Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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Collin Cameron blickte auf das winzige Zeichen neben der Unterschrift am Fuße der Einladung und wußte, daß nicht der Taotai, der einfache Bürgermeister, ihn erwartete.
Nun hielt der Wagen vor dem Amtsgebäude. Collin Cameron schritt die Treppe empor. Tief verneigten sich die Diener vor ihm. Lautlos wiesen sie ihm den Weg. Jetzt schob er einen Vorhang zur Seite und sah, daß er recht vermutet hatte. Nicht der Taotai empfing ihn. Er stand vor Wang Ho. Der Generalstabschef der Armee des Schanti war es, der seinen Besuch gefordert hatte.
Wang Ho, der alle Floskeln und Weitläufigkeiten beiseite ließ und scharf und schnell sofort auf sein Ziel lossteuerte.
»Das Berliner Unternehmen, zu dem Sie uns veranlaßten, ist mißlungen.«
Schroffe Abweisung trat auf die Züge des Angeredeten.
»Nicht meine Schuld, Herr General. Ich hatte in meinem Bericht ausdrücklich betont, daß die Hauptpanzer zu sprengen wären. Die Sprengung ist mit ganz unzulänglichen Mitteln unternommen worden. Ich muß die Verantwortung für die Durchführung dieser Unternehmung ablehnen.«
»Auch das Orenburger Unternehmen ist mißlungen!«
Fragend blickte Collin Cameron den Generalstabschef an.
»Es ist mißlungen, Mr. Cameron! Vor fünf Minuten ist der telephonische Bericht eingegangen. Sie hatten uns gemeldet, daß der Oberingenieur Isenbrandt im fahrplanmäßigen Postschiff fährt. Wir haben das Schiff angreifen lassen. Unser Schiff ist von einem Kompagniekreuzer vernichtet worden. Der Oberingenieur ist nicht in dem Postschiff gefahren. Er hat im Gegenteil das Kompagnieschiff kommandiert. Wie erklären Sie Ihren unzutreffenden Bericht?«
Collin Cameron fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Sekunden hindurch verharrte er in nachdenklichem Schweigen.
»Die Meldung kam von einem unserer zuverlässigsten Moskauer Agenten. Der Betreffende hat mit eigenen Augen gesehen, wie der Oberingenieur das Postschiff bestieg, und dann telephoniert …«
»Wie erklären Sie dann, daß er nicht in dem Schiff war? … Wie erklären Sie das plötzliche Auftauchen des Kompagniekreuzers?«
»Erklären? … Es gibt nur eine Erklärung. Ich vermute … ich fürchte, hier hat ein Verräter seine Hände im Spiel.«
»Ein Verräter … dann wird es Ihre Aufgabe sein, ihn zu finden. Ihre Pläne hat er gestört …«
Noch stärker als zuvor machte sich der abweisende Zug in den Mienen Collin Camerons bemerkbar.
»Herr General, ich lehne jede Verantwortung für das Mißlingen meiner Pläne ab. Den Verräter zu suchen, ist Ihre Aufgabe. Für mich ist die Sache erledigt … Zu etwas anderem … Bitte, lesen Sie …«
Cameron griff in die Brusttasche, entfaltete schweigend ein Papier und überreichte es dem General.
Wang Ho hatte seine Mienen in der Gewalt. Kaum merklich war das Zucken seiner Züge, als er die Schriftzeichen überflog. Unwillkürlich neigte er das Haupt, als er die eigenhändige Unterschrift des Schanti erblickte. Mit unbewegter Miene gab er das Papier zurück.
»Sie haben recht, Mr. Cameron. Es geht um größere Dinge.«
Sorgfältig barg Collin Cameron das Papier wieder in der Brieftasche. Ruhig sprach er weiter. Aber die Rollen schienen jetzt vertauscht zu sein. Jetzt war es nicht mehr der General, der inquirierte, sondern Collin Cameron.
