Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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– He, Vetter! schreit der Tuchmacher den Krämer an, auf zwei Maß zahl' ich beim Brauer in Gitschitz, wenn Ihr diesen Mann mitnehmt. Zwei Maß ist nicht viel, sagt der Böhme; drei Maß ist mehr, sagt der Tuchmachergesell, da sind sie handelseins. Der Wagen rollt mit dem Schuster davon. Der Tuchner trottet langsam hinterdrein, kommt nach in den Ort und tut beim Brauer seine Schuldigkeit. Darauf, wie er abends beim Mondschein seine Herberge sucht, sieht er vor einer Hütte seinen Schuster sitzen. Der springt auf, will ihm die Hand küssen: Euch Dank, daß ich sie noch einmal gesehen hab'. Euch ihren guten Segen. Und zerrt ihn mit in die Hütte zur Toten. Und er erleichtert sein Herz und erzählt vom Elend seiner Familie. Das Haus war einmal gut dagestanden, aber der Vater hat alles verspielt. Was mit den Spielkarten nicht ist gegangen, das hat er in die Lotterie getragen. Da draußen vor dem Ort liegt der Teich, darin sein Ende gewesen. Meine Mutter hat sich ehrlich weitergeholfen, aber nicht das Bett ist unser, auf dem sie gestorben. So arm ist sie, daß ihr nicht einmal die Kirchenglocken auf den Kirchhofsweg läuten wollen. – Das lass' dir nicht anliegen, sagte der Tuchmacher – und ein Hundsfott müßt' er gewesen sein, wenn er nicht so gesagt hätte –, ich hab', sagt er, auch eine alte Mutter daheim. Von der habe ich immer so ein paar Schimmel in der Taschen. Weil wir schon beieinander sind, Schuster, so wollen wir machen, was recht ist.

      Als das Begräbnis vorüber war, zogen beide wieder davon. Sie wanderten gegen das Erzgebirge; in einem Bergstädtchen nahmen sie Arbeit, der eine in der Wolle, der andere im Leder. Sie blieben beisammen. Indes denke ich, geehrte Festgenossen, es ist Zeit, wir heben einmal die Gläser an unsere Lippen.«

      Sie tranken. Mildau fuhr fort:

      »So treuherzig und so arm und so glücklich dabei, wie es der Schuster war, wird es nicht leicht einen geben. Er war ein fleißiger Arbeiter und erwarb sich manchen Taler, aber seine Mitgesellen brauchten stets Geld; er gab ihnen, was er hatte, sie durften es verrauchen, vertrinken, der Liebsten zustecken – was sie wollten – nur nicht verspielen. Dem Spielen war er feind bis aufs Messer. Spielteufel, Hausverderber, Leutumbringer! – Mehreren Meistern hatte er die Arbeit gekündet, weil im Hause Spielkarten waren. Wie er dastand, war er gar kein übler Bursche und hätte eine saubere Tabakskrämerin heiraten können. Aber es war ein falsches Weib, sie hatte hinter dem Tabaksladen auch noch eine Lottokollektur. Der Schuster wandte sich mit Verachtung von ihr ab.«

      Ein feines Herrchen am anderen Ende der Tafel, welches seit der Rede Beginn seine Nase mit dem goldspornigen Zwicker beritten hielt, obwohl es bloß zu hören gab, trommelte mit den Fingern auf dem Tisch um das Kelchglas herum und murmelte: »Das ist keine Geschichte für einen scharmanten Champagner.«

      Mildau hörte es nicht und fuhr fort:

      »An einem Sonnabende saßen die beiden Freunde, der Tuch- und der Schuhmacher, in der Handwerksschwemme des Städtchens und tranken Apfelwein. Da rief der Schuster: Setzen wir uns in die Nebenstube, ich kann den prahlerischen Anschlagbogen nicht sehen. An der Wand hing nämlich eine Anzeige mit zinnoberroten, schreienden Ziffern und kündete eine neue Staatslotterie mit großen Treffern. O Narr! rief der Tuchmacher, hätte ich lieber das Kleingeld im Sack, ein Los zu kaufen. Auf einen Schlag ein reicher Mann sein, was meinst denn? – Schäme dich! war seine Antwort. – Oder wenigstens die Hoffnung haben, einer zu werden. Schon die Hoffnung, Freundchen, ist ihren Groschen wert. – Ja freilich, sagte der Schuster, und auf den Konto hin gleich ein Luderleben anfangen, nicht arbeiten, nicht sparen und bei jeder Ziehung fluchen. Wäre mir das Rechte! Nicht geschenkt nehme ich ein Los. – Der gute Junge hatte noch nicht ausgeredet, als die Tür aufging und ein Loseverkäufer in die Gaststube trat. Es waren aber keine Staatslose, es waren Lose einer Effektenlotterie zugunsten der armen Bevölkerung des Erzgebirges, die damals durch eine Überschwemmung arg mitgenommen worden war. Das Los kostete – glaube ich – vierundzwanzig Kreuzer; eine Unzahl kleiner Treffer aller Art war aufgestellt, die Ziehung war vor der Tür – die Papiere gingen reißend ab. Nur der Schuster weigerte sich, einen Schein zu nehmen: es wäre Spiel, er wolle nichts damit zu tun haben. Die Gesellen schalten ihn Geizhals und stellten ihm vor, daß er doch nichts gewinnen könne als etwa eine blanke Achtschere oder einen rotbehefteten Taschenfeitel, und daß, was er da gäbe, nur ein Almosen wäre. So nahm er drei Lose, die er sofort dem Tuchmacher in die Hand rieb: Mach', daß mir die Fetzen aus den Augen kommen.

