Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Waldhüters Baumhackel, das über eine Stunde von der Kirche entfernt weit oben in einem kleinen Hochthale stand. Das Hochthal, die Wildwiesen geheißen, ist noch heute an einem Wasserfalle zu erkennen, welcher zwischen ungeheuren Fichtenbäumen von einer Felsenterrasse niederstürzt und zu seinem Fuße einen großen kesselförmigen Tümpel bildet. An diesem Tümpel hin zog sich damals ein freier Platz bis zu dem kleinen Hause des großen Baumhackel, in welchem die Männer zusammenkamen, um über das Fest der Sonnenwende Rath zu halten.

      Einer der Alten nahm das Wort und sprach: »Was wir da bereden werden, Ihr Männer von Trawies, bedenkt es wohl; in den Wolken, die über unser Haupt gehen, ruht der Donnerer und hört uns zu. Mit seiner eisernen Hand erhebt er den Blitz und begehrt das Sonnenwendfest, auf daß er nicht in unsre Häuser schlage, nicht unsere Wälder vernichte! Der große Forderer auf dem Donnerwagen, so bespannt mit zwei schwarzen Böcken, und das Wahlheer der Todgeweihten, das auf Ebern und feuerschnaubenden Rossen naht, verlangt den Freudentag der Sonnenwende!«

      Des uralten Glaubens geheimnisvolle Kunde zündete und Alle riefen: »Ein Sonnenwendfest!«

      Nachdem beschlossen worden war, diesmal das Fest auf der Wildwiesen abzuhalten, nahm Einer das Wort und stellte den Antrag, den Pfarrherrn von Feste fernzuhalten.

      »Durch Gewalt?«

      »Durch List.«

      »Ei zum Donar, Isidor, das hört sich von Dir seltsam.«

      »Wie sich’s hört, das kommt auf Eure Ohren an; ich aber sage, den Herrn brauchen wir nicht dabei!«

      »Das sage ich auch!«

      »Und ich auch!«

      »Und ich ebenso!«

      »Gut, so sagen wir’s Alle. Was nacht das aus?«

      »Wenn die Männer von Trawies was wollen und zusammenstehen, soll das nichts sein?«

      »Du hast recht, Isidor, ich wollte es ihm nicht rathen, daß er uns den Weg verlegt. Es kocht was in Trawies für unseren Herrn!«

      »Bei meinem Eid, Männer, nur keine Gewalt! Ein Handschlag und unser Unglück ist zeitig. Ich sag Euch’s!« So der Isidor.

      Ein Mann, den sie Wahnfred hießen, neigte sehr bestimmend sein Haupt.

      »Ja Wahnfred, dasmal mußt du d’ran. Du hast dein Haus unten am Gestade, zwei oder drei Stunden von der Kirche, in der entgegengesetzten Richtung von der Wildwiesen. Am Sonnenwendtag wird in deinem Hause Einer auf der Sterb’ liegen. Da wird früh morgens nach dem Priester geschickt, der muß eilends hinaus. Verstehst mich!«

      Auf diese Rede schmunzelten die Männer, der Wahnfred aber dehnte seine breite Brust heraus und sagte: »Wenn Gott uns bewahrt in seinen Gnaden, so geschieht das nicht. In meinem Hause soll kein’ Untreu’ sein.«

      Das Haupt, welches so sprach, hatte sich fast trotzig über den breiten Schultern aufgerichtet. Das Gesicht war blasser, zarter, als die Farbe der Anderen; das war Keiner, der sein Antlitz viel gegen die Sonne hob. Hingegen trug er die Gluth in seinen großen Augen. Die Backen bedeckte ein leichter, gekräuselter Bart, die Lippen waren roth und kräftig und redeten, auch wenn sie schwiegen. Die Stirn war schmal und hoch, glatt und weiß; rückwärts am Scheitel hing das rotbraune Haar in Mähnen nieder. Der Mann war ganz merkwürdig. Das Eine deutete auf hünenhafte Kraft, das Andere auf kindliche Zartheit; das Eine deutete auf eine Denkerseele, das Andere auf ein überquellendes Gefühlsleben, aber auch ein Wütherich konnte es sein, ein Löwe, ein Tiger. Es giebt Menschen, deren Charakter allfort wie ein Orakel spricht und nimmer verstanden wird. Selbst in Bezug auf das Alter konnte man sich an ihm um viele Jahre täuschen: jetzt schien es, er habe mehr Winter erlebt als Sommer, im nächsten Augenblicke wieder konnte Einem einfallen, er habe gar keinen Winter und gar keinen Herbst erfahren, sondern lauter Frühlinge, aber deren eine hohe Zahl. = Ähnlich lautet eine Beschreibung, die uns von diesem Manne erhalten worden ist. Sein Kleid war, wie das der Anderen: ein grobes Hemd aus Leinwand, das am Halse mit einer schwarzen Binde zusammengebunden war, eine Kniehose aus Fellen von Hirschen oder Rehen, enge Strümpfe aus weißem Garn, ein langer Mantel aus brauner Wolle. Seit unlang trugen die Männer zu Trawies auch Beschuhung aus Leder, während die Weiber in ihrem blauen Leinwandkleide auf ihren glatteren häuslichen Wegen barfuß gingen. Filzhüte mit kleinem, kesselförmigem Boden und sehr breiten Krempen trugen sie auf dem Häuptern; und die Krempen waren zu beiden Seiten mit einer weißen Schnur nach aufwärts gehangen. Auch hatten sie auf ihren Waldgängen gern ein schweres Messerbesteck an der linken Lende, und lange, eisenbeschlagene Stöcke bei sich, denn der reißenden Thiere gab es manche in der Gegend, und auch manche der Abgründe und Wildwasser, die zu überspringen waren.

