein großer Seelenschmerz uns beherrscht, berührt uns die Außenwelt entweder gar nicht oder sie wird uns peinlich; wir fühlen uns abgestoßen dadurch, daß in ihr sich alles nach wie vor unbeirrt abwickelt, während unsere innere Welt schwankt und aus dem Geleise getrieben ist. Herr von Walde mag den Verunglückten wohl sehr geliebt haben … Aber mein Gott, Elisabeth, was thun Sie denn?« unterbrach sie sich selbst. »Meinen Sie wirklich, daß das hübsch aussieht?«

      Sie deutete auf die Guirlande. Elisabeth hatte nämlich, während Reinhard sprach, mit zitternden Händen einige dickköpfige Dahlien ergriffen und dieselben dem schlanken, bis dahin einförmig grünen Gewinde einverleibt. Es war in der That ein arger Mißgriff, auf den sie selbst mit erstaunten Augen und hochgeröteten Wangen niedersah. Die armen Dinger wurden sofort wieder von dem weichen, grünen Pfühle entfernt, an den sie sich behaglich geschmiegt hatten, und mit einer Strenge behandelt, als hätten sie sich eigenmächtig vorgedrängt.

      Es hatte schon längst aus dem Lindhofer Kirchturme drei geschlagen, als Elisabeth den Berg hinabeilte. Der Onkel hatte sie im Gespräche festgehalten; er war unwirsch darüber daß sie der Einladung folgen wollte. »Denn,« meinte er, und zwar nicht mit Unrecht, »das arme Wesen, welches heute eingesenkt werden soll, verdiene es schon, daß man wenigstens einen Tag seinem Andenken allein weihe.« Er hatte freilich keine Ahnung von dem, was in dem Herzen des jungen Mädchens vorging. Er wußte nicht, daß sein kleiner Liebling in den letzten Tagen sehnsüchtig Stunde auf Stunde gezählt hatte, deren jede den Augenblick ja näher rücken mußte, da es heißen würde. »Er ist wieder da!« und mußte es erleben, daß sein sonst so gehorsames Herzblatt unter seinen Händen wegschlüpfte und wie ein Sturmwind durch das Mauerpförtchen flog.

      Ihre Füße berührten kaum die Erde. Sie hoffte, durch rasches Laufen den Zeitverlust einigermaßen zu ersetzen, aber beinahe hätte sie Thränen der Ungeduld vergossen, als zum Ueberflusse auch noch ihr leichtes Kleid an einer wilden Rosenhecke hängen blieb und mit sehr vorsichtiger Hand und vieler Langmut losgemacht werden mußte. Fast atemlos erreichte sie den Pavillon. Beide Flügel der Thür standen offen, der Salon war noch leer. Auf dem Tische war eine Auswahl von Erfrischungen, und die eine Ecke im Sofa für Helene bequem hergerichtet.

      Mit erleichtertem Herzen trat Elisabeth ein und lehnte sich an eines der hinteren Fenster, vor welchem sich die dichte Buschwand hinzog, als sie ein leises Geräusch hinter sich hörte … Hollfeld hatte hinter einem der vorstehenden Thürflügel gestanden und näherte sich ihr. Sie wollte sofort den Salon wieder verlassen, ohne den Verhaßten eines Blickes zu würdigen; er trat ihr jedoch in den Weg, wenn auch durchaus nicht in unbescheidener Weise, es lag vielmehr etwas Unterwürfiges und Ehrerbietiges in seiner Haltung, und versicherte, die Damen würden gleich erscheinen. Elisabeth sah erstaunt auf, da war auch nicht der leiseste Rest jenes frechen Tons in seiner Stimme zu bemerken, der ihr neulich jeden Blutstropfen empört hatte.

      »Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Fräulein von Walde jeden Augenblick kommen muß!« beteuerte er, als sie abermals den Versuch machte, in die Thür zu treten. »Ist Ihnen denn meine Gegenwart hier gar so schrecklich?« fügte er leiser mit einem Anfluge von Trauer hinzu.

