Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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rief sie.

      »Du bist es ja selbst, mein Engel, die den Unfrieden macht,« grinste der alte Stromer.

      »Wozu brauchst Du mein Haar?«

      »Was nutzt Dein Fragen, wenn Du meiner Antwort nicht glaubst. Ich vertraue Dir’s noch einmal, aus Deinem schönen Jungfrauenhaar drehe ich den Strick, den Teufel zu binden, der jetzt in den Trawies ist.«

      »Du bist selber ein Teufel,« rief das Mädchen mit sprühenden Augen. »Du hast meine Mutter umgebracht!«

      »Was Dir nicht wieder beikommt, kleiner Narr,« versetzte der Alte, gar gleichgiltig lächelnd, »wer hätte dem guten Weibe was zu Leide thun mögen.«

      »Du hast sie mit einem rothen Tuch erwürgt; hast mir hernach das Tuch in den Mund gesteckt, hast mich fortgeschleppt in diese Hölle her, Du bist der Teufel, der Teufel, der Teufel!«

      Er drückte sie mit starkem Arm auf das Lager zurück, er grinste sie an und zischelte: »Weil Du’s schon weißt, was soll ich’s leugnen. Deine Mutter hat sich erhängt von wegen dem verfluchten Trawies, Du bist vor Schrecken gestorben im verfluchten Trawies, wer soll Dich denn haben, als wie der Teufel?«

      »O mein gekreuzigter Heiland,« wimmerte das Mädchen und zitterte und rang die Hände, »was habe ich denn gethan, daß Du mich so kannst verlassen!«

      »Was Hoffart für eine Sünde ist, das hast Du gewußt,« versetzte tiefen Tones der Alte, »der Heiland hat die blutige Dornenkrone getragen auf seinem Haupte, Du hast mit Deinem weichen Haar viel Eitelkeit getrieben; jetzt muß es Dein Haar büßen. Morgen schneiden wir’s wieder. Leg’ Dich jetzt zur Ruh’; ich wache, daß kein ärgerer Teufel, als ich Dir bin, über Dich komme.«

      Er ging hinaus, er kroch hinaus, er kletterte hinab um Wasser – und hat’s nicht gesagt, aus welchem Grunde er die Jungfrau hütete, wie der Drache den Schatz, und wozu er ihr Haargesträhne verwenden wollte.

      Bertha aber, als sie sich allein wußte, sprang auf, sank hin vor das Tischchen und wollte beten. Ach, aus ihrem Beten wurde ein heftiges Schluchzen, ein gellendes Weinen, daß davon die Felswand widerhallte. Sie rief laut nach ihrer Mutter; sie rief, bis ihre Kraft erlahmt war, dann sank sie hin.

      Wenn sie wieder erwachte, starrte sie auf ihre Hände, betastete ihr Gesicht.

      Das Fleisch war weggefallen, was Wunder aber, daß sich keine Runzeln zeigen wollten! War sie nicht schon uralt? War sie nicht schon hundert Jahre in diesem fürchterlichen Aufenthalt?

      Keine Ahnung hatte sie, daß, seit sie dem Tageslicht entrückt worden, erst einmal die Bäume grünten und noch nicht einmal die Blätter der Buchen gilbten.

      Nur in den wenigen Minuten seligen Traumes sah sie die lichte Welt, um deren Verlust zu beweinen. Allmählich wurde sie stumpfer; an ihre Verdammniß konnte sie nicht glauben, aber an die Nacht des Wahnsinns glaubte sie, der sie verfallen sei, und der Gedanke war ihr tröstlich, das leben müsse doch einmal ein Ende haben. So ergab sie sich und die schwersten Stunden flüchtete sie zum Gebete. Von den ihr vorgesetzten Speisen wollte sie nicht genießen, aber immer wieder kam die Zeit, da sich ihre Hände unwillkürlich ausstreckten nach der Nahrung.

      Der Alte kam oft zu ihr, war zuthunlich und wollte mit ihr sprechen, und schaffte ihr Bequemlichkeit wie er konnte. Von Zeit zu Zeit schnitt er ihr mit einem scharfen Messer das Haar vom Haupte und ging damit hinaus und kehrte dann oft in langer Weile nicht zurück.

