Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Gestade der Firnerhans. Das war Einer von den Ältesten.

      »Wohin so eilig?« fragte er.

      Der Wahnfred schritt nahe zu ihm und murmelte: »In den Pfarrhof. Dem Herrn die Augen zudrücken.«

      Sie schüttelten sich die Hand und Jeder ging seines Weges.

      »Der ist gescheit!« sagte der Firnerhans zu sich, »der nimmt seinen Vortheil wahr. Der Tod ist im Pfarrhofe schon eingekehrt. Jetzt geht der Wahnfred hin und sperrt ihn ein, bis da drin der letzte Knochen abgenagt ist.«

      Um die Kirche von Trawies, wo sich sonst immer Leute herumgetrieben hatten, war heute kein Mensch zu sehen. Der Küster war nicht daheim. Nur ein Halbcretin aus dem Hause des Firnerhans stand da und seine langen Arme in die Hosentaschen gesteckt, glotzte er stier die Kirche an und den Mann, der daherging. Er schnaufte und pfauchte, denn er hatte zwei große Halsauswüchse, weshalb er von den Leuten auch der dreiköpfige Osel genannt wurde. Er lächelte nun dem Wahnfred recht freundlich zu, dann deutete er gegen die Fenster des Pfarrhofes, legte seine Wange an die Hand, machte die Miene des Schlafens, und schnitt hernach ein gar weinerliches Gesicht. Das war der einzige Hüter des kranken Herrn. Und selbst der schien nicht zu ihm zu können: der Pfarrhof war verschlossen. Wahnfred pochte lange und heftig, aber Niemand kam, um das Thor zu öffnen. Von innen vernahm er nichts als das Ticken einer Wanduhr und – wie es ihm scheinen wollte – einmal – zweimal ein angstvolles Aufstöhnen.

      »Wenn es so steht, ist der Wahnfred nicht mehr vonnöthen!« murmelte dieser, »Man hat den menschlichen Verstand von ihm abgesperrt.«

      Der Mann wurde noch blasser. Sind das Menschen in Trawies? Dort an der Kirchhofsmauer ragt das Kreuz. Versammeln sie sich nicht zu den Füssen dessen, der gesagt hat: Thuet Gutes Denen, die Euch hassen! – Es war ein harter Mann, fürwahr. Aber kann denn ein Feind so groß sein auf dieser Erden – wo wir Alle sündigen – kann er so groß sein, daß man im Stande ist, ihm in seiner Todesnoth den letzten Schluck Wasser zu verweigern? Hat ein Bruder wider dich gesündigt, so gehe hin und verweise es ihm zwischen dir und ihm allein. Ja, ich will es ihm noch sagen, wie schwer er geirrt, daß er als Priester des gütigen Gottes in unserem Sprengel die Liebe zerstört und den Haß erweckt hat. Und will ihm dann verzeihen.

      Seit jener Stunde, da Wahnfred im Dickichte nach dem Herrn gezielt hatte und die Barmherzigkeit in ihn gekommen war, fühlte er nicht mehr jenen finsternen Haß gegen den Mann, als früher. Die Tage, die Herr Franciscus nun noch leben sollte, waren ein Geschenk vom Wahnfred; so stand dieser wie eine Art von Schutzgeist zu ihm, und aus diesem Verhältnisse entsproß die Theilnahme für den Verhaßten.

      Da das Thor nicht zu öffnen war, so ging er nun um das Haus herum und spähte, wie er in das Innere dringen könne. An der rückwärtigen Seite, wo sich die Stallungen anschlossen, in denen die pflegelos gewordenen Hausthiere röhrten, kletterte er die Wand empor gegen ein offenes Fenster. Er kletterte hastig wie eine wilde, mordlustige Katze. Als er sich über die Fensterbrüstung hineinschwingen wollte, schauerte er zurück. Der Tod bewachte das Haus. drinnen im Gange, gerade unter dem Fenster, lag auf langem Brette hingestreckt die verstorbene Magd. Das Antlitz trug Spuren der Seuche, die zu jener Zeit so zahllose Menschenleben hingewürgt hat.

      Der Schreiner vom Gestade glaubte in diesem Augenblicke die milde Stimme seines Weibes zu hören: »Wahnfred, kehre um!« und den Schrei seines Knaben: »Vater, vergiß nicht deinen Erlefried!« Aber gleichzeitig war ihm, als höre er aus einem nahen Zimmer wieder das klägliche Stöhnen wie vorhin. Mit einem flinken Satze sprang er über die Leiche hinein auf den Boden und ging in die Zimmer.

