Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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in der Hand trug und einer gestürzten Gemse zuhastete, so sagte Gabriel: »Der Teufel, Gott Dank, ist das dieweilen noch nicht, aber ein mit Ruß bestrichener Wildschütze.«

      Kaum dieser Unterricht gegeben, waren sie von dem Manne bemerkt worden. Im ersten Augenblick machte er Miene zu fliehen; im zweiten wendete er sich mit einigen Schritten gegen das Paar und rief mit heiserer Stimme: »Wollt' der Herr und die schöne Frau so gut sein und dem Jäger sagen, ich wäre hier den Berg hinaufgesprungen. Er ist gleich da. Gelt, der Herr und die Frau wollt' so gut sein ...?« faßte die noch zuckende Gemse über die Achsel und sprang damit, daß es in den Felsen klang, von Zacke zu Zacke, das Gewände hinab gegen die Tiefe.

      Solange sie ihn springen sah, hielt Anna den Atem an, und als er im Geschütte verschwand, hob sich ihre Brust, als wäre mit dem Wilderer auch sie selber gerettet. Die tote Gemse hatte sie freilich auch bedauert, aber in einem der »Waldlieder« hieß es:

      Manch Tierlein bringt der Hunger um.

       Der Hunger des schleichenden Schützen ...

      Und wie der Schütze berechnet: schon stand der Jäger mit Weidtasche, Griesbeil da und hielt den Finger an das Schloß des Gewehres.

      Auf die Bitte des jungen Paares wies er ihm kurz einen Steig, der zwischen den scheinbar zusammengewachsenen Wänden durch in die Niederung der Matten führen sollte. Dann fragte er hastig, ob nicht ein Schuß gehört und ein Wildschütze gesehen worden wäre, und welche Richtung dieser eingeschlagen hätte. – Gabriel hob schon den Arm, um durch die Andeutung der Gegend dem Wilderer die strafende Gerechtigkeit nachzuschicken. Doch stieß ihn Anna mit dem Ellbogen in die Seite, just an die Herzrippe hin, und wieder wach wurde sein eigenes Lied: »Vom Hunger des schleichenden Schützen.«

      »Ein Wilderer wäre der Mann gewesen?« antwortete Gabriel dem Jäger mit dreist unbefangener Miene, »nun, der ist da den Berg hinaufgestiegen.«

      »Schön Dank!« entgegnete der Weidmann und eilte flink die steinige Lehne hinan, und Anna – sonst abhold allem Bösen – freute sich, den Mann mit der erlegten Gemse gerettet zu haben.

      Aber für einen Augenblick kam nachher doch das böse Gewissen: »Er hat uns den rechten Weg gezeigt, und wir haben ihn angelogen!«

      Sie hatten dann noch arge Wege zu wandeln, über scharfes Gestein und loses Gerölle, durch fließigen Firn, ferner unter Baumgefälle hin, das der Sturm gerissen hatte. Anna, die sich so sehr auf die Alpenfahrt gefreut hatte, blutete an Händen und Füßen. Ihr junges Herzchen aber war lustig und froh und jauchzte, als sie in der Abenddämmerung den Fensterschein einer Hütte sah. Eine Hütte auf der stillen Matte; da wollten sie einkehren und das süße reine Glück des hellenischen Arkadiens in vollen Zügen trinken.

      Anna trat mit schalkhafter Entschlossenheit zuerst in das Haus, doch blieb sie in der Tür und der fröhliche Gruß ihr in der Kehle stecken. Sprachlos wendete sie sich ihrem Gatten zu.

      Der Schein, welcher die Nahenden durch die Fenster gegrüßt hatte, kam von einem Öllicht, das in einem Wasserglase flackerte. Es stand an der Wandbank, zu Häupten eines toten Menschen. Und daneben der schwarze Mann von unten.

      Gabriel wollte sich wenden, da schritt schon der Schwarze gegen die Tür und sagte: »Tu sich die Herrschaft nicht schrecken. Wir haben uns oben schon gesehen. Ihr tut mir nichts, gelt?«

      Es war in diesen Worten etwas Anheimelndes; was sollten sie auch sonst zur nächtlichen Weile, als in der Hütte bleiben?

