Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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      Eine dumpfe Unruhe dröhnte durch die Kirche. Der Pfarrherr, heute nicht im Chorhemde, sondern in dunklem Kleide, stand er unbeweglich still und starrte minutenlang nieder auf die Versammlung, harten Blickes, als wollte sein Auge Schlangen bändigen.

      Dann las er mit einer weichen Stimme, die zu dieser Sache wunderlich stand, Folgendes: »Im Namen der von Gott eingesetzten hohen Obrigkeit! im Namen Seiner Eminenz des Erzbischofs! im Namen des hochwürdigen Consistoriums! im Namen der kaiserlichen Majestät hochlöblichen Guberniums! sei Euch kund und zu wissen gethan: die Beschwerden, die Ihr gegen Euren Pfarrherrn führt, sind nicht begründet. Ihr seid es selbst, die durch Unsinniges Zurückgreifen zu einer heidnischen Lebensweise, durch Auflehnung in Sachen der Zehnte, in Außerachtlassung der schuldigen Ehrerbietigkeit den Unwillen Eures Herrn erregt habt. Euch in diesen Angelegenheiten Recht geben, hieße Euch bestärken in dem, was wir vermeiden und strafen müssen. Die Einheit hat sich der Allgemeinheit, die Gemeinde sich dem Staate zu fügen. Wer sich auflehnt, ist verloren. Wir befehlen Euch unbeschränkten und unverbrüchlichen Gehorsam gegen Euer Oberhaupt. Wir bedrohen Euch bei neuerlicher Außerachtlassung Eurer Unterthanenpflicht mit schwerer Strafe.«

      Dann die Namensunterschriften mit den obrigkeitlichen Siegeln, und die Angabe der Residenz und des Datums.

      In der Kirche war Aufregung. Unter Murren und Grollen drängten sich die Leute zu den Thüren hinaus. Der Pfarrherr blieb noch stehen, stemmte seine Fäuste auf das Kanzelbrett, und seine Augen rollten den Davoneilenden unheimlich nach. Sein Gesicht hatte eine gelbliche Farbe angenommen, seine Lippen waren zusammengekniffen. Erst als der Letzte von der Gemeinde draußen war, wendete er sich und verließ die Kanzel.

      Als er dann über den Anger dem Pfarrhofe zuschritt, wichen die Leute nach allen Seiten vor ihm zurück. Die Greise selbst und die Kinder grüßten ihn unsicher, die Männer versagten ihm jeden Blick und jeden Gruß.

      »Wir machen Platz,« sagte Einer aus dem Trasankthale. »Heut’ noch zünde ich meine Hütte an und wandere aus.«

      »Meine Ahnen haben dieses Tal urbar gemacht,« sagte der Feuerwart, »meine Ahnen haben Trawies gegründet. Von meiner Heimat laß ich nicht. Wollen sehen, wer festere Wurzeln hat in Trawies, der Angesessene oder der Fremde!«

      Das Volk wollte den Kirchplatz nicht verlassen; es wurde immer lauter, es nahte sich immer mehr dem Pfarrhofe. Einer warf einen Stein nach dem Fenster, zertrümmerte es und rief: ob er gutmüthig gehen wolle!

      Knechte und Schergen mußten die Leute zerstreuen. Sie streuten sich hier, um sich anderswo wieder zu versammeln. –

      Weit hinten im Thale, wo der Mieslingbach in die Trach stürzt, ist in der Felswand eine Höhle, die Rabenkirche genannt. Es geht die Sage, daß an dieser Höhle alle neunzig Jahre einmal in der Christnacht aus der weiten Waldgegend die Raben zusammenkämen, um sich zu erzählen von den todten Menschen, die sie seit der letztvergangenen Zusammenkunft in den Wäldern gefunden hätten. Die Thiere sollen in menschlicher Sprache reden, und ein menschliches Ohr, das sich vor den Schrecknissen, die zu solcher Zeit in der Höhle herrschten, nicht verscheuchen lasse, könne mancherlei erfahren, was sonst für alle Zeit der Welt verborgen bleibe. Mancher wird im Laufe der Zeiten todt auf dem Waldmoose, oder im Gefelse gefunden, ohne daß es offenbar ist, woran er zugrunde gegangen. Die Raben erzählen es laut, und mancher Mord könnte ans Tageslicht kommen, wenn die Leute das neunzigste Jahr und die Stunde nicht übersähen, oder wenn sie den Muth hätten, der Rabenversammlung in der Höhle beizuwohnen. Haben die schwarzen Vögel ihre Berichte abgelegt, dann halten sie Gottesdienst für jene Todten, die von den Mitmenschen ohne Gebet und Gedenken geblieben sind.

