Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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»Den meine ich, Georg! Gerade den! Hüte dich vor Collin Cameron! … Ich möchte wohl wissen, wie Mr. Granson, der dir das Kompagnieschiff schickte, von dem Streich zur rechten Zeit Wind bekommen hat.«
Ein Sergeant des Kompagniekreuzers trat in den Raum und meldete, daß das Schiff in zehn Minuten abfahrtbereit sei.
Am Nordufer des Kisil, dort, wo er bei Kaschgar dem Yarkand zuströmt, lag die Villa Witthusen. Auf steinernem Untersatz ein stattliches Holzhaus im Bungalostil. Rings um das ganze Gebäude zog sich, von dem flachen Dach mit überdeckt, eine breite Veranda. Das Innere des Hauses enthielt große und luftige Räume. Die Einrichtung der einzelnen Zimmer zeugte für den Reichtum des Besitzers.
Hier saß Theodor Witthusen, der Chef des großen Handelshauses Witthusen & Co., im Gespräch mit Mr. Collin Cameron, dem Vertreter der angesehenen amerikanischen Firma Uphart Brothers. Ein beträchtlicher Teil des Handels, der aus dem gelben Osten über Kaschgar nach Westen geht, lag in den Händen dieser beiden Firmen. Das russische Haus Witthusen & Co. importierte Häute und Teppiche, während das Haus Uphart Brothers mit Tee und Seide handelte. Collin Cameron war soeben von seiner Europareise zurückgekommen und hatte die erste Gelegenheit wahrgenommen, den Chef des befreundeten Hauses aufzusuchen.
Theodor Witthusen strich sich über den langen, leicht ergrauten Vollbart. Seine Züge verrieten Besorgnis.
»Wir sitzen hier in der Wetterecke, Mr. Cameron. Das politische Barometer ist gefallen und fällt noch weiter. Ich merke es an meinem Hauptbuch. Haben Sie Bestellungen aus dem Westen mitgebracht?«
Collin Cameron schlug sich auf die rechte Brusttasche.
»Gewiß, mein lieber Witthusen. Eine ganze Tasche voll! Die Nachfrage war sehr stark. Ich habe Aufträge für ein halbes Jahr mitgebracht.«
Theodor Witthusen schüttelte den Kopf.
»Ich habe seit Wochen keine Bestellungen mehr. Meine Lager sind voll bis unter das Dach. Man traut dem Frieden nicht. Die Auftraggeber halten zurück …«
»Sie sehen unnötig schwarz. Ich komme aus England. Man traut überall … Warum auch nicht … Es gab eine Krise, ich will es zugeben. Kurz nach dem Attentat auf den Kaiser. Die Gefahr ist überwunden. Ich habe zuverlässige Nachrichten. Die Kugel ist entfernt. Das Befinden des Schitsu bessert sich von Tag zu Tag. Wir haben nichts mehr zu fürchten …«
Theodor Witthusen war der Rede Collin Camerons Wort für Wort mit wachsender Aufmerksamkeit gefolgt.
»Ich weiß, Sie haben gute Verbindungen. Im Westen und auch hier bei unseren Behörden. Wenn Sie es sagen, glaube ich es. Ich hatte schon den Plan erwogen, Kaschgar zu verlassen und nach Rußland hinüberzugehen. Weg von hier nach Andischan … oder sonst irgendwohin ins Ferghanatal.«
»Sie weg? … Weg von hier? … Und Ihre Lager? … Millionenwerte … Ihre alte Firma, die Sie in zwanzig Jahren aufgebaut haben … passierte wirklich etwas, käme es zu Verwicklungen, so wäre das alles schutzlos feindlichen Zugriffen preisgegeben. Nein! Das dürfen Sie nicht … Schon Ihrer Tochter wegen nicht, der Sie das Vermögen erhalten müssen …«
»Gerade meiner Tochter wegen, Mr. Cameron. Ich bin ein alter Mann, und wenn man mich hier totschlägt, so … aber um meine Tochter bin ich in Sorge. Sie ist von Riga nach hierher unterwegs. Ich hätte sie warnen sollen … ich möchte sie heute noch warnen … ihr telephonieren, daß sie auf russischem Gebiete bleibt … ich werde auch telephonieren … Maria Feodorowna soll in Andischan warten, bis ich ihr weitere Nachrichten gebe.«
Collin Cameron war den Ausführungen seines Geschäftsfreundes mit unbeweglicher Miene gefolgt. Kein Zucken der ebenmäßigen Züge seines Gesichtes verriet, was hinter seiner Stirn vorging.
