Die Kreuzzüge. Martin Kaufhold

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Die Kreuzzüge - Martin  Kaufhold marixwissen

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die wichtigen Prälaten in ihren Reichen selber ausgesucht hatten. Die Hierarchisierung der Kirche stellte auch den Status der Bischöfe Europas in Frage. Sie hatten sich bislang als direkte Nachfolger der Apostel verstanden, die ihr Amt nicht päpstlicher Verleihung sondern einem göttlichen Auftrag verdankten (auch wenn sie vom König eingesetzt wurden). Der Nachdruck, mit dem der Bischof in Rom nun seine übergeordnete Stellung betonte und Gehorsam einforderte, beunruhigte viele Amtsträger. Manche akzeptierten die neue Führung, viele aber nahmen daran Anstoß. So ist es etwa zu erklären, dass viele Bischöfe des Reiches Heinrich IV. in seinem Kampf mit dem Papsttum zunächst unterstützten. Tatsächlich war die Kirche des frühen Mittelalters regional organisiert. Es gab vereinzelte zentralisierende Elemente, aber sie waren angesichts der Kommunikationsbedingungen schwach entwickelt. Bischöfe residierten in Städten und in der Regel waren sie die Herren der Stadt mit einem weiten Wirkungskreis. Innerhalb ihres Bistums hatten sie die Entscheidungsgewalt über den Klerus und das geistliche Leben.

      Es lässt sich in Hinblick auf diese regionale Struktur der frühmittelalterlichen Kirche sagen, dass eine Bewegung von dezidiert christlichem Charakter, die gewissermaßen quer zu den Bistumsgrenzen die Menschen erfasste, und die sich nicht mehr auf die Zuständigkeit eines Bischofs beschränkte, die Autorität der römischen Kirchenleitung stärken konnte. Zumindest stärkte eine solche Bewegung die Zuständigkeit des Papstes, der bis dahin vor allem mit den Belangen seiner eigenen römischen Diözese zu tun hatte. Insofern waren die Kreuzzüge ein weiteres Moment einer Veränderung der mittelalterlichen Kirche, die ihre regionalen Horizonte zu einem gemeinsamen Horizont der lateinischen Christenheit erweiterte. Die Führung dieser Kirche wurde zunehmend vom Papsttum beansprucht, und sie wurde den Päpsten von den Zeitgenossen auch zunehmend zugestanden. Das hatte damit zu tun, dass der Bedarf nach einer solchen zentralen Führung wuchs. Bewegungen, wie die Kreuzzüge, die den größeren regionalen Rahmen überschritten, trugen dazu bei.

      Es ist wohl kein Zufall, dass das 12. Jahrhundert nicht nur eine besondere Zeit in der Kreuzzugsgeschichte war, sondern auch als die Zeit gelten kann, in der das Papsttum die Führung der Kirche nicht nur beanspruchte, sondern diesen Anspruch auch mit überzeugenden Persönlichkeiten ausfüllen konnte. Diese Entwicklungen hängen nicht voneinander ab, sondern sie gehen vielmehr auf eine Horizonterweiterung zurück, die sich in vielen Formen äußerte.

      Die Verbindung zwischen der Erweiterung des Horizonts und einer aggressiven Haltung religiöser Polarisierung ist an einem spanischen Beispiel im späten 11. Jahrhundert eindringlich zu studieren. Die iberische Halbinsel hatte lange unter moslemischer Herrschaft gestanden. Seit dem frühen 8. Jahrhundert hatte eine Oberschicht moslemischer Kämpfer große Teile des Landes kontrolliert, nur im Norden bestanden in den unzugänglichen Regionen christliche Enklaven fort. Im Laufe des elften Jahrhunderts verlor die zentrale moslemische Regierung des Kalifats in Cordoba allmählich den Zugriff auf das Land, und die Herrschaft zerfiel in einzelne Teilreiche. Neben diese moslemischen Teilreiche traten in zunehmendem Maße christliche Herrschaftsbildungen im Norden, die den moslemischen Großen durchaus ebenbürtig waren. Jedoch spielte sich diese Konkurrenz weitgehend im Rahmen der iberischen Halbinsel ab. Die religiösen Differenzen spielten in diesem komplizierten und bewegten Geflecht keine herausgehobene Rolle. Eine Figur wie der berühmte Cid, jener Abenteurer, der zwischen den Reichen und Herrschern, und wohl auch zwischen den verschiedenen Religionen eine Laufbahn als Kämpfer mit wechselnden Loyalitäten absolvierte, war nur in dieser Phase des 11. Jahrhunderts denkbar. Noch hatten sich die Konkurrenten nicht zu festen Lagern gefügt. Um 1080 änderte sich dies allmählich – sowohl die moslemischen als auch die christlichen Teilherrschaften richteten sich allmählich an einer übergeordneten Führung aus. Die Koordinaten auf der iberischen Halbinsel verschoben sich.

