Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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worden –, um sie bewachen zu können. Neben seinem Bette an der Wand lehnte stets eine scharfe Axt, bereit für Jeden, der in die Haferkammer zu dringen hätte versuchen wollen. Seine alte kränkliche Gattin fühlte sich in der Stube vollkommen sicher; sie bedurfte keiner Axt, es war der Mühe werth kaum mehr etwas im Hause.

      Sela litt in ihrem Gewahrsam unbeschreibliche Qualen. Nicht die dunkle Kammer war’s, wo ihr nur Mücken und Spinnen Gesellschaft leisteten; nicht die Furcht war’s vor Entdeckung, was ihr das Herz wollte brechen, sondern der Schmerz über den unendlichen Verlust.

      Seit jenem Abende, da sie mitten im Tärn ihren Gespielen und Freund verlassen hatte, war er nicht mehr vor ihre erschienen. Sie kam damals nach manchem Irrlaufe glücklich nach Hause, er folgte ihr nicht, er kehrte nicht zurück und Niemand hatte ihn seither gesehen. – Sie war von ihm gegangen und hatte ihn den Gefahren jener Einöden preisgegeben. Und warum? Weil er sie lieb hatte, weil er sie auf den Mund küssen, an sein Herz drücken wollte.

      Sela vermochte nicht daran zu denken, ohne sich der Gefahr auszusetzen, plötzlich wahnsinnig zu werden. Aber endlich konnte sie doch auch wieder an nichts Anderes denken, als an ihn, und da verging ihr Hören und Sehen.

      »Warum ist es in mir,« so fragte sie sich selbst, »daß ich den Mann, den ich so sehr lieb habe, nicht mit meinen Armen umfangen darf? Küssen wollt’ ich ihn, bis die Lippen bluten, und sein Blut aufsaugen und sein Herz an dem meinen erdrücken! Wer im Himmel und auf Erden hat mir gesagt, daß ich ihn mit meiner Faust von mir stoßen soll, wenn er mich anschaut mit seinem lieben Auge, wenn er mir den Hauch seines Mundes, nach dem ich mich sehne wie der Fisch nach dem Wasser, nicht versagen will? Wer hat mir’s geboten? Meine Mutter? Sie hat jenes Lied gesungen vom falschen Jüngling im grünen Wald. So treu wie Erlefried kann keiner sein. Ein Anderes ist in mir, das die Faust gegen ihn geschleudert hat. Ich kann’s nicht ergründen.«

      Und sie weinte, und sie träumte und sie fuhr fort:

      »Vielleicht war’s das Sonnenlicht, das noch in den Wolken gebrannt hat. Vielleicht waren es die alten Bäume, die mich umstanden haben. Vielleicht war es der böse Feind, während ich den Schutzengel angerufen habe. – Jetzt ist er hin, und der er sich in Liebe hat vertraut, die hat ihn verlassen. Das thut so weh, wie ein Sterben.«

      Der alte Bart war ausgegangen, um Erlefried zu suchen; aber es brannten die Stämme des Tärn. Das Feuer hatte sich zu jener Zeit und unweit dort erhoben, wo nach Aussage des Mädchens sie ihm davongelaufen war. –

      »Und warum bist ihm davongelaufen, Du unbesinnte Dirn?« So hatte sie der Bart gefragt.

      »Warum?« So gab sie zur Antwort, »weil ich mich vor ihm gefürchtet habe, mich hat eine Natter gestochen, ich habe eine Giftbeere gegessen, ich weiß es nicht, aber ich bin irre gewesen und habe ihn nicht erkannt.«

      Der Bart fragte nicht weiter. Er ging in Rauch und zwischen den kohlenden Stämmen herum und suchte Erlefried, als wäre es sein eigenes Kind. Endlich jedoch blieb darüber kein Zweifel mehr, Erlefried mußte verunglückt sein. Der Bart glaubte seinem eigenen Worte nicht, wenn er sagte: »Der Knab’ ist schlau, der hat sich noch bei Zeiten in den hohen Trasank hinaufgeflüchtet.«

      Was ginge den der Trasank an, dachte Sela, der will bei Leuten sein.

      Ihr einziger Wunsch war, daß er lebe, und ihr Gebet war, daß er gestorben sein möge. Das ahnte sie, wenn er noch lebte, so stände es nicht gut um ihn.