»Sie haben die Pläne des Ilidreiecks erhalten, Herr General?«
»Sie sind in meiner Hand. Die Toresani hat sie durch einen zuverlässigen Boten von Andischan an mich geschickt.«
»Die Wichtigkeit wird von Ihnen richtig gewürdigt?«
»Die Wichtigkeit liegt auf der Hand, Mr. Cameron. Die Kompagnie zeichnet Dämme und Schmelzanlagen auf chinesisches Gebiet ein. Voraussetzung dafür ist, daß sie das Gebiet in ihre Gewalt nimmt.«
»Sie wird es tun, Herr General! Sie wird es in kürzester Zeit versuchen. Dann ist der Konflikt da. Der europäische Staatenbund wartet nur auf die entscheidende Meldung aus Peking, um vorzugehen.«
»Der Bund wird uns nicht unvorbereitet finden, Mr. Cameron. Diese Pläne hier geben uns einen guten Grund, unsere Vorbereitungen in großem Maßstabe zu treffen. Wir werden uns jetzt vor jeder Überrumpelung zu schützen wissen.«
»Was werden Sie mit den Ausländern in den Grenzgebieten machen? In Aksu, in Yarkand, in Khotan, auch hier in Kaschgar sitzen zahlreiche europäische Familien.«
»Wir werden sie von heute an überwachen. Sowie es losgeht, schieben wir sie in Konzentrationslager nach dem Innern des Landes ab.«
»Ich habe es nicht anders vermutet. Im bedrohten Grenzgebiet ist die Maßregel berechtigt. Nur in einem besonderen Falle möchte ich selbst den Schutz oder, wenn Sie so wollen, die Aufsicht übernehmen. Meine Firma unterhält freundschaftliche Beziehungen zu dem hiesigen Hause Witthusen. Ich bitte Sie um die nötigen Vollmachten …«
Wang Ho beugte sich über den Tisch und schrieb. Collin Cameron nahm das beschriebene Blatt, trocknete es sorgfältig ab und steckte es zu den übrigen Dokumenten in seine Brieftasche. Eine Order des Generalsstabschefs. Das unscheinbare Blatt legte das Schicksal zweier Menschen bedingungslos in die Hände Collin Camerons.
Der Sergeant, der die Meldung des Barons von Löwen an Georg Isenbrandt überbrachte, vergaß, bei seinem Fortgehen die Tür hinter sich zu schließen. So blieb sie halb offen stehen und gestattete den Freunden, zu sehen und zu hören, was in dem anstoßenden Hotelsaal vor sich ging.
Aus dem Stimmengewirr, das herüberklang, hoben sich deutsche Worte heraus. Eine Frauenstimme war es. Ein junges Mädchen, das mit einem der Platzschaffner, einem deutschen Wolgakolonisten, sprach. Wellington Fox sah ein feines Gesicht von rein deutschem Typ. Lichtblondes Haar umrahmte die schmale Stirn, unter der lichtblaue Augen erglänzten.
Sie beklagte sich über den Ausfall des Schiffes nach Andischan. In diesem Augenblick sprach sie mehr zu sich selbst als zu dem Schaffner.
»Mein Vater erwartet mich. Was wird er sagen, wenn ich ausbleibe? … Er wird in Angst um mich sein … Was soll ich nur tun?«
Der gutmütige Schaffner suchte sie zu trösten. Wie ein Koloß stand seine riesenhafte Figur vor ihrer zarten Gestalt.
»Wir können ja telephonieren. Wohin wollen Sie denn … nach Kaschgar … ein bißchen weit … telephonieren wir doch …«
Wellington Fox wiederholte mechanisch die letzten Worte.
»Nach Kaschgar will sie … wer mag sie sein?«
»Wer mag sie sein …«
Schwer und langsam waren die Worte von den Lippen Georg Isenbrandts gefallen. Wie traumverloren und geistesabwesend saß er auf seinem Stuhl. Wellington Fox wandte ihm halb den Rücken zu, so daß er die plötzliche Veränderung nicht bemerken konnte, die im Wesen seines