      Um das Jahr 1080 übernahmen die Christen auf der iberischen Halbinsel die römische Form der Liturgie. Bis dahin hatten sie den Gottesdienst nach dem so genannten mozarabischen Ritus gefeiert, der zahlreiche Elemente der arabischen Kultur in den Gottesdienst aufgenommen hatte. Im Jahr 1089 traf der Bischof von Vic (Katalonien) in Rom ein, um dort die Privilegien der Kirche von Tarragona bestätigen zu lassen. In diesem Vorgang lässt sich der Wandel deutlich erkennen. Die Reise des Bischofs von Vic zeigt eine neue Ausrichtung. Es war eine Ausrichtung mit Folgen. Denn Tarragona befand sich noch in moslemischer Hand. Und der Papst rief nun die christlichen Herren der Kirchenprovinz Tarragona und der Nachbarprovinzen dazu auf, alle Kräfte auf die Rückgewinnung der Stadt auszurichten, damit man dort einen Bischofssitz haben könne. Tarragona könne dann ein christliches Zeugnis gegen die Sarazenen ablegen.

      Der päpstliche Aufruf zur Rückgewinnung Tarragonas ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Papst hier bereits jenen Ablass (remissio peccatorum) in Aussicht stellt, der dann beim Aufruf zum ersten Kreuzzug sechs Jahre später erneut gepredigt wurde. Der Papst forderte zur Buße auf, wobei klar war, dass dies eine kämpferische Bußleistung sein würde. In diesem Zusammenhang wurde Jerusalem als Pilgerziel genannt, indem der Papst all jene, die nach Jerusalem oder zu anderen Orten pilgerten, aufforderte, nach Tarragona zu ziehen. Damit waren wesentliche Elemente des Kreuzzugsaufrufs 1095 bereits einige Jahre zuvor in Hinblick auf die christliche Rückgewinnung Tarragonas aus der Hand der Sarazenen formuliert worden. Die Vereinheitlichung des christlichen Horizontes ging auf diese Weise einher mit einer zunehmenden Konfrontation mit jenen, die die römische Kurie als Gegner ausgemacht hatte.

      Aus der Konfrontation von Gregor VII. und Heinrich IV. folgte ein Bruch zwischen dem Kaiser und dem Papst, der zu dem Zeitpunkt, an dem Urban II. zum bewaffneten Zug in das Heilige Land aufrief, noch nicht überwunden war. Es ist unter Historikern umstritten, wie sehr der Konflikt zwischen dem 1105 von seinem Sohn abgesetzten Heinrich IV. und den Päpsten dazu geführt hat, dass der Kaiser den Kreuzzug nicht anführte. Die »Regierungspraxis« dieser Epoche bestand in der Tat in persönlichen Akten eines anwesenden Königs, eine »Verwaltung« gab es noch nicht. Es sprach also einiges dafür, dass der König in seinem Reich anwesend war – insbesondere dann, wenn seine Herrschaft so umstritten war, wie die Heinrichs IV. Eine Doktrin, die es dem König versagt hätte, sein Reich längere Zeit zu verlassen, gab es jedoch nicht. Und die langen Aufenthalte ottonischer Herrscher in Italien nach 962 (Kaiserkrönung Ottos I.) hatten praktisch auch dazu geführt, dass die Herrscher den Regierungsgeschäften nördlich der Alpen in der Zeit ihrer Abwesenheit fern standen. Dadurch war das Reich nicht in Anarchie verfallen.

      In den Jahren des Aufrufs zum ersten Kreuzzug gab es neben Papst Urban II. (seit 1088) einen weiteren Papst, den Heinrich IV. eingesetzt hatte. In den zwei Jahren vor dem Aufruf zum Kreuzzug war zunächst Heinrichs Sohn, dann auch seine Ehefrau, von ihm abgefallen, und sie hatten sich Urban II. angeschlossen. Der Widerstand in seiner Familie und unter den Fürsten kostete Heinrich schließlich seinen Thron, und die Jahre des ersten Kreuzzugs waren für ihn Jahre scharfer Auseinandersetzung mit diesen Gegnern. Daher kam der Kaiser als Kopf eines solchen Zuges kaum in Betracht. Tatsächlich lag die Leitung des Unternehmens bei Männern aus dem höheren Adel. In der Mobilisierung dieser Männer hatte das Reformpapsttum bereits einige Erfahrung. Es waren weniger die Könige als vielmehr bedeutende Adlige gewesen, die die Reform der Kirche unterstützt hatten, und es war durchaus schlüssig, die Organisation des ersten Kreuzzugs entsprechend auszurichten. Dabei waren solche Männer natürlich nicht immer einfach im Umgang.

      Du hast klug, wie es sich ziemt, gehandelt, als Du uns und den Römern den Erfolg des Kriegszuges und den Preis des errungenen Sieges mitteiltest, damit das, was Du nach dem Wunsch der Freunde ruhmvoll gewonnen hattest, Dir durch ihre Glückwünsche zu etwas noch Ruhmvollerem und Glücklicherem gemacht werde. Indessen musst Du Dir denjenigen tief ins Gedächtnis prägen, durch dessen Gunst und Hilfe ohne Zweifel Deine Angelegenheiten gedeihen (Brief Gregors VII. Nr. 119). So begann ein Schreiben Gregors VII. an den Normannenherzog Robert Guiskard um das Jahr 1081. Robert sollte im Namen Gottes und auf Geheiß des Papstes die Feinde der Kirche erfolgreich bekämpfen. Dem Normannenherzog Wilhelm, der 1066 England eroberte, hatte der Papst eine Fahne des Hl. Petrus übersandt, die die Normannen auf ihrem Zug mit sich führten. Es war allerdings nicht immer einfach, diese Krieger zu kontrollieren. Die Normannen verfügten neben ihrer Waffenstärke über ein erhebliches Maß an Eigensinn, und so kam es durchaus vor, dass der Papst,

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