Die Kreuzzüge. Martin Kaufhold

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Die Kreuzzüge - Martin  Kaufhold marixwissen

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die überhaupt den Rahmen des Aufrufes zum ersten Kreuzzug schufen.

      Die zeitgenössischen Quellen lassen erkennen, dass um die Anliegen der Reform auf vielen Ebenen erbittert gerungen wurde. Dazu mussten die Reformer in die Offensive, denn sie wollten die bestehenden Verhältnisse verändern, und die Beharrungskräfte waren enorm. Der klassische Weg war die Verbreitung der päpstlichen Anliegen durch Briefe an die einzelnen Bischöfe, die diese Schreiben dann ihren Priestern bekannt machten. Wenn allerdings die Bischöfe selber den päpstlichen Führungsanspruch in der vorgetragenen Form nicht akzeptierten, dann war diese Kommunikationsstruktur nicht arbeitsfähig. Eine Abhilfe schufen Synoden der Erzbistümer oder Bistümer, auf denen ein Legat des Papstes den Vorsitz führte. Dieses Instrument erlaubte es der Kurie, ihre Anliegen mit entsprechendem Nachdruck vorzutragen und vor Ort die anwesenden Kleriker auf eine Einhaltung der Vorschriften zu verpflichten. Angesichts der einfachen Kommunikationsstrukturen war das Mittelalter eine Zeit, in der Herrschaft persönlich ausgeübt werden musste, wenn sie effektiv sein sollte.

      Die widerstrebenden Geistlichen mussten persönlich auf die Einhaltung des Zölibats verpflichtet werden. So schrieb Papst Gregor VII. am 29. März 1075 an den Erzbischof von Köln: Um aber das, was wir Deiner Liebe auferlegen, umfassender und wirksamer zu verfolgen, raten wir Dir, mit Deinen bischöflichen Mitbrüdern ein Konzil herbeizuführen. Auf diesem solltest Du einen möglichst großen Kreis von Klerikern versammeln und ihm die kanonischen Gesetze und die Autorität des päpstlichen Stuhles sowohl wie Deine und die aller deiner Mitbrüder offen verkünden und ausführlich darlegen, wie groß die Tugend der Keuschheit, wie sehr sie für alle geistlichen Grade notwendig …ist; danach solltest Du ihnen unumstößlich kundtun, dass ihnen fürderhin nicht erlaubt ist, was sie zu ihrem eigenen Verderben bisher in Anspruch nahmen … (Brief Gregors VII. Nr. 51).

      Nicht immer konnte der Papst selber einem Konzil oder einer Synode vorsitzen (die mittelalterlichen Quellen unterscheiden diese Begriffe nicht), und nicht immer konnte er einen Legaten entsenden. Die Entfernungen waren gewaltig und die Zahl der Aktiven begrenzt. Die Reise von Rom nach Köln dauerte mehrere Wochen. Diese Bedingungen zu kennen, ist von erheblicher Bedeutung, um das Geschehen in Clermont zu verstehen, auf das wir weiter unten eingehen werden. Denn der Papst war nach Clermont gekommen, um dort für den Fortgang der Kirchenreform zu wirken. Dies war der Anlass der Zusammenkunft, und es war der Anlass der päpstlichen Reise nach Frankreich. Die erste Initiative für einen Kreuzzug wurde in direktem Zusammenhang mit den Reformbemühungen unternommen. Und noch etwas ist wichtig.

      Angesichts der so schwachen Reformstrukturen und angesichts der Beharrungskräfte, die eine jahrhunderte lange Tradition, die auch für den Klerus selbstverständlich war, ihren Bemühungen entgegensetzte, konnte die Reform der Kirche nur gelingen, wenn sie von einer ausreichend großen und engagierten Zahl von Laien unterstützt wurde. Tatsächlich hat die historische Forschung zu der Erkenntnis geführt, dass die Sorge um das Seelenheil und der Wunsch, ein gottgefälliges Leben zu führen, in den unterschiedlichen Schichten der Christenheit dieser Zeit eine starke Kraft war. Die Reformer konnten auf diese Unterstützung setzen. Die religiöse Unruhe drückte sich in verschiedenen Formen aus, es ist angesichts der regionalen Beschaffenheit der meisten Lebensstrukturen nicht verwunderlich, wenn die Menschen auf die bohrende Frage nach dem richtigen Leben unterschiedliche Antworten gaben. Eine besonders aktive Rolle spielte der Adel.

      In einer Lebenswelt, in der das städtische Leben noch keine prägende Rolle spielte, waren neben den Bischöfen – die in Städten residierten – vor allem Klöster Träger christlicher Kultur. Viele dieser Klöster waren von Adelsfamilien gestiftet worden, die auf diese Weise das Totengedenken ihrer Dynastie sicherstellen wollten. Doch es gab auch enge persönliche Bande, da die jüngeren Söhne solcher adligen Familien häufig in diese Klöster eintraten. So waren diese Familien eng mit ihren Klöstern verbunden, und sie machten sich die Reform des klösterlichen Lebens zu einer eigenen Aufgabe. Gleichzeitig war dies die Schicht, aus der die Kreuzzugsheere rekrutiert wurden. Die enge Verbundenheit dieser Milieus lässt sich etwa bei Bernhard von Clairvaux erkennen, der aus einer solchen ritterlichen Familie stammte und 14 Jahre nach der Eroberung Jerusalems in den neu gegründeten Zisterzienserorden eintrat.