      Die Männer von Trawies dachten nun wohl nicht an diese wunderliche Sage, aber sie dachten an die Rabenkirche. Und eines Sonntagmorgens war’s, zur Zeit, da die Buchen und Lärchen schon zu gilben begannen und die Vögel nimmer ihre Lieder jauchzten im Walde, als allerlei Leute herangeschritten kamen zur Höhle in der Mieslingschlucht. Sie kamen von Trawies, und sie kamen vom Gestade, und die kamen vom Johannesberg und sie kamen vom Tärn, und sie kamen vom hinteren Trasankthale.

      Wer sollte meinen, daß es so viele Männer gebe in diesem Walde!

      Als die vom Gestade und vom Tärn und vom Johannesberge an der Kirche vorbeikamen, riefen die Glocken. Sie riefen wie warnend, bittend und flehend! Sie riefen, wie die Henne ruft, wenn sich die Küchlein, unkundig der Gefahr, von ihr wollen wenden.

      Aber die Männer schritten finster vorüber. Die Kirche war ihnen fremd geworden; doch die Kirche mußte wieder gerettet werden. Sie hofften, daß jene Tage bald kommen würden, da sie wieder mit Freuden der Glocke Stimme folgen könnten.

      Unter den Männern war der Feuerwart und der Jäger vom Trasank, und der Wahnfred und der Waldhüter, und Uli der Köhler, und Roderich der Stromer. Jeder hatte in der Hand einen gewichtigen Stock. denn so wie sie dazumal auf der Wildwiesen getroffen wurden, unvorbereitet, wollten sie sich nicht mehr finden lassen. Dem Roderich voran war der kleine Baumhackel des Weges getrottet. Der hatte die Zwilchjacke auf der rechten Schulter schlenkern und der war der Einzige, welcher keinen Stock trug. Ohne Waffe ist es weit weniger gefährlich. Wird geschossen, so schießt man zuerst auf den Gerüsteten. Klug war’s vom kleinen Baumhackel.

      Als der Bursche so dahinschlenderte, halb in der Faulheit und halb in der Sorglosigkeit, fiel aus seiner Jacke ein Papierbüschel zur Erde.

      Roderich der Stromer sah es, hob es auf und verhielt sich still. Es ist so etwas, wie ein papierenes Geld im Lande; der Baumhackel war gestern mit einem Lärchenkäufer beisammen gewesen. Wer weiß! Er untersuchte die Papiere und stieß lachend einen Fluch aus. »Der heilige Erasmus! Und überall der heilige Erasmus! Ja freilich,« fuhr der Stromer in seinem Selbstgespräch fort, »dem haben sie die Gedärme aus dem Leibe gewunden, ein Blutzeuge! und itzo brauchen ihn die Trawieser Leut’ als Beichtzeugen. Hätt’s nicht lieber Geld sein können?«

      Es war freilich ein Fund zum Ärgern.

      In der Pfarre Trawies war es Sitte, daß Jeder, der zur Osterbeichte ging, nach der Absolution vom Beichtvater einen Zettel erhielt, den er später als Beweis, daß er der kirchlichen Satzung gerecht geworden, im Pfarrhofe abzugeben hatte. Auf diesem Zettel war das Bild des Trawieser Pfarrpatrons mit der Unterschrift »Heiliger Bischof Erasmus, bitt’ für uns bei Gott, behüte uns im Leben, steh’ uns bei im Tod!« Darunter: »Osterbeichte des Pfarrkindes« – dann ein leerer Raum, auf welchem der Priester nach der Lossprechung jedesmal den Namen des Beichtkindes schrieb und die Jahreszahl. Kam hernach die Zeit, da Jeder seinen Namenszettel wieder ablieferte so hatte der Seelsorger genaue Übersicht, ob wohl Alle seines Sprengels die österliche Beichte abgelegt hatten.

      Wie kam nun der kleine Baumhackel zu den gesammten Beichtzetteln eines ganzen Jahres?

      »He Lümpel (kleiner Lump), halt still!« rief Roderich dem Baumhackel nach. Dieser wendete sich um.

      »Hast was verloren, kleiner Baumhackel!«

      Alsogleich begann der Kleine seine Säcke zu durchsuchen.

      »Fehlt Dir nichts?«

      »Wüßt’ nichts, wenn Du nicht etwa meine verlorene Seel’ meinst?«

      »Das da! gehört’s mir?«

      »Wird nicht viel dahinter sein an dem Fund, weil Du ihn aufzeigst,« sagte der Baumhackel. Da sah er schon die Beichtzettel.

      »Soll ich die Sach’ richtig noch allweil im Sack gehabt haben?« fragte er sich selber.

      »Bürschel,« sagte der Stromer und legte seinen Arm um die Schulter des Baumhackel,

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