Die Kreuzzüge. Martin Kaufhold
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Es ist selbstverständlich, dass Krieg ein brutales Geschäft ist. Die historische Forschung hat sich seit einiger Zeit intensiver mit den verschiedenen Formen der Konfliktregelung in der mittelalterlichen Gesellschaft befasst. Sie hat dabei wichtige Mechanismen aufgedeckt, mit denen die Zeitgenossen bei aller gewalttätigen Rhetorik ihre Differenzen unblutig ausräumen konnten. Doch sollten wir die Bedeutung dieses friedlichen Konfliktaustrags nicht überbetonen. Das wäre eine zu moderne Sicht. Im elften Jahrhundert waren Schwerter nicht nur Zeichen der Herrschaft, sondern sie waren vor allem Waffen im Kampf. Wie sie eingesetzt wurden, und welche Folgen ihr Einsatz hatte, davon gibt uns die zeitgenössische Literatur oder die Darstellung auf dem Teppich von Bayeux ein ausreichendes Bild. Solche Kämpfe lassen sich nur begrenzt verklären, und ihr grundsätzlicher Charakter ist sich auch dann ähnlich, wenn sie ganz unterschiedlichen Zielen dienten. Dennoch ist es für das Verständnis der Kreuzzüge von erheblicher Bedeutung zu verstehen, warum sich am Ende des elften Jahrhunderts so viele Menschen auf einen bewaffneten Zug in das Heilige Land begaben. Dies war zuvor nicht der Fall gewesen, und die Bewegung hielt in dieser Form auch nur für eine gewisse Zeit an.
DER KREUZZUGSABLASS
Die unterschiedlichen Definitionen eines Kreuzzugs, die zu Beginn dieses Bandes vorgestellt worden sind, stimmen in der Bedeutung eines Motivs überein: der Bedeutung des Sündennachlasses für die Kreuzfahrer. Dabei ist der Charakter und der Umfang des so genannten Ablasses, der jedem Teilnehmer an einem Kreuzzug in Aussicht gestellt wurde, unter Historikern umstritten. Handelte es sich um eine umfassende Tilgung der Sündenschuld (remissio peccatorum) für alle Teilnehmer, oder wurden nur denjenigen Teilnehmern, die tatsächlich reinen Herzens waren, die Bußleistungen erlassen, die sie in ihrem irdischen Leben noch für bereits gebeichtete Sünden abzuleisten hatten? Die Frage der korrekten Bewertung eines Kreuzzugsablasses ist ein komplexes theologisches Problem – auch wenn die Bußtheologie im späten elften Jahrhundert noch in ihren Anfängen steckte. Ernst-Dieter Hehl hat nach gründlichem Studium der einschlägigen Texte betont, dass der Ablass, den Urban II. den Kreuzfahrern in Aussicht stellte, nur denjenigen zugesichert wurde, die allein um ihres Glaubens willen (sola devotione) nach Jerusalem aufbrachen. Der Kreuzzug sei eine Bußübung für diejenigen gewesen, die zur Buße bereit gewesen seien. Nur ihnen sei zugesagt worden, dass der Zug nach Jerusalem sie von der Verpflichtung zu anderen Bußübungen befreie. Die Lossprechung von ihren Sünden sei nicht die Folge der kriegerischen Taten, sondern der aufrichtigen Reue, die der Kreuzfahrer vor dem Aufbruch gezeigt habe.
