Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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und kindisch wie der ausgemachteste Narr.

      Einmal trat er frühmorgens in die Gartenlaube, wo Anna bei einem Buche saß, unter dem Tischchen aber einen alten Gebirgshut barg. Ferdinand trug hoch in der Hand einen silberweißen Stock und rief: »Das ist er! Den hab' ich mir geschnitten heute vor zwei Jahren in den Einödwäldern!«

      Da legte Anna den Finger an den Mund; nur noch einen Ruck mit dem Haupte machte der Alte und ging dann still seiner Wege.

      An demselben Vormittage schritt Gabriel über die Felder hinaus und betrachtete den Himmel. Es wanderten die Wolken. – Der Wolkenhimmel ist eine der überwältigendsten Schönheiten unserer Erde. Man meint, alle Menschen, die offenen Auges wandeln, müßten sich an ihr erfreuen, anstatt ihren Blick in den Staub zu bohren. – So dachte Gabriel, als seine Aufmerksamkeit von den lichten Wundererscheinungen des Himmels indes doch der Erde zugelenkt wurde.

      Vom Walde her schritt langsam eine Frauengestalt in einem veilchenfarbigen Kleide, das nicht nach ländlichem Schnitte war. In der Hand hielt sie einen Bergstock, den sie bei jedem Schritt wacker auf die Erde stieß; auf dem Haupte saß ihr ein wetterzerrissener Hut mit Band und Hahnenfeder.

      War das nicht? War das nicht jene junge Wallerin in die Einöde? –

      »Wo ist er denn, mein Waldsing?« rief sie und hüpfte lustig heran und verrannte sich so sehr in Gabriels Arme hinein, daß schier kein Loskommen mehr war.

      So hatte Anna den Gedächtnistag des ersten Begegnung gefeiert.

      Dann zeigte sie dem Gatten auch das freilich schon lang verwelkte und verblaßte Veilchen, welches damals der Sänger im Waldschatten zu entfalten gesucht und das hernach an dem Busen des Mädchens aufgeblüht war.

      Beim Mittagstische waren sie hierauf noch fröhlich beisammen gesessen. Sie gedachten des Tages, da sie sich fanden.

      »Wenn man's aber bedenkt,« sagte Anna, »ist es nicht gerade, als hatte ich damals meine drei Tage benutzt, um nur einen Mann zu suchen?«

      »Besser, dächte ich, könnte eine Jungfrau ihre Zeit ja gar nicht benutzen!« scherzte Gabriel.

      »Ich bitte dich, denke so nicht!« rief Anna, »hätte mir jemand gesagt, meine Landpartie würde den Ehestand zur Folge haben, ich hätte mich lieber drei Klafter tief in die Erde vergraben als in die Einödwälder zu gehen. Aber jetzt, Gabriel,« setzte sie leise bei, »freut es mich doch, daß sich der Prophet nicht gefunden hat.«

      Gabriel hob das Kelchgläschen mit dem roten Burgunder, umfing mit dem anderen Arm sein Weib und flüsterte: »Anna, du weißt es, was leben soll!«

      »Warte nur, balde!« flüsterte sie, klang an und trank ein klein wenig; und der Widerschein des Rubinenweines spielte auf ihren Wangen.

      An demselben Tage war sie viel beschäftigt und eilte durch das Haus von einem Zimmer zum anderen und schichtete in den Schränken.

      Am anderen Morgen wiegte Gabriel in seinen Armen ein neugeborenes Kindlein.

      Anna schlummere. Die anwesenden Frauen nahmen den kleinen, unendlichen Schatz nur zu bald wieder aus dem Arm des Vaters. Gabriel lief vor Glückseligkeit hinaus in den Wald, lief wieder zurück in das liebe süße Haus. Er fühlte sich im Mittelpunkte der Welt, er fühlte sich unsterblich, er fühlte sich Arm in Arm mit Gott. Er war Vater. Singen wollte er, konnte nicht, sein Herz war ihm beklommen vor lauter Glück.

      Was lieben heißt und glücklich sein

       Inhaltsverzeichnis

      Rasch dahin flog die Zeit.

