Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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sie wisse, warum bei den tannen jeder Zweig ein Kreuz bilde?

      »Wenn Du’s weißt, so mußt Du mir’s erzählen,« bat sie.

      »In alten Zeiten,« sagte er, »sind am Tannenbaum die Zweige palmartig himmelwärts gewachsen. Seit jenem Tage, da sie das Kreuz Christi aus einem Tannenbaum gezimmert haben, muß an diesem Baum alles ins Kreuz wachsen, so wie zu Trawies, wo doch kein Kreuz mehr stehen soll, alles ins Kreuz wächst.«

      »Ins Kreuz und Elend,« versetzte Sela.

      »ich bin auch ins Kreuz gewachsen,« sagte der schöne Bursche, da er sich hoch und stramm hinstellte und die Arme wagrecht auseinander spannte. »Willst gekreuzigt werden?«

      »Mir gefällt der Lärchenbaum besser als der Tannenbaum,« bemerkte das Mädchen und schaute hin in die Lichtung, wo in heller, weicher Grüne eine solche Ceder des nordischen Waldes stand.

      »Soll ich Dir auch die Geschichte vom Lärchenbaum erzählen?« fragte sie der Bursche. »Nun schau, mit den Bäumen ist es so, wie mit den Leuten. – Da sind einmal an einem Sonntage die Bäume zusammengestanden, daß sie unter sich einen König wählen. Der Fichtenbaum hat gesagt, ich bin der Schönste; der Tannenbaum hat gesagt, ich bin der Größte; der Kieferbaum hat gesagt, ich bin der Fleißigste und der Nützlichste und hat sogar vom Trasank herab die Legföhre mit sich gebracht, daß dieselbe für ihn stimmen soll. Zuletzt ist noch der Lärchbaum gekommen, der schöne, weiche, kräftige Lärchbaum, da haben die anderen Bäume gedacht: vor dem bestehen wir nicht, der ist der Fürnehmste, und haben die Königswahl auf den Winter verschoben. – Ich denke, Sela, ich verschiebe den anderen Theil von dieser Geschichte auch auf den Winter.«

      »Erzähle nur, erzähle,« sagte sie, »wir wissen sonst nichts Gescheites zu reden.«

      »Du hast Recht, Sela. Wenn ich bei Dir bin, fällt mir zwar allemal die gescheiteste Sach’ ein, aber ich bringe sie nicht heraus. – Nun also, wie der Winter gekommen ist und die Nadelbäume wieder zusammengekommen sind in ihrem immerwährenden Grün, da will der Lärchbaum nicht vortreten. Dreimal wird er gerufen, bis er kommt, er hat einen Schneemantel um. Die Anderen befehlen ihm, daß er die Winterpfaid sollt’ ablegen; er thut’s nicht gern, ist ja nackt und bloß, hat keine grünen Nadeln mehr an seinem Holz wie die anderen. Sie lachen ihn aus, und König ist der Fichtenbaum geworden. – Seither stellt sich der arme Lärchenbaum gern beiseite, und im Frühjahr wachsen ihm allemal wieder die grünen, weichen Federnbüschel und er vertreibt sich die Zeit besser als wie der König. Bei der Lärche trifft’s auch zu, daß Mann und Weib ein Leib ist.«

      »Jetzt magst bald aufhören mit Deinen Baumgeschichten.«

      »Ein Vogel ist in den Lüften, der heißt auch Lerche, der singt: didlde, didlde, und singt das Brautpaar ein.«

      »ich möchte nur wissen, Erlefried, wo Du das alles her hast?« fragte das Mädchen verwirrt.

      »Wer viel im Walde umgeht und Augen hat, der sieht’s,« antwortete er. »So ist’s noch gar nicht lang her, daß ich auf der Freiwildhöhe hab’ gesehen, wie der Schöne junge Fichtenbaum, unter dem das Fraunbild gestanden ist, sich was Feines gesucht hat.«

      »Du mußt nicht viel an Leut’ zu denken haben, weil Du Dich mit dem Holz sogar abgiebst,« bemerkte jetzt das Mädchen.