      Zwei derselben waren leer und in zerfahrenem Zustande. Gauspostillen, Spielkartenblätter und Hundspeitschen, Crucifixe und Jagdgewehre, an der Wand Heiligenbilder und Hirschgeweihe. Geistliches und Weltliches, alles durcheinander. Die zahlreichen Schränke scheinen die Habe nicht fassen zu können, denn auf dem Tische lagen Ballen von Schafwolle und Leinwand. Auf dem Betpulte standen zwei Weingläser und lag in einer Schüssel Honigfladen und Weißbrot dabei, als hätte das Gespenst der Seuche die Bewohnerschaft des Hauses gerade beim heiteren Vesperbrot überrascht.

      Im dritten Gemache endlich fand Wahnfred den Kranken. Kaum erkannte er in diesem den Pfarrherrn. In eine Ecke gesunken lag aufgedunsen und fieberroth das Haupt. Der Athem war kurz: der Kranke stöhnte zuweilen. Jetzt that er die Augen auf – sie lagen schreckhaft tief, aber es waren die strengen, gefürchteten Augen – nur unsteter, nur noch glühender.

      »Wer – denn da?« fragte er mit heiserem Tone. »Ist ja alles davon. Habe ich denn – die Pest, das alles davon ist?«

      »Der Wahnfred vom Gestade kommt zu Euch.«

      »Leg’ ab – leg’ ab! – Du bringst doch was?«

      »Ich sehe, daß Euch die Heilmittel fehlen.«

      »Heilmittel? Die Zehnten sollst Du mir bringen, Lastthier!«

      Gar mühevoll und verwirrt stieß er die Worte heraus.

      »Ich verstehe nicht.« sagte Wahnfred, der sich heute das erstemal dem Herrn überlegen fühlte, »ich verstehe nicht, wie Ihr in Eurem Zustande noch an irdische Dinge denken könnt.«

      Der Kranke wendete sein Gesicht gegen den Besucher, versuchte zu lächeln und sagte: »Sterben meint Ihr? Nein, Trawiser Leut’, den Gefallen thue ich Euch nicht. Muß Euch früher zähmen.«

      »Mein lieber Pfarrherr,« entgegnete Wahnfred, »darüber wollen wir nicht streiten. Des Menschen Leben steht in Gotteshand, und Ihr wisset es so gut als ich, was in der Ewigkeit auf uns wartet. Die Gemeinde Trawies ist christlich, sie wird Euch verzeihen.«

      Der Kranke wollte sich jetzt aufrichten. »Verzeihen!« röchelte er, »wer hat zu verzeihen? Auf den Beichtvater willst Du Dich hinausspielen? Des priesterlichen Amtes spotten? – Heide! Heide!« Er sank zurück. Sein Athem ging noch wilder, sein Auge rollte; bald darauf fiel er in einen Schlummer.

      Wahnfred stand da und wußte nicht, was zu beginnen war. Er fühlte Mitleid. Nur den Ausbruch des Fieberkranken hatte er vernommen, nicht aber den Sinn der Worte. Er wußte und er dachte nichts zu dieser Stunde, als daß ein hilfloser Mensch vor ihm liege. Des Kranken Nacken war eingeknickt, so bettete Wahnfred das Kopfkissen flach, daß der Schlummernde freier athmen konnte. Dann legte er ein Decke, die aus dem Bette gefallen war, über ihn; hierauf öffnete er die Fenster, daß frische Luft hereinströmte, und schließlich legte er Holz in den großen Ofen und zündete es an, um die Luft zu reinigen und zu erwärmen.

      Als das Feuer fröhlich knisterte und Wahnfred am Bette saß und an seinen Großvater dachte, den in einer stillen Sommernacht der schwarze Tod dahingerafft hatte, und an die schrecklichen Zeiten, da die »große Sterb« das halbe Land entvölkert hatte, faltete er die Hände und murmelte: »Mein Gott, wenn man’s betrachtet, diese Welt ist des Unheils voll! Es verlohnt sich nicht der Mühe, daß man die kleinen Ungerechtigkeiten, die Einem von Mitmenschen zugefügt werden, so ernsthaft nimmt. Was bedeutet eine Wunde am Arm, wenn das Schicksal in Massen schlachtet! Wer das Weltunrecht einst richten wird! O, hüte mich, mein Gott, vor bösem Denken, und gieb nur Eine Gnade! Nur Eine gieb uns: daß wir, die gemeinsam leiden, uns gegenseitig beisteh’n!«

      »Wasser!« ächzte der Kranke, ohne die Augen zu öffnen, »einen Schluck Wasser!«

      Wahnfred erschrak. Er der in diesem Augenblicke der Herzensregung im Stande gewesen wäre, die Leiden der Menschheit mit seinem Blute zu löschen, wenn es gefordert worden wäre, er konnte dem Verschmachtenden nicht einmal einen Trunk frischen Wassers reichen. Er sollte auf dem Weg über die Todte und durchs Fenster zum Brunnen hinabsteigen. Er durchstöberte das Haus, er fand Wein, er fand Milch, er fand den Most, den man

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