      Die Zisterzienser waren damals ein junger, asketischer Orden, der die adlige Jugend faszinierte. Es war ein strenges, sehr entbehrungsreiches und häufig kurzes Leben, zu dem diese adlige Jugend sich entschloss. Der Zisterzienserorden gehört zu den eindrucksvollsten Neuerungen, die aus der Reformbewegung des 11. Jahrhunderts hervorgegangen waren. Die Brüder der jungen Männer, die in diese Klöster eintraten, mochten einem Aufruf zum Kreuzzug folgen. Bernhard wurde selber zum entschiedensten Prediger und Propagandisten des zweiten Kreuzzugs. Otto von Freising, dem wir das vielleicht eindrucksvollste Lob der zisterziensischen Lebensweise verdanken, nahm selber an diesem zweiten Kreuzzug teil. Otto von Freising und Bernhard von Clairvaux waren Männer des Wortes. Sie vermochten Inhalte und Begriffe differenziert zu verstehen und wiederzugeben. Aber wir können davon ausgehen, dass die Reformideale, die diese Männer bewegten, auch eine schlichtere Ausdrucksform kannten. Reformen benötigen klare Losungen, und nicht jeder, der diese Losungen mit Inbrunst vorträgt, versteht ihren Gehalt. Damit kommen wir zu der aggressiven Seite der Reform, die sich als Antwort auf den Kreuzzugsaufruf Urbans II. 1095 so vehement äußerte.

      DIE AGGRESSIVEN ZÜGE DER REFORM

      Die Reform hatte große Gegner nicht gescheut. Die Reformer hatten frühzeitig begonnen, deutliche Trennlinien zu ziehen. Daraus war bereits 1054 das so genannte morgenländische Schisma hervorgegangen, ein formaler Akt der gegenseitigen Exkommunikation vom Papst und dem griechischen Patriarchen in Konstantinopel. Die unterschiedlichen Sprachen hatten schon deutlich früher zu einer Entfremdung geführt, die durch divergente theologische Lehren und politische Strukturen verstärkt wurde. Doch konnten diese, zu einem Teil auch persönlichen Auseinandersetzungen immer wieder beigelegt werden. Schon bald, nachdem die Reformer in Rom die Initiative übernommen hatten, änderte sich das. Es kam zu Konfrontationen und gegenseitigen Exkommunikationen, aber erst der vierte Kreuzzug, von dem unten noch die Rede sein wird, entfremdete beide Lager auf Dauer. Zunächst wirkte die gemeinsame Tradition weiter. Der Aufruf zum ersten Kreuzzug lässt dies erkennen. Schließlich ging er auf eine Hilfsanfrage aus Byzanz zurück. Aber das Schisma markiert doch eine erste Grenzziehung. Und aus solchen Grenzziehungen, die die Reformer nun vorantrieben, ergaben sich allmählich neue Gegnerschaften. Gegnerschaften, die darauf zurückzuführen waren, dass die nun deutlicher voneinander getrennten Größen begannen, um ihr Verhältnis zueinander zu ringen.

      Der Konflikt Gregors VII. mit Heinrich IV., der schließlich in Canossa im Januar 1077 einen berühmten Höhepunkt erfuhr, ist dafür ein berühmtes Beispiel. Auch er spitzte sich allmählich zu, aber er ließ in der Zuspitzung die Konsequenzen des Reformprogramms erkennen, das sich mit versöhnlichen Tönen gegenüber jenen schwertat, die vom rechten Weg abwichen. Gregor VII. ging immerhin soweit, dem Königtum Heinrichs IV. durch seine Exkommunikation die Legitimität zu entziehen und damit einer Opposition in Deutschland Auftrieb zu geben, die schließlich einen eigenen König wählte. Das war durchaus ein unerhörter Vorgang, denn Heinrichs Vater hatte in Rom noch mehrere Päpste ab- und eingesetzt.

      Schließlich ging der Angriff Gregors VII. und der Reformer auf Heinrich IV. deutlich über die Person des unbeliebten Königs hinaus. Er zielte auf das Selbstverständnis dieses Königtums, das die eigene Aufgabe auch als ein sakrales Amt verstand. Der König war der Kopf seines christlichen Königreiches, verantwortlich für Laien und Kleriker gleichermaßen. Diese vornehme Aufgabe war ihm von Gott übertragen worden. Für die Reformer war der König nur noch ein Laie, Angehöriger eines Standes, dessen Würde der Würde der Priester nicht gleichkam. Fünfzig Jahre zuvor, bei der Krönung Konrads II. im Jahre 1024, hatte der Erzbischof von Mainz den König daran erinnert: ein Stellvertreter Christi bist Du. Diese vornehme Stellung, die für die Könige des frühen Mittelalters selbstverständlich gewesen war, wurde nun mit Entschiedenheit in Frage gestellt.

      Der Vorstoß des neuen Papsttums an die Spitze der kirchlichen

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