      Die Ziehung fand statt. Allerlei wurde gewonnen. Auf eine Nummer, die der Schuhmacher seinem Freunde gegeben hatte, fiel als Treffer ein Staatslos. Der Schuhmacher nahm es nicht. Freund, sagte er, das Papier gehört dein, verwerte es, wie du kannst; ich wünsche nur, daß es dir von allen Kümmernissen, die daran hängen, die kleinste macht: daß dich kein Treffer trifft. –

      Nicht lange hernach wurden die beiden Freunde getrennt. Der Tuchmacher wurde in seine Heimat gerufen, um dort das kleine Wollengeschäft seines verstorbenen Vaters zu übernehmen. Da war plötzlich der Haupttreffer da! Der Haupttreffer des Staatsloses! Der Gewinner hatte selbstverständlich nichts Eiligeres zu tun, als seinen Freund, den Schuster, aufzusuchen. Nach langem Herumschreiben entdeckte er denselben in einem schlesischen Städtchen. Er war der alte wie damals. Er hatte es noch nicht einmal zum Meister gebracht, trotz seines Fleißes und seiner Geschicklichkeit. Ich will frei und sorgenlos leben, sagte er, und blieb Schustergeselle. Nun gab es Streitigkeiten. Der Tuchmacher wollte den Schuster zwingen, von dem Gewinne wenigstens die Hälfte in Empfang zu nehmen. Der Schuster hielt die Ohren zu und schrie: Lass' mich in Ruh', sonst sind wir geschiedene Leute. Da fuhr der Tuchmacher auch in die Höhe und nannte ihn einen Halbnarren!«

      Mildau kühlte sich mit dem Tuch das Angesicht, dann fuhr er fort: »Bevor ich noch dieses Glas hebe, habe ich mitzuteilen, daß also der Tuchmacher den Wunsch seines Freundes erfüllt hat. Er errichtete ein Tuch- und Seidenwarengeschäft; dasselbe gedieh zu einer Großhandlung. Der Kaufmann dehnte sein Geschäft auf industrielles Gebiet aus, und seine Firma war in Heimat und Fremde wohlgeachtet. Auch fand er ein Mädchen aus gutem Hause, welches seine Lebensgenossin und die Teilnehmerin seines hellen Glückes wurde. Der Freund Schuhmacher hätte es auch so gut haben können, doch da er endlich mit Mühe ins Haus gebracht worden war, begnügte er sich, das Glück des Mannes zu sehen und bewachen zu helfen. Er war im Hause der Bruder und Oheim. – Stürmische Zeiten und Gefahren blieben nicht aus, mehrmals wankte die Firma unter schweren Geldkrisen, und dreifach verloren wurde die Summe des Haupttreffers, der sie begründet hatte. Ganz unrecht hatte also der gute Schustergeselle auch in diesem Falle nicht; was da übrigblieb und wieder erstand, es stammt von Mühe und redlicher Arbeit, der ein weites Feld geboten war. – Ich bemerke,« unterbrach sich nun Mildau, »ich bemerke im Kreise meiner verehrten Gäste schon seit einiger Zeit allerlei Geflüster; dieser Umstand bringt mich auf die Vermutung, daß man die Namen der Helden meiner Geschichte bereits erraten hat. – Auf einen derselben erhebe und leere ich dieses Glas.«

      Da erhob sich rasch ein brüllender, klingender, schäumender Sturm, und als der Toast vorüber war, troff der arme, im Anstoßen und Trinken so überaus unbehilfliche Ferdinand Küßdenker über und über von Champagner.

      »Das habe ich ja gewußt,« murmelte der Alte, sich so gut als möglich wieder instand setzend, »daß heute etwas über mich kommt; ich gehöre da nicht her.«

      Zitternden Armes stieß Ferdinand mit jedem an, doch erst als sein Glas mit Annens Becher angeklungen, leerte er es aus.

      Als sich endlich der Aufstand wieder ein wenig gelegt hatte, erhob Herr Mildau nochmals seine Stimme und sagte:

      »Wie ich heute dastehe im trauten Kreise der Familie, umgeben von den Besten der Stadt und des Landes, die ich Freunde nennen darf, gesegnet mit so manchem, was das Leben angenehm machen kann, so hält mich die Welt wohl für einen glücklichen, beneidenswerten Mann. Ich will ihr nicht widersprechen. Doch ist das eine gewiß: Heute, wo es mein innigster Wunsch ist, diesem lieben Genossen hier an meiner rechten Seite eine besondere Freude zu machen – bin ich bettelarm. Dieses anspruchslose treue Freundesherz –«

      »Er vertreibt mich rein!« knurrte Ferdinand und sprang auf.

      »Bruder!«

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