Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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gegen ein Gut, das sich aus den Thränen und dem Schweiße anderer groß genährt hat!«

      »Gott, wie erhaben!« rief die Baronin höhnisch lachend.

      »Das kann Ihr Ernst nicht sein, Elisabeth,« sagte Helene. »Vergessen Sie nicht, daß an diesem Ausspruche das Lebensglück zweier Menschen hängt.« Sie warf dem jungen Mädchen einen vielsagenden Blick zu, der aber begreiflicherweise nicht verstanden wurde. »Sie müssen nun einmal in die Sphäre, der Sie von nun an angehören sollen, einen adligen Namen mitbringen; das wissen Sie so gut wie ich und werden um einer Grille willen nicht Ihre eigenen Hoffnungen und die anderer zerstören wollen.«

      »Aber ich bin völlig unfähig, Sie zu verstehen!« rief Elisabeth aufgeregt. »Es fällt mir gar nicht ein, irgend eine Hoffnung mit jenem Namen in Verbindung zu bringen; am allerwenigsten aber begreife ich, wie die Wünsche oder das Geschick anderer abhängen sollten von dem Entschlusse eines so unbedeutenden armen Mädchens wie ich bin.«

      »Sie sind nicht arm, liebes Kind,« erwiderte Helene. »Kommen Sie,« fuhr sie tief bewegt fort, »wir sind von heute an treue Schwestern! … Nicht wahr, lieber Rudolf,« wandte sie sich nicht ohne Verlegenheit an ihren Bruder, »auch du heißest Emils Braut willkommen in unserer Familie und erlaubst, daß ich schwesterlich mit ihr teile?«

      »Ja,« klang es dumpf, aber fest herüber.

      Elisabeth fuhr mit der Hand nach der Stirn, es klang so unglaublich, was sie eben gehört hatte … »Emils Braut« hatte Fräulein von Walde gesagt, und das sollte sie, sie sein – es war unmöglich. Hatten diese Menschen sich verschworen ihr einen fürchterlichen Schrecken einzujagen? … Und er, der wußte, daß sie Hollfeld verabscheue, er hielt zu jenen; er stand dort drüben mit untergeschlagenen Armen, ein Bild unerbittlicher Strenge und Zurückweisung. Er hatte die ganze Zeit unbeweglich gestanden und jetzt nur die Lippen geöffnet, um das Ja auszusprechen, das von beinahe zermalmender Wirkung für das junge Mädchen war. Hatte er nicht früher selbst in der rauhesten Weise ein Entgegenkommen seines Retters ihr gegenüber zu verhindern gesucht? … Wie ein leuchtender Blitz fuhr es plötzlich bei diesem Gedanken durch ihre Seele. Sie war jetzt von Adel, das erklärte alles. Hollfelds Stammbaum wurde nicht mehr verunehrt durch die bürgerlich Geborene; daher die Bereitwilligkeit der Verwandten ihn in seiner Werbung zu unterstützen; daher Helenes Besessenheit bei ihrer Erklärung, daß sie den ihr zugefallenen Namen verschmähe … Wie es aber zusammenhing, daß alle bereits ein völliges Einvernehmen zwischen ihr und dem Verhaßten voraussetzten, das zu ergründen war ihr im Augenblicke unmöglich; denn ihre Gedanken wirbelten in einem unaussprechlichen Aufruhre durcheinander. Nur eines war ihr klar: daß sie augenblicklich ohne Rückhalt jenes Ansinnen zurückweisen müsse.

      »Ich sehe mich einem Mißverständnisse gegenüber, dessen Entstehen ich mir nicht enträtseln kann,« nahm sie das Wort in fliegender Hast. »Es wäre wohl Herrn von Hollfelds Pflicht, hier Ausklärung zu geben; da er es jedoch vorzieht, zu schweigen, so sehe ich mich genötigt, auszusprechen, daß er nie und nimmer irgend welches Versprechen von mir erhalten hat!«

      »Aber, liebes Kind,« sagte Helene zögernd und verlegen, »haben wir nicht vorhin bei unserem Eintritte mit eigenen Augen gesehen, daß –« sie brach ab.

      Wie ein Donnerschlag trafen Elisabeth diese Worte. In ihrer reinen, unschuldigen Seele war auch nicht einen Moment die Furcht aufgetaucht, daß jener Augenblick des Schreckens und der Hilflosigkeit mißverstanden werden könne, und nun mußte sie zu ihrem höchsten Schmerze erfahren, daß er ein abscheuliches Licht auf sie geworfen hatte … Sie wandte sich noch einmal rasch um nach Hollfeld; doch schon der eine Blick auf ihn belehrte sie, daß sie von diesem Seite keine Genugtuung, keine Ehrenrettung zu hoffen habe. Er lehnte, den anderen Anwesenden den Rücken halb zuwendend, wie ein ertappter Schulknabe am Fenster. Wären die Damen allein gewesen, so hätte er sich ohne Zweifel durch ein freches Lügengewebe zu helfen gesucht; allein Herrn von Waldes Anwesenheit lähmte ihn vollständig. Er begnügte sich, in einem zweifelhaften Schweigen zu verharren, welches die verschiedenartigsten Deutungen zuließ.