      »Redlich wahr,« sagte der Schwarze, während er bestrebt war, den Ruß vom Angesichte zu waschen, »mich tut's gefreuen, daß ich Unterstand und klein Ding Warmes bieten kann. Hätt' mich der Jäger ertappt, kunnt morgen der Ehemann seinem Weib nicht zum Grab mitgehen. Hannerl, mach' ein Essen!«

      Jetzt trat aus der Nebenkammer ein halberwachsenes, verstört aussehendes Mädchen. Es hatte blutige Hände, es war mit der Gemse beschäftigt gewesen. Nun machte es ein Herdfeuer an.

      »Ist die Tochter, das,« stellte sie der Mann vor, »sie ist dabei gewesen. – Hannerl, das Mehl ist im Mehlschrank und nicht in der Salzbutten. – Mein Gott, sie hat soviel den Kopf verloren. Eine schauderhafte Sach' ist's gewesen. Wer wollt' so was glauben!«

      Dem jungen Paare wurde bang. Es atmete sich schwer. Anna ließ Gabriels Hand nicht einen Augenblick los. Das war kein hellenisches Arkadien.

      »Ist Euer Weib?« fragte Gabriel den geschwärzten Älpler, »ist wohl schon eine betagte Frau gewesen?«

      »An ihren Tagen ist sie nicht gestorben«, antwortete der Mann, an dem mittlerweile aus der Schwärze ein gutmütiges Gesicht hervorgekommen war. – »Hell erfroren ist sie uns ...«

      Das Herdfeuer verlieh dem Antlitz der Toten noch einmal den Schein des Lebens.

      »Haben ihr abgeraten,« fuhr der Alpler fort, »bei dem groben Wetter auf den Sattel zu gehen. – Speik wollt' sie haben und so Zeug mehr; ist mit dem Korb davon. Das Hannnerl geht mit ihr; allzwei im Sommergewand – 's ist eine Leichtsinnigkeit gewesen, gar nichts anders, der Pfarrer sagt's auch. – Tu die Herrschaft jetzt was essen. Gott gesegne! Wie schaut sie denn aus heut', die Suppen?«

      Freilich war die Suppe nicht in Ordnung. Anstatt Salz ein Löffel voll Asche war hineingeworfen worden.

      »Mar und Joseph!« murmelte der Mann, »letztlich wird sie mir noch närrisch! Leicht kann's sein!«

      Gabriel und Anna aßen ein paar Schnitten Brot und tranken Wasser.

      »Da hat sich etwas Böses zugetragen«, sagte Gabriel.

      »Hannerl,« rief der Mann, »setz' dich auf den Zuber und erzähl's noch einmal.«

      »Ich bleib' beim Herd,« wimmerte das Mädchen, »mir ist soviel kalt.«

      »So bleib' beim Herd; wir wollen dich schon verstehen.«

      Sagte das Hannerl: »Ich weiß nimmer, wie ich anheben muß.«

      »Auf dem Schafsattel oben habt ihr Wurzeln gegraben ...«, leitet ihr Vater ein.

      »Auf dem Schafsattel oben haben wir Wurzeln gegraben«, sagte das Mädchen. »Wir haben halt nicht auf die Höh' geschaut, und gäh ist der finster Nebel da und der Regen. Der eiskalt Regen und die Nacht. Wir wollen heimzu und versteigen uns in den Wänden. Nicht so weit, wie da vom Herd bis zum Tisch haben wir gesehen. Frei mit Messern hätt' eins den Nebel schneiden mögen. Eine Höhlen finden wir, da tappen wir uns hinein. Naß bis auf die Haut; der Wind hat schauderlich geschnitten; der Schnee ist in die Höhlen geflogen» – Jetzt, die Mutter, die –«, sie schürte mit einem Asthaken in der Glut, daß die Funken sprühten, »die Mutter, die –«

      Sie stockte wieder.

      »Mach', Hannerl, erzähl's in Gottes Namen!« sagte der Mann.

      »– ist eine Weil' still neben mir, und dann sagt sie: Kind, heut' ist mein letzt' End' – und hebt an zu zittern am ganzen Leib. Heiliger Schutzpatron Valentin! denk' ich, wenn sie jetzt ihr Hinfallend kriegt!«

      »Die Fallsucht hat sie soviel gehabt«, schaltete der Vater ein.

      »Und 's ist nicht anders gewesen«, fuhr das Mädchen fort. »Ich meine hell, der ganz' Erdboden hat geschüttelt, wie es die Mutter jetzt reißt und stoßt. Ihre Zahn' hör' ich scharkezen, daß es mir gerade durch und durch geht. Ich will sie mit beid' Händen

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