Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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von der Stätte der Begrabenen stiegen sie hinan zu den Matten, welche die Sonnenwendmatten genannt waren, und Jeder fühlte an seiner Seite den geliebten Todten, den er geweckt hatte und geladen, daß er das fröhliche Fest mit ihm und allen Lebendigen begehe. Auf den Sonnenwendmatten zündeten sie ein großes Feuer an, dessen Gluth aus den Sonnenwendfeuern ältester Tage stammte. Es war nämlich seit jeher Brauch gewesen, daß vor Erlöschen des Festfeuers Einer oder der Andere aus den Ältesten von Trawies einen Funken des »Ahnfeuers« mit sich nehmen und in seinem Hause hüten mußte, um bei der nächsten Sonnenwende damit neuen Brand zu entzünden. Dieser Feuerwart war im Laufe des Jahres frei von Steuern und Zehnten, und zur Zeit der Seuchen kamen die Leute zu seinem Herde, auf dem die Gluth nicht auslosch, und holten Feuer zum Ausräuchern ihrer Häuser. Zur Zeit dieser Geschichte verwaltete das Feuerwartamt ein Mann, der an der Trach sein Haus hatte, und der auch nie anders als der Feuerwart geheißen wurde. Das war ein Mann, der mit eherner Kraft an der Vorzeit hing, der in diesem Ideale sein Herz geläutert und seinen Willen gestählt hatte. Er war der Mächtigsten einer in Trawies und hieß mit Namen Gallo Weißbucher. Und im Frühlinge, wenn im Thale der Trach die Saat aus der braunen Erde sproßte, kamen sie zu ihm und holten Ahnfeuer, und zündeten an den Grenzen ihrer Felder Reisig an, daß der Rauch über den keimenden Acker hinwalle und den Unsegen vertreibe.

      Aus solch heiliger Gluth war das Feuer, das auf der Matte loderte, an welchem nun die Leute Gesänge murmelten, die anfangs düster waren, allmählich aber in Lebhaftigkeit und Fröhlichkeit übergingen, weiterhin in Übermuth ausarteten und schließlich, wenn längst die Sonne ihren glorreichen Himmelsbogen vollendet hatte, in wilder Ausgelassenheit vergellten. Denn Meth war da, so zum gebratenen Wildpret getrunken wurde, und Cider aus Wildäpfeln floß und entfesselte rasch jene heißen Ströme, die in den Adern junger Menschen rollen. Bald suchten sich Männer und Weiber, Jünglinge und Mädchen und verflochten sich zusammen in Reigen, und weit in der Runde widerhallten die Wälder von Trawies von dem Jauchzen, Singen und Rufen der Versammlung auf der Sonnenwendmatte. Die geladenen Todten schienen bei solchem Treiben sehr wenig Anrecht zu haben, und zum Schlusse des Festtages, wenn man nach alter Sitte die Seligen wieder auf ihren stillen Ruheanger begleiten sollte, vergaß manches Pärchen seinen Vater oder seinem Oheim zurückzuführen, und da sagte man, daß solche Seelen friedlos ein ganzes Jahr die Leichtsinnigen umschweben müßten.

      Das war seit alten Tagen das Fest der Sonnenwende zu Trawies. Verbunden damit war auch eine Rede des jeweiligen Feuerwartes, welche im hohen Mittage unter den Eichen gehalten werden mußte. Diese Rede hatte vor Allem darzutun, daß das Feuer im Jahre hindurch mit allem Fleiße bewacht worden war und daß es »Funke aus jenem Funken ist, den der Urahn einst im germanischen Walde von der weißen Frau überkommen hat«. Ferner hielt der Redner eine Rückschau auf das letztvergangene Jahr, zählte die Verstorbenen, zählte die Geborenen, zählte die in Zucht und Liebe Verbundenen; zählte auch die hervorragenden Thaten der Bewohner von Trawies, es mochten dieselben zum Guten oder zum Bösen sein. So war dieser Tag Manchem zur Erhöhung, Manchem zum Gerichte. Schließlich wurde stets auch der Bande gedacht, durch welche die Gemeinde mit dem Fürsten des Landes verbunden war, und es wies sich, daß trotz aller Abgeschiedenheit die Anhänglichkeit an das Ganze eine treue war, und die Ausübung der allgemeinen Gesetze eine musterhafte, so lange solche Gesetze mit den althergebrachten Sitten dieses Volkes im Walde im Einklang standen.