      »Vater Bart,« fragte sie einmal, »wann gehen die neunzig Jahre aus?«

      »Welche neunzig Jahre?«

      »Daß in der Rabenkirche die Raben wieder zusammenkommen und es laut erzählen, wen sie die Zeit her ermordet gefunden haben und wer der Mörder ist? In einer Christnacht soll es sein. Ich will hin und horchen.«

      »Laß den Aberglauben sein, mein Kind,« antwortete der Bart. »Wir stehen in der Hand Gottes. Vergiß es nicht.«

      »Wir in der Hand Gottes?« fragte Sela.

      »Laß Dich nicht anfechten, wenn sie sagen, sie hätten Dir den Herrgott weggenommen. So mächtig ist Keiner, daß er das kann, so mächtig bist nur Du selber. Der ewige Herr läßt sich nicht geben und nicht nehmen. Wer ihn haben will, der hat ihn.«

      Das war keine rechte Antwort auf ihre Frage, aber sie beruhigte sich.

      Gedankenvoll blickte sie oft in die Schleier der Spinnen ihrer Kammer, die zur nächtlichen weile durch den Schein vom Tärn her beleuchtet wurden. –

      Und einmal, als sie einem Thierchen zuschaute, das von der Decke nieder senkrecht seinen Faden spann, dachte sie: Wenn sie bis zur Erde spinnt, so sehe ich ihn wieder. Das will ich heilig glauben und das wird so sein.

      Die Spinne hockte lange auf einem Punkt, dann spann sie bis zur Erde.

      Nachdem der Tärn neun Tage und Nächte lang gebrannt hatte, war er verzehrt. Aus der weißen, schwarz gesprenkelten Aschenschichte stand hie und da ein verkohlter Strunk empor. Viele kleine Felswände waren kahl geworden, da und dort gähnte der finstere Eingang zu einer Höhle. Auf dem Höhenzug stand aber noch das Kreuz, jetzt weithin sichtbar. Der Borkenkäfer hatte es verschont, weil es dürr war, die nach Reisig lechzenden Flammen waren hoch darüber hingeflogen, und so war es der einzige übrig gebliebene Baum auf den Gründen des Tärn.

      Drittes Buch:

       Die Erlösung

       Inhaltsverzeichnis

      Zur selben Zeit geschah es, daß an einem der späten Herbsttage eine große Verfinsterung die Menschen beunruhigte. Gegen die Mittagsstunde war es, bei heiterem Himmel, daß die Bäume an der Trach ihre Schatten verloren, daß es düster wurde über Berg und Thal, und daß die Fledermäuse den Leuten um die Köpfe flogen. Die Sonne war verloschen und hatte nur einen schimmernden Rand. Am Firmament standen Sternlein. Ganz anders waren diese Sternlein gruppirt und anders sahen sie aus, als man sie zur selben Jahreszeit in der Nacht beobachten konnte.

      Einer der Ältesten zu Trawies hielt die alte Fahne noch aufrecht und erklärte, daß der höllische Drache, der die Sonne stets verfolge, nun mit ihr im Kampfe liege. Man sähe es ja, wie das schwarze Ungeheuer die Scheibe umklammert halte, während die Sonne noch ihren Flammenring über seinen Hals zu werfen trachte. Unterliege sie, so gehe die Welt zugrunde; unterliege sie nicht, so drehe es sich eine Weile noch so fort mit Tag und Nacht, mit Winter und Sommer.

      Es drehe sich nicht mehr fort, sagten Andere, die Sonne werde wohl für die weite Welt noch scheinen, aber für Trawies werde sie verlöschen.

      »Das ist Firlefanz,« rief es drein, »Gott läßt die Sonne scheinen über Gute und Böse.«

      »Aber nicht über Gute und Verdammte.«

      »Derob keck anpacken, was zu packen ist. Die Zeit ist kurz und in alle Ewigkeit geht es uns nicht mehr so gut, als wie jetzt!«

      Etliche waren der Meinung, diese Nacht mitten im Tage sei nichts, als eine gewöhnliche Sonnenfinsterniß und eine solche sei unergründlich, gehe vorüber und bedeute gar nichts, als daß der Türke komme oder die Pest.

      Und so traf es zu. – Die Finsterniß war nach einer Stunde ganz und gar vorbei und die Sonne schien nach wie vor und hatte nicht die geringste Wunde vom Kamp mit dem Drachen an sich. Wenige Tage

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