      Der Kleine gedieh, und die junge Mutter ließ das Kind Tag und Nacht nicht aus dem Auge. Sie konnte nicht satt werden ihn anzusehen, ihn zu herzen und zu weinen vor Freude.

      Gleich anfangs war ihr geraten worden, dem Kind eine Amme zu geben. Sie wies den Rat mit einer Entschiedenheit zurück, deren man die sanfte Frau kaum für fähig gehalten hatte. Eine Amme! Ihr Kind an eines fremden Weibes Brust! Ihr Kind genährt durch eines fremden Weibes Leben! Ihr Kind, ihres Gabriels Kind, einsaugend die Eigenschaften eines fremden Wesens! Dem Kinde vorenthalten sein erstes größtes Anrecht, zu ruhen an der Mutterbrust, an dem Mutterherzen; das süße, hilflose Geschöpfchen gleichsam hinausgestoßen in die Fremde, daß es seine ureigenste Heimat nimmer ganz kennenlerne und finde!

      Glühenden Zorn empfand Anna über eine solche Zumutung.

      »Und du kannst das so ruhig hinnehmen?« fragte sie ihren Mann.

      »Deiner Gesundheit willen hätte ich's zugegeben«, antwortete er. Insgeheim doch war er glücklich darüber, daß sie die Sitte verwarf, die ihm, wo die Not sie nicht gebot, als die unbegreiflichste schien von allen Verirrungen, denen die Gesellschaft anheimgefallen. Anna verschmähte selbst eine Wärterin. Ihr gehörte das Kind, und auch die Mutterliebe kann eifersüchtig sein. Der Wiegenkreis des Kindes war ihre Welt.

      »Wird sich alles geben, wenn Zeit und Weile kommt!« sagte der alte Ferdinand, »das erste Kind trinkt Mutterblut.«

      Es konnte wohl kein Wunder sein, daß Anna, dieses so zart organisierte Wesen, etwas blässer wurde, als das die frische Landluft sonst leiden mag. Sie sah seit der Mutterschaft noch fast jünger und milder aus als früher. Und wenn sie Gabriel zuweilen still beobachtete, wie sie dasaß vor der Wiege, das Kind auf dem Arm – madonnenhaft –, da fielen ihm wohl des Dichters Worte ein:

      Schön ist der Mutter

       Liebliche Hoheit!

       Nicht auf der Erden

       Ist ihr Bild und ihr Gleichnis zu schauen.

      Niemand aber hörte es, wenn Anna, am Bette des kleinen Engels wachend, ihres anderen Dichters Worte summte:

      Hab' überglücklich mich geschätzt,

       Bin überglücklich aber jetzt.

       Nur die da säugt, nur die da liebt

       Das Kind, dem sie die Nahrung gibt,

       Nur eine Mutter weiß allein,

       Was lieben heißt und glücklich sein.

      Chamissos schönes Gedicht »Frauenliebe und Leben« trug sie stets mit sich herum, verbarg es aber vor dem Gatten. Eines Tages jedoch kam ihm das Heftchen zufällig in die Hand, und da sah er, daß das Gedicht nicht vollständig war. Das Blatt mit den zwei Liedern – vom toten Gatten und den einsamen Tagen –, es fehlte. – Um sein Weib in der fast verzehrenden Mutterliebe ein wenig zu zerstreuen, plante Gabriel einen Aufenthalt in der Stadt. Sie zog das Landhaus vor und fragte, warum er sie doch abzulenken suche von der stillen Stätte ihrer Seligkeit ...

      Mildau und seine Gattin waren zur Freude des Paares oft auf Besuch anwesend. Mit liebreicher Verehrung hing Gabriel an seinen Schwiegereltern, ihnen dankend insgeheim, daß sie in ihrer Tochter ihm ein so echtes Weib erzogen hatten. Auch zuweilen ein fremder Gast trat ins Haus. Anna machte die gefällige Wirtin, und dabei hatten ihre blassen Wangen Gelegenheit, aus zweifachem Grunde zu erröten.

      Einmal aus Glückseligkeit, wenn die Gäste ihr Kind herzten; ein andermal aus Ursache der landläufigen Gemütlichkeit, die der Herr »Burgermeister«

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