Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Gedächtnißfest für Diejenigen, die vor uns waren – soll der Zwingherr uns nimmer bedrohen. Auch an seinem Grabe wird ja eine Lampe brennen. Böse Menschen segnet man, wenn sie nicht mehr sind.

      So war sein Sinnen. Die Sonne schien noch trüb durch den frostigen Morgennebel; sein Auge war nun an sie gebannt, als sauge er an ihrer rothen Gluth Rath und Kraft für sein Beginnen.

      »Du sollst nicht tödten!« Erklang jetzt im Hause eine Stimme. Wahnfred fuhr empor; da kam der kleine Erlefried zur Thür heraus, blickte den Vater bittend an und sagte wieder: »Hilf mir! Du sollst nicht tödten!«

      »Tödten? Wer kann das sagen?« sprach Wahnfred barsch. »Was geht’s Dich an? Willst Du mich meineidig machen?«

      Der Knabe blickte befremdet in seines Vaters Gesicht. Dann schmiegte er sich an seine Knie und fragte leise: »Bist Du böse? So will ich’s wohl allein lernen,«

      »Kind!« Er legte seine Hand auf des Knaben Lockenhaupt. »Sage mir, was willst Du allein lernen?«

      »Der Pfarrherr hat uns in der Schule das fünfte Gebot aufgetragen, und wer es morgen nicht sagen kann, der muß aufs Scheit.«

      »Dich, Dich schon will das fünfte Gebot aufs Scheit bringen? Alberner Junge. Gieb her das Buch, ich will Dir helfen.«

      Und er las: »Durch das fünfte Gebot wird verboten, sich selbst oder einen Anderen zu tödten. Denn so spricht der Herr: Das Blut Eurer Seelen will ich von der Hand des Menschen fordern. Von der Hand des Mannes und seines Bruders will ich die Menschenseele fordern. Ich sage Euch, wer seinem Bruder zürnt, der sei des Gerichtes schuldig!«

      Erlefried sagte dem Vater die Worte nach und meißelte mit einem Taschenmesser an einem Holzstäbchen. Er schien an die Worte, die er nachsagte, kaum zu denken, ihn beschäftigte das Stäbchen.

      »Du bist zerstreut, Kind,« verwies Wahnfred, »was machst Du da?«

      »Ein Schwert,« war die Antwort des Knaben ...

      Wahnfred hatte laut, aber bitter aufgelacht, als er in seinem Kinde sah, wie man im Schmieden des Schwertes das Gebot sich einprägt: Du sollst nicht tödten! Das ist die Menschheit, so hat sie es immer getrieben, so wird sie es immer treiben. Die Hand frevelt und der Mund richtet. Oder ist es umgekehrt? Frevelt der Mund? Richtet die Hand? – Das scheint besser zu stimmen.

      Vom Pfarrherrn kam eine Aufforderung, daß die Leute den Herbstzehent an Korn, Schmalz, Fleisch, Wolle und Flachs in den Pfarrhof bringen sollten. Der Wahnfred hatte ein Schwein geschlachtet und sendete dem Herrn ein schönes Stück des geräucherten Fleisches. Das wäre ein Weg, ihm den Tod ins Haus zu schicken – so war es durch sein Gehirn gefahren wie ein Blitz; – aber nicht wie jener entzückende Strahl, der ihm einst das Leben gezeigt hatte. Wahnfred schleuderte den wilden Gedanken rasch von sich.

      Zur selben Zeit war in den Wäldern des Tärn eine Hirschjagd. Die Bauern von Trawies waren als »Treiber« aufgeboten. Etliche von ihnen erhielten Schießgewehre in die Hand; wo ein Wolf oder gar ein Bär sich zeigte, da durfte er von einem Treiber niedergeschossen werden. Auch Wahnfred vom Gestade wurde mitgerufen und erhielt ein Feuerschloß. Etliche Herren aus Oberkloster waren da, denen zur Seite stets der Herr Franciscus ging. Die Leute waren höchst verwundert, als sie sahen, wie freundlich und artig ihr Pfarrherr sein konnte – wie eine Taube, so geschmeidig. »Wenn er seinen Pfarrkindern daheim nur halb so gütig wäre, wir wollten ihn anbeten,« sagte einer der Treiber.

      »Der ist ja viel zu demüthig, als daß er sich anbeten ließe,« spottete ein Anderer. »Der will nichts von seinen lieben Pfarrkindern, als einmal tüchtig Prügel.«

      Der so sprach, er wußte nichts von der Verschwörung in der Rabenkirche.