      »Gott im Himmel, wie schrecklich!« rief das junge Mädchen außer sich und rang die Hände. »Sie haben gesehen,« fuhr sie, das Gesicht schamhaft senkend, nach einem tiefen Atemholen fort, »wie ein wehrloses Mädchen vergebens gestrebt hat, die Zudringlichkeiten eines Ehrlosen zurückzuweisen … Die Versicherung meiner tiefsten Verachtung, meiner völligen Abneigung vermochten nicht, ihn zu verscheuchen. Ich habe Herrn von Hollfeld diese Gesinnungen stets unverhohlen gezeigt, trotzdem –«

      Ein starkes Geräusch hinter ihr ließ sie plötzlich verstummen. Helene war in das Sofa zurückgesunken, ihre Rechte klammerte sich krampfhaft an die Tischecke und zitterte so heftig, daß das auf der Platte stehende Porzellangeschirr aneinanderklirrte. Das Gesicht der jungen Dame war aschfarben; ihr erlöschender Blick irrte hinüber zu Hollfeld … Vergebens bemühte sie sich, ihrer tödlichen Bestürzung Herr zu werden, das Licht, das plötzlich auf ein Netz häßlicher Intriguen fiel, war zu grell; sein Strahl hatte etwas von der vernichtenden Gewalt des Blitzes für das bis dahin arglos vertrauende Gemüt Helenes.

      Obgleich selbst in höchster Aufregung und im Begriffe, ihrer Entrüstung noch weiteren Ausdruck zu geben, fühlte Elisabeth doch sofort ihr Herz in innigem Mitleiden schmelzen bei dem Anblicke der jungen Dame. Sie hatte, indem sie ihre Ehre vertrat, der Unglücklichen die Binde von den Augen gerissen; das that ihr schmerzlich leid um Helenes willen, wenn sie auch wußte, daß diese Enttäuschung doch früher oder später hätte erfolgen müssen. Rasch trat sie zu ihr und nahm die eiskalten Hände, die langsam vom Tische niederglitten, zwischen die ihrigen.

      »Vergeben Sie mir, wenn ich Sie durch meine heftigen Worte erschreckt habe,« sagte sie bittend, aber fest. »Es wird Ihnen nicht schwer werden, sich in meine Lage zu versetzen … Einige erklärende Worte des Herrn von Hollfeld würden genügt haben, den unwürdigen Verdacht von mir zu nehmen. Ich würde dann nicht gezwungen gewesen sein, meine Ansicht über seinen Charakter und seine Handlungsweise so unumwunden auszusprechen … Ich bedauere, daß es geschehen mußte, aber ich kann kein Jota davon zurücknehmen.«

      Sie küßte Helenes Hände und verließ schweigend den Pavillon. Es war ihr, als strecke Herr von Walde hastig die Hand nach ihr aus, als sie an ihm vorüberschritt, aber sie sah nicht auf.

      Draußen verfolgte sie den schmalen, gewundenen Pfad, der durch ein kleines Gehölz nach dem Teiche mündete; sie schritt über den großen Kiesplatz am Schlosse vorüber und betrat den engen Waldweg, der nach dem Nonnenturme führte, ohne zu wissen, wo sie sich befand, ohne daran zu denken, daß sie sich immer weiter vom Heimwege entferne.

      Sie war in einer unaussprechlichen Gemütsaufregung. Wie ein Sturm brauste es durch ihr Gehirn … Hollfelds Heiratsantrag, seine maßlose Leidenschaft, Berthas plötzliche Erscheinung am Pavillonfenster, die unbegreifliche Thatsache, daß Helene sie freudig als die Braut dessen begrüßt hatte, den sie selbst leidenschaftlich liebte, dies alles flog immer und immer wieder an ihr vorüber, und dazwischen klang schneidend das »Ja« des Herrn von Walde … Er hätte sie also willkommen geheißen als Hollfelds Braut … es würde ihn nicht die geringste Ueberwindung gekostet haben, sie an der Seite seines Retters zu sehen! … Diese Heirat war ohne Zweifel im Familienrate beschlossen worden. Herr von Walde hatte mit kalt prüfendem Verstande das Für und Wider erwogen und war schließlich mit seiner Schwester darin übereingekommen, daß Emils Auserwählte jetzt die Geschlechtstafel derer von Hollfeld nicht mehr verunehre; man wolle sie in Gnaden annehmen und einem Mangel der Braut, ihrer Armut, großmütig aus eigenen Mitteln abhelfen.

      Bei diesem Gedanken biß Elisabeth die Zähne heftig aufeinander, wie bei einem starken körperlichen Schmerze. Eine unaussprechliche Bitterkeit erfüllte ihr Gemüt, dessen tiefsinnige Neigung unverstanden zertreten worden war von jenem kalt berechnenden, eingefleischten Aristokraten … Wie hatte sie nur hoffen können, daß er je Sympathie fühlen könne für ein warmpulsierendes weibliches

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