»Ich glaube, mein bester Witthusen, Sie sind viel zu ängstlich … so ängstlich geworden, weil Sie hier jahraus, jahrein an dem gleichen Fleck sitzen. Ich komme von England … war auch in Deutschland … Kein Mensch denkt an kriegerische Verwicklungen. Von Ihnen werde ich direkt zum Bürgermeister gehen, ihm meine Aufwartung machen. Wenn der Taotai irgendwelche Befürchtungen hat, wird er es mich wissen lassen. Ich stehe gut mit ihm … seit Jahren. Sie wissen, ich verstehe mich auch darauf, die Glocken etwas früher läuten zu hören als mancher andere.
Morgen gehe ich über Peking–Jokohama nach Frisko. Glauben Sie mir, es ist in den Staaten jetzt ungemütlicher als hier in Kaschgar. Sollte ich beim Taotai irgend etwas hören, gebe ich Ihnen noch Nachricht. Aber Ihre Besorgnisse sind sicherlich unnötig.«
Mit einem Händedruck empfahl sich Collin Cameron, um den Bürgermeister aufzusuchen.
Vor dem Hause wartete sein Kraftwagen auf ihn. Ein kurzer Wink Collin Camerons, und das Fahrzeug setzte sich in Bewegung. Es rollte durch die von alten Platanen eingefaßte Allee am Ufer des Kisil entlang, überschritt den Fluß auf der neuen eisernen Brücke und wand sich durch die engen emporsteigenden Straßen der Stadt, um das hochgelegene Amtsgebäude des Taotai zu erreichen.
Collin Cameron sah nichts von den Schönheiten dieser Fahrt. Seine Gedanken waren bei dem großen Spiel, das jetzt gemischt wurde. Bei dem gewaltigen Spiel, das die Auseinandersetzung der gelben und weißen Rasse bringen mußte.
Er fuhr zum Taotai. Eine Einladung … ja beinahe ein Befehl rief ihn dorthin. Das Blatt knisterte in seiner Tasche. In eben derselben Tasche, auf die er vorher geschlagen hatte, als er zu Theodor Witthusen von den vielen Aufträgen für seine Firma sprach.
Seine Gedanken flogen zurück. Wie lange schon steckte er in diesem Spiel? Er überzählte die Jahre … acht Jahre … neun Jahre. Vor neun Jahren war es, an einem bösen Wintertage. Da waren die Würfel gefallen, die über sein weiteres Leben entschieden. Da war nach Jahren des Kampfes und der Ungewißheit der große Prozeß zu seinen Ungunsten entschieden, der ihm die Lordschaft Lowdale bringen sollte. Das Urteil wies seine Ansprüche ab und brachte ihm Prozeßkosten in einer ungeheuren Höhe.
Damals stand er mit sich und der Welt zerfallen auf dem Londoner Pflaster. An jenem Tage … in ruhigen Momenten spürte er es oft … war er auf die schlimme Seite gefallen. Mit Leib und Seele hatte er sich in seiner Verzweiflung den Gelben verschrieben. Um jenes Tropfens gelben Blutes halber, der ihm die Pairie raubte, war er ein Feind der weißen Rasse geworden. Obwohl sein Fühlen und Denken ganz arisch waren, obwohl er das unwürdige Spiel, zu dem er hier die Hände bot, klar durchschaute.
Das Knistern des Papiers riß ihn aus seinen Gedanken. Er zog es aus der Tasche und entfaltete es. Eine Einladung des Taotai. Mit chinesischen Lettern auf zähes Papier gepinselt. In der blumigen und schwülstigen Sprache des Ostens abgefaßt. Unverfänglich für jeden, der nur den Text las und das unscheinbare Zeichen neben dem Namenszug des Taotai übersah.
Das Zeichen der Schanti-Partei.
Als Kubelai-Khan vor zwanzig Jahren mit stürmender Hand vorbrach, das neue Reich schuf und als Kaiser Schitsu den Thron bestieg, war Toghon-Khan sein bester Feldherr. Jahre des Friedens folgten auf die wilden Erobererzeiten. Seit Jahren saß Toghon-Khan als Vizekönig von Kaschgarien in Dobraja. Ebenso wie der Kaiser hatte er einen chinesischen Namen angenommen. Als Schanti herrschte er unter dem Zepter des Schitsu, wie er als Toghon an der Seite des Kubelai in die Schlachten geritten war.
Viele Augen im Reiche richteten sich auf den klugen und mächtigen Vizekönig, der hier an der westlichen Grenze des Reiches Wache hielt und ein starkes, schlagfertiges Heer unter seinen Fahnen hatte.
Solange Schitsu herrschte, würde Schanti als treuer Paladin