      »Ich will nicht fortweg an Leute denken, das ist nicht allemal gesund.«

      »So, da höre ich was Neues.«

      »Es ist doch umsonst. Mit Thieren gebe ich mich nicht ab; das dürre Holz ist mir auch verhaßt, so halte ich mich ans grüne. Ich mag mich noch so fest an die Bäume machen, allsogleich bin ich wieder bei Dir. Sie schicken mich ja zurück, zu Dir zurück.«

      »Daß sie aber so fein sind!«

      »Was,« sagte jetzt Erlefried, »was thut letzlich der Fichtenbaum auf der Freiwildhöhe? Fällt ihm ein, er will sich ein Weib nehmen. In der Nachbarschaft ist dort nicht viel zu holen, lauter kleine verkrüppelte Wesen. Da denkt er, ehe ich so eins meinen Kindern zu Mutter gebe, eher bleibe ich allen. Sonach gewahrt er, es gehe ihm nicht schlechter, als unserem Menschenvater Adam, er hat das Weib in den eigenen Rippen. In rothen Kätzlein haben sie sich zugelächelt; ein Körnlein aus seinem Herzen läßt er abfliegen, um zu freien; sie ist gescheit gewesen, Sela, sie hat den Freier nicht abgewiesen. Und da habe ich halt wieder an Dich denken müssen.«

      Er stützte sich vor ihr aufs Knie, und zwar in einer Stellung, in der Keiner lange verharrt.

      Das Mädchen drängte zum Aufbruch und machte selbst den Anfang, indem sie rasch aufsprang und weiterging. Der Jüngling folgte ihr wortlos, aber mit Hast. Eine Strecke waren sie dergestalt vorwärts gekommen, als Erlefried rief: »Bleibe stehen, Sela!«

      Sie blieb stehen.

      »Schau!« sagte er und wies auf einen grünen, niedergebrochenen Fichtenwipfel, der neben einem schönen schlanken Stamme übervoll von Zapfen auf der Erde lag.

      Sie schaute hin, sie schaute empor zu dem hauptlosen Baume und versetzte: »Was ist denn da zu sehen?«

      Erlefried gab keine Antwort. Sie gingen wieder fürbaß. Der Wipfel war unter der großen Last seiner Samenzapfen gebrochen, der Baum – von der Waldpest so gnädig verschont – zugrundegegangen an eigener Lebensfülle ...

      Nach all diesem kamen die beiden Leutchen immer tiefer hinein in den todten Tärn. Bald war kein einziger grüner Baum mehr um sie. Die Sonne glühte nieder, der Sommer hatte den Regen versagt und heftige Winde hatten die letzten Nadelbüschel von den Zweigen gerissen. Die dorrenden Bestände waren heiß und über dem Boden zitterte die Luft. Zwischen den Steinen blitzte da und dort ein Eidechsen hin, sonst fand sich kaum ein Lebendiges in dieser seltsamen Wüste. Selbst die Schwärme des Borkenkäfers waren verschwunden. Schon von weitem sahen unsere Wallfahrer zwischen den fahlen Stämmen das Kreuz ragen. Niemand war dort, sie schienen heute die Einzigen zu sein, die es besuchten.

      Für Erlefried, den schwärmerischen Sohn eines schwärmersichen Vaters, war das Kreuz in diesem Walde stets ein geheimnisvoller Gegenstand gewesen, von dem seine Seele gern träumte. So siegte auch jetzt in ihm das Kreuz über das Herz – wenn auch, weiß Gott, nur für kurze Zeit. – Still ging er ihm zu, zog das graue Hütlein vom Haupt und kniete nieder. Er gedachte jener Stunde, da er als Knabe ohne Gott und ohne Hoffnung heimgekehrt war zu seiner kranken Mutter. –»Er ist. Du weißt es, Du liebst ihn. Himmel und Erde ist sein Leib!« So hatte sie, die am Thore der Ewigkeit stand, zu ihm gesprochen.

      Auch Sela, die Tochter des Feuerwart, hatte Stunden, in welchen das ganze, das furchtbare Elend von Trawies an ihr Herz schlug. Da konnte sie nicht lächeln, nicht hoffen, nicht beten, da wußte sie sich nicht anders zu helfen, als daß sie das Auge ihrer Seele zuthat und alles andere aus dem Sinne schlug.

      Auch heute war sie zum Kreuze gekommen, ohne recht zu wissen warum. Der verdorrte Wald war nicht darnach angethan, ihr Gemüth aufzuschließen. Nun sie aber den geliebten Jüngling so still vor dem Kreuze knien, so andächtig beten sah, kam es auch über sie. Wie kühlender Thau kam es über sie, dann kniete sie hin und konnte beten – beten, wie schon lange nicht mehr. Dabei wurde ihr so weich, so leicht, vor Freude darüber hub sie zu schluchzen an.

      Die Herren draußen in der Welt, die den Feuerbrand geschleudert hatten in dieses stille Thal, wenn sie das Paar hier knien gesehen hätten im schattenlosen Hochwald vor dem verlorenen Kreuze, jetzt noch schuldlos, aber von den höllischen Gewalten eines Flammenringes enger und immer enger umlodert!

      Keiner hat sie gesehen, auch nicht

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