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und dabei das gute Recht eines anderen zertritt ... Meinst du wirklich, der Onkel solle öffentlich erklären, daß er um ›das Geheimnis‹ des Herrn von Schilling nicht gewußt hat?«

      »Das durchaus nicht, aber –«

      »Es würde auch dem wunderlichen Menschen, dem Adam, nichts nützen, so wenig wie dem alten Mann im Schillingshofe zu helfen ist,« fiel sie ihm in das Wort. »Die ,brillante' Heirat hat die verpfändeten Güter nicht so unbedingt an die Familie wieder zurückgebracht. Der Vormund der jungen Frau, ein schlauer Fuchs, hat einen Ehekontrakt aufgestellt, der den Schillings sehr viel zu wünschen übrig lassen soll – daher die grimmige Laune, die der Alte drüben nun an der Dienerschaft ausläßt.«

      »Der arme, alte Papa Schilling!« rief Felix bedauernd. »Da mag er freilich tief erbittert sein und um den gescheiterten Plan doppelt grollen – der Kohlenfund hätte ihm jedenfalls wieder zu eigenem Vermögen verholfen. Er tut mir unsäglich leid – er büßt doch zumeist für die Sünden seiner Vorfahren.«

      Die Majorin räusperte sich vernehmlich – sie wußte es jedenfalls besser –, aber sie erwiderte kein Wort; sie widersprach nur, wenn sie im eigenen Interesse mußte, dann aber auch energisch. Während ihr Sohn einigemal mit raschen Schritten den Hausflur durchmaß, schälte sie eine frische Gurke zum Salat.

      »Wunderbar aber ist und bleibt es, daß zwei Köpfe fast zur selben Stunde den gleichen Gedanken hegen, einen Schatz zu heben, an dem alle Vorfahren und sie selbst so lange Zeit ahnungslos vorübergegangen sind!« sagte der junge Mann nach einem augenblicklichen Schweigen gespannt und trat wieder auf die Schwelle der Küchentüre.

      »Hm – ich frage den Onkel sehr selten und lege mir alle Vorkommnisse selbst zurecht,« entgegnete seine Mutter, ohne von ihrer Beschäftigung wegzusehen. »Der Onkel wird schon längst ebenso klug gewesen sein, wie der Herr Ingenieur; aber er hat wohl die Unruhe und das Risiko des Unternehmens gescheut ... Nun ist der kleine Veit nachgekommen – die Wolframs blühen wieder auf, und da wird jeder neue Erwerb zur Pflicht.«

      »Mein Gott, soll denn dieses fieberhafte Erwerben bis in Ewigkeit fortgehen, Mama? Ich sollte doch meinen, deine Familie hätte längst übergenug!«

      Die Majorin fuhr wie entsetzt herum, und ein langer, unwillig überraschter Blick maß strafend den Sohn – es glimmte doch auch nicht ein Funke des Wolframschen Familiengeistes in ihm! »Übergenug haben!« Den vermessenen Gedanken hatte man auf dem Klostergute noch nicht gedacht, geschweige denn laut werden lassen – wie den Schlafwandelnden, so schreckt ja ein unbesonnener Anruf das scheue Glück vom Wege und macht es stürzen. –

      »Über die Vermögensverhältnisse spricht man in unserer Familie nicht, das merke dir!« wies sie ihn scharf und schneidend zurecht. Sie drehte an einem Hahn über dem Spültisch und ließ sich das frische Brunnenwasser über die Hände laufen. »Dein spätes Mittagsbrot ist fertig – gehe in die Stube, ich komme gleich nach!« sagte sie kurz über die Schulter.

      Das war ein barsches Kommando. Felix biß sich zornig auf die Unterlippe und schritt an seiner Mutter vorüber in die anstoßende Stube. Da hatte zu allen Zeiten der Eßtisch gestanden, und der tiefe Fensterbogen war der unbestrittene Platz der Hausfrau gewesen. Die Fenster gingen, wie die der Küche, auf den Hinterhof, den die Wirtschaftsgebäude und nach dem Schillingshofe zu eine Mauer umschlossen. Vor dem oberen Stockwerk der Gebäude hin lief ein bedeckter Gang; eine Reihe kleiner Fenster, von schmalen Türen unterbrochen – einst die Mönchszellen –, mündeten auf ihn; das waren jetzt die Heu- und Kornböden, die Obstkammern. Spreusiebe und Rechen hingen an den Außenwänden, und auf dem Holzgeländer trockneten Getreidesäcke und Pferdedecken.

      Der überhängende Gang verfinsterte den Hof und ganz besonders die Stube, vor deren Fenstern auch noch eine uralte Rüster ihren mächtig entwickelten Wipfel ausbreitete... In diesem grüngefärbten, ungewiß hereinfallenden Licht stand das Nähtischchen, und hier hatte die stille Frau Rätin die Erholungsstunden ihres an Liebe so karg bemessenen Ehelebens verbracht. Das Krähen und Krakeln des Hühnervolkes auf der Düngerstätte, die Brummstimmen der Kühe von den Ställen her, die Hantierung der ab- und zugehenden Knechte und Mägde – das war das Lebensgeräusch für die Einsame gewesen.