      Nun aber war ein neuer Herr nach Trawies gekommen, Pater Franciscus geheißen. Er bewohnte, wie sein Vorgänger, das stattliche Haus aus Stein gebaut, welches auf der Felsenhöhe neben der Kirche stand. Er soll klein und gedrungen von Gestalt gewesen sein, aber einen Blick gehabt haben, der den Bewohnern von Trawies schon von Anhang nicht gefiel. Er soll gern in weltlicher Kleidung gewandelt sein und in den Häusern nachgesehen haben, wie es mit der Habe stehe, und soll nach solchem Augenmaße die Abgaben der Leute erhöht haben. Auch habe er sich die Gebete um Segen für die lebendigen und um Trost für die Verstorbenen klingend wiegen lassen, sei aber zu den Stunden des geistlichen Opfers häufig an der Trach gestanden und habe die Angelschnur in das Wasser gehalten, oder sei mit Jagdgenossen in den Wäldern herumgegangen, und habe auch verordnet, daß die Leute in den Revieren nicht mehr Holz schlagen oder die Ziegen weiden dürften. Sonst hatten sie ihre Festbraten häufig selbst im Walde geholt, oder hatten aus dem Wildprete einige Schinderlinge gelöst. Aber das hatte nun der neue Herr verpönt, und schärfer verpönt als alle übrigen Todsünden zusammen. Die Leute von Trawies hatten es durch die langen glücklichen Zeiten her völlig vergessen, daß sie an Leib und Seele Hörige waren dem geistlichen und weltlichen Herrn, welcher das Einkommen von der Gemeinde theils zur eigenen Nutznießung verwenden durfte, theils an ein weit unten in den hügeligen Landen liegendes Kloster abgeben mußte. Mit der neuen Herrschaft war ihnen das aber gar deutlich ins Gedächtnis gerufen worden. Sie ächzten unter der Last und fluchten. Das Fluchen war ihnen nicht ausdrücklich verboten, denn der Seelenkenner wußte recht gut, daß Fluchen dem Sklaven das Gemüth erleichtert, den Herrn jedoch nicht verbindet. Aber Waldleute sind von jeher bewährte Lastthiere gewesen, und die Leute von Trawies hätten es ertragen. Da hatte der neue Herr eine Verordnung erlassen: Das heidnische Treiben und Gelage am Sonnenwendtage sei aufgehoben für ewige Zeiten.

      Das traf die Menschen des Waldes ans Herz. Aber der Feuerwart rief: »So lange als ein Funke des Lebens in mir ist, so lange lasse ich den Funken des Ahnfeuers nicht ausgehen. Man soll einstmals nicht auf meinen Rasen treten und sagen können: Bei dem da unten, bei dem ist das alte ehrwürdige Feuer ausgeloschen! Es ist mir nicht der Zehnten und Abgaben wegen, diese will ich steuern nach meinen Kräften; jedoch aber, aus dem Ahnfeuer, das in meiner Hut ist, sollen sie zur Stunde, wenn ich in die Ewigkeit muß, meine Sterbekerze anzünden!«

      »Traun, das ist treu gesprochen!« antworteten die Männer. Als sie jedoch zur nächsten Sonnenwende den Tag damit begannen, daß sie auf dem Kirchhofe die Todten weckten, stand plötzlich der Herr unter ihnen; nicht mit dem Kreuze, wie einst Bonifacius unter den Heiden gestanden, sondern mit dem Schußgewehr, den Finger an den Hahn gelegt. Nicht vor dem Feuerrohr zitterten die Männer, aber dem Gebote des Herrn, das sie stets gewohnt waren zu befolgen, wagten sie sich nicht weiter zu widersetzen. Sie gingen auseinander und der Feuerwart nahm die heilige Gluth mit sich.

      »Halt! was trägst Du dort in jenem Hafen?« rief ihm der Herr nach. »Auf der Stelle wirf mir die Kohlen ins Wasser.«

      Der Feuerwart fing an zu laufen, der Herr verfolgte ihn mit gespanntem Gewehr. Der Feuerwart war ein betagter Mann und sah, er könne dem Verfolger nicht entkommen.

      »Du kannst mich niederbrennen mit deinem höllischen Feuer,« schnaufte er, »aber diese Gluth wirst Du nicht vertilgen!« Sein Haus war in der Nähe, dem floh er zu.

      »Um so besser,« lachte der Verfolger, »Feuer läßt sich nicht verstecken.«

      Das wollte Jener auch nicht; als er sah, er wisse das ihm anvertraute Heiligthum nicht mehr anders zu retten, sprang er in die Scheune und schleuderte die Gluth ins Stroh. Als der Pfarrherr nachgeklettert kam, war der Mann verschwunden, vor ihm schlug lichterloh die Flamme auf und er hatte hohe Zeit zu sehen, daß ihn das Feuer, welches er mit der Schußwaffe verfolgt hatte, nicht verzehre.

      Das Haus brannte nieder. Der Feuerwart sah sein Eigenthum vergehen in den Gluthen des Ahnfeuers.

      Vom Trasank hernieder zog ein wirbelnder Wind, der fachte die Flammen des brennenden Hauses hoch empor und trug sie hin in das Gestämme des nahen Waldes. Da brüllte und prasselte es auf, und als an diesem Tag die Morgensonne sich erhob, leuchtete sie roth und trüb durch das Gewölk des Rauches, welches über den brennenden Wald aufwirbelte. Eulen und Habichte flatternden kreischend in der Luft. Ganz Trawies war auf und jubelte, arbeitete aber mit Hacken und Spaten, um das Feuer zu bekämpfen.

      Und als es Abend war und die letzten Bäume des glücklich abgegrenzten Waldes sprühend wie in Schwärmen von Johanniswürmchen in sich zusammenbrachen, hatte Jeder einen glühenden Brand mit in sein Haus getragen, denselben auf seinen Herd gelegt, und war solcherweise ein hundertfaches Ahnfeuer im Vorrath für die Sonnenwende

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