So schlüssig sich eine solche Erklärung darlegen lässt, so läuft sie doch Gefahr, das Kreuzzugsgeschehen in nicht unerheblicher Weise zu verklären. Wir haben oben die Verbindungen des theologischen Milieus, das die Reformdynamik trug, mit dem Milieu der Ritter betont, die die Kriegszüge durchführten. Dennoch ist es in diesem Fall auch nötig, darauf hinzuweisen, dass die Kreuzzüge ein eminent praktisches Unternehmen waren. Das nächste Kapitel wird den Aufruf Urbans II. zum ersten Kreuzzug behandeln. Darin ist weniger von edlen Taten und mehr von roher Gewalt die Rede, die sich auf andere Ziele richten müsse. Jedem bedeutenden Begriff der theologischen Hochsprache, der die zeitgenössische Diskussion bestimmte, entsprach im praktischen Milieu ein sehr viel unbestimmteres Verständnis, das einer robusten Exegese unterzogen wurde. Das Christentum des Mittelalters war eine robuste Religion. Und doch gibt die Diskussion über den Sündennachlass den entscheidenden Hinweis. Die Frage der Buße konnte nur in einem Umfeld Gewicht bekommen und Menschen mobilisieren, das sich über sein Seelenheil ernsthafte Sorgen machte. Diese Sorge um das Seelenheil war eine bedeutende Triebkraft der Kirchenreform des elften Jahrhunderts, wobei man die Antworten nicht nur in geistlichen Lebenssphären finden konnte. Der Kreuzzug bot die Möglichkeit, Kampf und religiöse Haltung miteinander zu verbinden. Die Erwartung, dass beim Sieg in diesem Kampf dem Sieger auch die Beute zufiele, war dabei selbstverständlich und stellte die Motive des Kämpfenden auch nicht infrage.
Die Verbindung eines Sündennachlasses mit dem Kampf im Namen der Kirche und des Glaubens kam in diesen Jahren auch an anderen Orten vor. So kämpften die Christen auf der iberischen Halbinsel seit einigen Jahren erfolgreich gegen die moslemischen Herren. Im Jahre 1085 war es gelungen, Toledo zu übernehmen, einige Jahre später rief Urban II. – wie bereits erwähnt – die katholischen Kämpfer auf, Tarragona zurück zu erobern. Auch für diesen Kampf wurde ein Sündenablass in Aussicht gestellt. So lässt sich die Aufbruchstimmung des ersten Kreuzzugs aus der wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Bewegung verstehen, die das Abendland in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts ergriffen hatte. Die religiöse Unruhe hatte mit einer besonderen Ausrichtung auf Jerusalem dem künftigen Ziel des Kreuzzugs in den Augen der Zeitgenossen bereits eine besondere Aura verliehen. Dabei hatte sich ein besonderes frommes Interesse an Jerusalem als Pilgerziel gezeigt. Im Jahr 1064 war ein großer Pilgerzug aus dem Reich aufgebrochen, und über Ungarn, Byzanz und Syrien in das Heilige Land gezogen: Erzbischof Siegfried von Mainz, die Bischöfe Gunther von Bamberg, Otto von Regensburg, Wilhelm von Utrecht und viele andere, Säulen und Häupter Galliens, brachen im Herbst nach Jerusalem auf (Lampert von Hersfeld, Annalen zum Jahr 1064). Die Pilger hatten staunenswerte Abenteuer erlebt, waren überfallen worden und hatten sich nach anfänglichen Bedenken (Die meisten Christen hielten es nicht für vereinbar mit ihrem Glauben, sich mit der Faust zu wehren und ihr Leben, das sie zu Beginn der Pilgerfahrt Gott geweiht hatten, mit irdischen Waffen zu schützen, Lampert von Hersfeld, Annalen zum Jahr 1065) handfest und schließlich erfolgreich zur Wehr gesetzt.
Das gesteigerte Interesse für das tatsächliche Jerusalem mochte sich in den Ohren mancher Zeitgenossen mit der besonderen Rolle verbinden, die mancher Exeget jener Tage dem himmlischen Jerusalem in seinen Schriften und Worten einräumte. Die Frage, ob Jerusalem von Anfang an als Ziel des Kreuzzugs vorgesehen war, ist verschiedentlich diskutiert worden. Für das Verständnis der zeitgenössischen Stimmung ist es wichtiger, dass Jerusalem alsbald zum Ziel erklärt wurde. Darin können wir einen weiteren Hinweis auf den besonderen Anteil der religiösen Dynamik dieser Jahrzehnte am Aufbruch zum ersten Kreuzzug erkennen.
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