      Felix erinnerte sich noch, daß sie eines Sonntagnachmittags die Korbwanne mit ihrem schlafenden Töchterchen neben sich gestellt hatte, in der Meinung, ihr gestrenger Eheherr sei ausgegangen. – Da war der Rat plötzlich eingetreten. Die Frau war jäh emporgefahren, die Glut des Ertapptseins auf dem blassen Gesicht, Fingerhut, Schere und Nadelbüchse waren auf die Dielen gepoltert, und der finstere Mann hatte mit einem halben Blick nach dem Korbbettchen beißend gesagt, hier sei sein Eßzimmer und nicht die Kinderschlafstube.

      An diesen Vorfall wurde Felix beim Eintreten lebhaft erinnert; denn fast auf derselben Stelle schlief jetzt auch ein Kind; aber nicht in der primitiven Korbwanne, zwischen buntgewürfeltem Bettzeug – ein elegantes Wiegenbettchen stand da – grüne Seide spannte sich über das Verdeck, und ein langer grüner Schleier fiel über die kleine, flockenweiche und weiße Bettdecke ... Und am Nähtisch, auf dem Platze der sanften, schlanken Frau saß eine vierschrötige Person, mit dem bäurischen Kopftuch über dem dummdreisten, vollstrotzenden Gesicht und strickte an einem groben Strumpfe. Sie erhob sich nicht von ihrem Sitze, als der junge Herr eintrat, und fuhr fort, mit der Fußspitze die Wiege zu schwenken – sie war sich wohl bewußt, daß die Amme augenblicklich die Herrschende auf dem Klostergute sei.

      Felix hätte gern einen Blick durch den Schleier geworfen, um das Gesicht des kleinen, schlafenden Vetters zu sehen, allein der Anblick des Frauenzimmers auf dem Platze der verstorbenen Tante empörte und verletzte ihn. Er setzte sich schweigend an den Eßtisch und zog ein Lederetui aus der Tasche, das er öffnete, um ein zusammengeklapptes Eßbesteck von Silber herauszunehmen ... Das war das einzige von den Lucians herstammende Stück, das die erzürnte, unversöhnliche Frau aus dem Königsberger Hausstand mit heimgebracht hatte, das Patengeschenk des Großvaters, des längstverstorbenen Obersten Lucian, für seinen Enkel Felix, den er selbst aus der Taufe gehoben ... Das Etui war seitdem in der dunkelsten Ecke des Silberschrankes droben im Giebelzimmer verblieben. Bei seinem letzten längeren Aufenthalt auf dem Klostergute aber hatte der junge Eigentümer durch Zufall das geflissentlich verborgene großväterliche Geschenk entdeckt, er hatte es sofort mit heimlich aufjauchzendem Herzen wiedererkannt und, trotz des mütterlichen Protestes, als sein eigen reklamiert.

      Nun schob er das einfache, holzstielige Besteck des Hauses beiseite und legte das silberne auf die hingebreitete Serviette.

      In diesem Augenblick trat die Majorin ein. Sie trug ein gebratenes Hähnchen und den Gurkensalat auf einem Präsentierbrett und war eben im Begriff, einen gewärmten Teller vor ihren Sohn niederzusetzen, als ihr Blick auf das Silberbesteck fiel. Sie wurde dunkelrot im Gesicht und blieb regungslos stehen. »Nun, ist dir unser Eßzeug nicht blank oder stolz genug?« fragte sie kurz, wie mit zugeschnürter Kehle.

      »Das nicht, Mama,« – versetzte der junge Mann und legte mit einem fast zärtlichen Gesichtsausdruck die Hand auf den Messergriff, der den großeingravierten Namen Lucian trug; – »aber ich bin so glücklich, etwas aus der alten Zeit im Gebrauch zu haben – von diesem Andenken trenne ich mich nie! ... Ich weiß noch genau, wie er aussah, mein schöner, stolzer Großpapa, obgleich ich nicht viel über vier Jahre alt gewesen bin, als er gestorben ist. Der Papa« – ein Schmettern und Klirren machte ihn emporfahren, zugleich erschrak er über sich selbst, denn zum erstenmal nach vieljähriger, von der strengen Mutter ihm auferlegten Selbstbeherrschung, war ihm wie unbewußt das teure, seinem Gedankengang so geläufige Wort »Papa« über die Lippen geschlüpft – und nun stand sie vor ihm, die Zürnende, mit funkelnden Augen; aus dem eben noch rot überflammten Gesicht war jeder Blutstropfen gewichen, und die jäh aufzuckende Hand hatte unwillkürlich den Teller zu Boden geschleudert.

      Die Amme kreischte auf, und die Kinderstimme in der Wiege stimmte

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