      »Allerdings,« entgegnete Elisabeth kalt und rückhaltlos, »wenn Sie sich Ihres neulichen Benehmens gegen mich erinnern, so werden Sie wissen, daß es mir unerträglich sein muß, auch nur einen Augenblick mit Ihnen allein zu sein.«

      »Wie hart und unversöhnlich klingt das! … Soll ich den kleinen, unbedachten Scherz wirklich so grausam büßen?«

      »Ich rate Ihnen, künftig vorsichtiger zu sein in der Wahl der Leute, mit denen Sie scherzen wollen.«

      »Mein Gott, ich sehe ja ein, daß es ein Mißgriff war, ich schäme mich dieser Uebereilung … wie hätte ich aber auch ahnen können –«

      »Daß man mir Achtung schuldig sei!?« unterbrach ihn Elisabeth mit flammenden Augen.

      »Nein, nein … das habe ich gar nicht bezweifelt. Gott, wie Sie heftig werden können! Aber ich konnte doch wahrhaftig nicht wissen, daß Ihnen das Recht zusteht, weit, weit mehr zu beanspruchen.«

      Elisabeth sah ihn fragend an; sie verstand ihn offenbar nicht.

      »Kann ich mehr thun, als Sie kniefällig um Verzeihung zu bitten?« fuhr er fort.

      »Die soll Ihnen werden unter der Bedingung, daß Sie mich sofort allein lassen.«

      »Hartnäckiger Trotzkopf, der Sie sind! … Ich wäre ein Thor, wenn ich den kostbaren Augenblick vorübergehen lassen wollte … Elisabeth, ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich Sie glühend liebe, liebe bis zum Sterben!«

      »Und ich bin mir bewußt, Ihnen sehr deutlich erklärt zu haben, daß mir dies sehr gleichgültig ist.« Sie fing an zu zittern; nichtsdestoweniger blieb ihr Blick fest und ruhig.

      »Elisabeth, treiben Sie mich nicht zum äußersten!« rief er aufgeregt.

      »Vor allem muß ich Sie ersuchen, die einfachste Höflichkeitsform festzuhalten, die uns gebietet, Fremde nicht mit dem Eigennamen anzureden.«

      »Sie sind ein Satan von Kälte und Bosheit!« rief er bebend vor Zorn. »Nun, ich gebe zu, daß Sie einen Schein von Berechtigung haben, mich zu quälen,« fügte er, sich mühsam bezwingend hinzu, »ich habe mich gegen Sie vergangen, aber ich will ja alles wieder gutmachen … Hören Sie mich nur einen Augenblick ruhig an, und Sie werden mir Ihre Härte sicher abbitten … Ich biete Ihnen hiermit meine Hand. Sie werden wissen, daß ich im stande bin, meiner künftigen Frau, was Rang und Vermögen betrifft, eine glänzende Existenz zu bereiten.«

      Mit einem triumphierenden Lächeln sah er auf sie nieder. Es war ja so natürlich, daß seine schöne Widersacherin diese beglückende Wendung nicht vermutet hatte, sie mußte wohl starr sein vor freudiger Ueberraschung, aber das geschah unerhörterweise nicht, Elisabeth richtete sich vielmehr stolz auf und trat einen Schritt zurück.

      »Ich bedauere, Herr von Hollfeld,« sagte sie mit ruhiger Würde, »Sie hätten sich selbst einen unangenehmen Moment ersparen können. Nach allem, was ich Ihnen bis jetzt gesagt habe, fasse ich kaum, daß Sie noch ein solches Wort aussprechen mögen … Da Sie mich denn durchaus zwingen, so erkläre ich Ihnen hiermit, daß unsere Wege weit auseinandergehen –«

      »Wie!«

      »Und daß ich mich nie entschließen könnte, an Ihrer Seite zu leben.«

      Er starrte sie einen Moment an, wie geistesabwesend, oder wie gänzlich unfähig, ihre Worte aufzufassen. Seine Gesichtsfarbe wurde grünlich, und seine weißen Zähne gruben sich in die Unterlippe.

      »Und Sie treiben wirklich die Komödie so weit, mir eine solche Antwort zu geben?«

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