      Um so lebhafter dachte Wahnfred daran, als er im Dickicht lauerte und durch das Gezweige sah, wie dort am Lärchenbaum kaum zwanzig Schritte von ihm der Pfarrherr stand. Er war jetzt allein und wartete mit gespanntem Hahn auf den Rudel von Hirschen, der jenseits des Grabens aufgestöbert worden war. Der Lärm der Treiber und der Hunde hallte halb verloren durch den Wald. Wahnfred sah, wie Herr Franciscus vor Begier bebte, und im Auge des Jägers war wieder dasselbe Feuer, wie dazumal auf der Wildwiesen, als er in das Sonnenwendfest hatte hineinschießen lassen.

      Auch dem Wahnfred – er hatte in seinem Leben schon manchen guten Schuß gethan – zuckten die Finger am Feuerschloß. Wenn jetzt die Hirschen kommen, dachte er, so darf ich nicht losbrennen. Auf Edelwild nicht – nur auf Raubthiere. Auf Raubthiere doch? Das hat er selbst erlaubt. Ei, was dort für ein schöner großer Wolf steht? Er ist aber auch ein Fuchs und hat sich in Schafspelz gehüllt und ist ein Schafhirt geworden. Und führt die Schäflein in den Wald und will sie zerreißen. Wart’, Unthier, ich schieß dich nieder. Herr Franciscus ... Dabei fuhr Wahnfred mit dem Schafte seines Gewehres schon an die Wange – was hast uns so oft, wenn der Zehent nicht reichlich hat wollen einlaufen, so tapfer gepredigt vom jüngsten Gericht! In einem Vaterunserlang stehst selber davor. Es wäre mir nicht unlieb, wenn Du das Vaterunser wolltest beten; ich habs wohl übernommen, daß ich Dich aus der Welt schicke, aber in die unterste Höllen hinab – und du fährst schnurgerade in die unterste – das ist mir schier zu scharf. Die Ewigkeit nachher, die dauert höllisch lang. Als wie ich das Blut von meinem Knaben hab’ gesehen, da hätte ich leicht alle neunundneunzigtausend Teufel auf Dich losgelassen, da wär’s mir schon eine helle Freud’ gewesen, wenn sie Dich vor meiner in Fetzen zerzaust hätten. Aber in alle Ewigkeit brennen und braten – das ... Kerl, Du erbarmst mir doch. Ich will Dich schon einmal erwischen, wenn es Deiner Seelen gelegensamer ist ...

      Es knallte der Schuß – des Pfarrherrn. Ein Sechzehnender stürzte nieder – zuerst mit den Vorderfüßen auf die Knie, dann mit dem ganzen Körper auf die Erde, daß der Boden dröhnte.

      Wahnfred’s Gewehr blieb unentladen. Auf dem Rückzuge, da die Bauern auf Reisigtragen die reiche Beute schleppten, als das Waldhorn erscholl und der Jäger fröhlich Lachen, that der Bart vom Tärn, der neben dem Schreiner schritt, in des Letzteren Angesicht einen fragenden Blick.

      Der Wahnfred antwortete mit einem Nicken: »Laß Zeit!« –

      An einem der nächsten Tage brachte Erlefried von der Schule die Nachricht nach Hause, der Herr habe über das fünfte Gebot noch nicht ausfragen können, er liege krank im Bette. Er habe es von einem Kranken mit heimgebracht; im Trasankthale herrsche das Nervenfieber.

      Das machte den Wahnfred nachdenklich. Wenn der harte Herr als Opfer seines Berufes fällt, dann bin ich ja frei, und wir sind es Alle. Aber, ist unser Haß gerecht gegen einen Mann, der in der Erfüllung seiner Pflicht zugrunde geht? Nimmermehr, Wahnfred!

      Über kurz ging die Kunde – die Leute erzählten es sich mit freudigem Schauer – im Pfarrhofe wäre die Seuche ausgebrochen. Die Magd sei schon gestorben, die Haushälterin sei geflohen – der Herr liege schwer darnieder.

      Die Hand des rächenden Gottes. Mein ist die Rache! spricht der ewige Herr. Doch – so dachte Wahnfred – wenn die Magd gestorben ist und die Haushälterin geflohen, wer wird in der letzten Stunde bei ihm sein. Er ist doch ein armer Mensch, Sterben ist kein Kinderspiel. Wer wird ihm die Augen zudrücken?

      Da ging er des Weges gegen Trawies. Als er an dem Hause des Baumhackel vorbeiging, schrie ihm der Baumhackel zu: »Gehst ins Wirtshaus, Wahnfred?«

      Er gab keine Antwort.

      »Der geht zur Kofelarztin,« sagte die alte Base des Baumhackel. »Er schaut aus so blaß, wie ein Herrgott aus Lehm. Der Wahnfred steckt in keiner guten Haut.«

      Sie wußten nichts von dem Amte, das er in

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