      So sahen sie aus, die Männer zu Trawies, und so war auch er gekleidet, den sie Wahnfred hießen und der sein Haus unten am Gestade hatte, nahe wo die Trach den Wald verläßt und in das öde steinige Heideland hinausrinnt.

      »In meinem Hause soll kein’ Untreu’ sein.« hatte er mit gemessener Stimme geantwortet. So sprach hierauf der Baumhackel: »Der Wahnfred ist nicht der Einzige im Gestade. Mein Bruder, der kleine Baumhackel, hat dort unten ebenfalls seine Hütten; in derselben wird auch kein’ Untreu’ sein, aber sie wird sich doch hergeben für eine Sache, die uns und der frommen alten Weise unserer Voreltern zugute kommt. Ich nehme es gern über mich, daß mein Bruder, der kleine Baumhackel, am Sonnenwendtage auf den Tod krank liegt.«

      »Ist freundschaftlich von Dir,« sagte Isidor, »und so wird’s mit der Allmacht Gottes auch in diesem Jahre ein Sonnwenden geben.«

      Nun waren nächtlicherweile auf allen Steigen, die zur Wildwiesen hinanführten, Männer und Weiber mit schweren Körben und Rücktragen gegangen und der große Baumhackel war vollauf beschäftigt mit Vorbereitungen, denn er hatte im Sinne, daß dieses Fest oben in der Verborgenheit der Wildniß, eben weil es verboten war und heimlich geschehen mußte, großartiger und lustiger ausfallen sollte als alle, so bisher stattgefunden hatten.

      Am Sonntage zuvor hatte jedoch der Pfarrherr Franciscus vom Predigtstuhle aus Folgendes gesagt: »Am Erchtage begeht unsere Kirche und mit ihr der aufrichtige Christ das Fest des heiligen Märtyrers Johannes, der unseren Herrn und Seligmacher Jesus Christus am Flusse Jordan getauft hat. So wird an diesem Tage in unserer Kirche ein feierliches Meßopfer darbegracht und haben die Kinder der Pfarre in möglichster Anzahl dabei zu erscheinen. Während des hohen Amtes wird ein Opfergang um den Altar stattfinden. Ich hoffe, daß Jeder sich dem Herrn bekennen wird. Der heilige Täufer Johannes hat das Himmelreich mit seinem Blut erkauft; ich bin als gewissenhafter Seelenhirt entschlossen, die störrischen Schafe, und sei es selbst mit Gewalt, in meines lieben Gottes Schafstall einzuführen.«

      Und sei es selbst mit Gewalt! Wie wunderlich dieses Wort in den Kirchenwänden widerhallte! Die Leute erschraken und wußten nicht warum. Ob der Drohung erschraken sie nicht.

      Als sie aus der Kirche gingen, sagte ahnungsvoll ein altes Mütterlein: »Grad’ einen Stich hat’s mir ins Herz gegeben, wie ich das hab’ gehört!«

      Und am Tage des Täufers, als das Morgenrot aufging, war der Herr Franciscus wach in seinem Pfühl und freute sich, daß er wach war, um die Behaglichkeit des warmen, wohl geborgenen Bettes recht empfinden zu können. Es war nicht immer so gewesen. Sein Vater, ein barscher Burgvogt allzu frommen Sinnes, hatte ihn von derblustiger Knappenwirthschaft hinweg ins Kloster gegeben. Da gab’s schmalen Tisch, breite Betstühle und anstatt der Vogelschlingen Peitschen für den menschlichen Rücken. Spaß gab’s wenig, Bußungen viele, denn die Regeln waren strenge und der Guardian noch strenger. Jammerschade um die schönen Jahre! Endlich ließen sie ihn frei und stellten ihn in die entlegene Waldgemeinde Trawies. Das war ihm recht; jetzt konnte er das

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