      Und eines Abends verrammelte er wie gewöhnlich mit Sorgfalt den Eingang zur Höhle, kroch dann im Gesteine besonders viel umher, schlich mit noch größerer Hast davon und durch den Wald. Sonst hatte ihn der Wald gedeckt, jetzt mußte er die Nacht wählen. Er eilte dem Hause des Bart zu. Diesen einsamen Hof hatte er noch nicht besucht und doch schwante ihm, als müsse manches Begehrenswerthe darin aufbewahrt sein. Bei sich trug der Roderich das »approbirte Mittel, daß die Leut’ nicht munter werden« – die Kerze aus Kreuzotterfett mit Docht aus Jungfrauenhaar. – Viel hat’s gekostet, bis der Roderich endlich eine verläßliche Dochtquelle gefunden. Aber seither hat ihn die Zauberkerze nicht mehr im Stiche gelassen; freilich gehört auch sonstige Sorgfalt dazu. Man geht tagsüber an den Häusern vorbei, bewundert scheinbar die Blümlein, die am Fenster stehen, den Jakobisegen, der an der Thüre hängt, die Vogelnester, die an den Wänden und unter den Dächern kleben und schaut sich insgeheim die Stellen aus, wo nächtlicherweile am besten einzubrechen ist. Dann wählt man die Stunde, wo die Leute im tiefsten Schlaf liegen, man trägt eine Fußbekleidung, die nicht Lärm macht, hat ein sachgemäßes Brechzeug und Schlüsselwerk; und noch am besten, man besucht die Häuser zur Zeit, da die Bewohner derselben selbst auf Diebsfuß aus sind. In Kästen und Truhen ist freilich nichts mehr zu finden, aber unter den Bodendielen und in Kellern muß man nachsehen, auch unter Steinhaufen und oben unter den Dachbrettern oder im dichten Baumgeäste. Ein Mann, der beim Handwerk alt geworden, kennt die Kunstgriffe, und wenn ein fester Glaube an die Zauberkerze dazukommt, dann kann’s gar nicht fehlen.

      Unterwegs dachte der Strolch oft an das Mädchen, welches er gefangen hielt. Er wußte es zu schätzen. Es that ihm bisweilen leid, daß er sie so tief in den Felsen vergraben, daß er sie ängstigen, ja züchtigen mußte, doch die Kleine war auch allzu störrisch. Das aber dachte der brave Mann: wenn ich das Geschäft aufgebe, dann verheirate ich das Mädel. – Jawohl, Alter, sorgsamer hat noch keiner die Tugend bewacht, als Du an diesem Wesen; es wird schwer halten, Einen zu finden, der Jungfrauenhaar so trefflich zu nutzen weiß, wie Du!

      Um Mitternacht schlich sich der Roderich vermittelst einer Strickleiter, die er durch eine Stange am Dachfenster befestigt hatte, in die Bodenkammer des Barthauses. Er machte sich in derselben bequem und zündete seine Kerze an. Sie brannte heute etwas ungleich und knisterte zuweilen. Im Hause schien wohl alles zu schlafen, und doch war eine gewisse Unruhe, als wenn Mäuse und Ratten umgingen. Dem Roderich war nicht ganz heimlich. – Er hatte ihr, als er letztlich das Haar geschnitten, ein klein wenig das Brusttuch seitab gezogen, der Locken wegen, die hinein verbunden gewesen waren – nur der Strähne wegen – sollte das von Übel gewesen sein? Nun es ist ja alles still im Hause, die alten Schränke stehen hier so einladend da; eine innere Wärme, wie Jugendgluth, durchrieselt den alten Kerl und er macht sich leuchtendes Auges an sein Geschäft. Wir wollen uns nicht zu Mitwissern der That machen und kehren in einem anderen Gelasse des Barthauses ein.

      In der Scheune auf duftigem Heu liegen zwei Männer. Der Eine davon läßt das Zeichen hören, daß er schläft, da erhebt sich der Andere sachte und schleicht zum Fenster. Der Bart braucht es nicht zu wissen, um nicht noch einmal zu wiederholen, daß der Teufel süß pfeife, ehe man ihm aufsitze. – Eine Todsünde, die schöne Sela mit so Einem zu vergleichen! Aber auch der Teufel, pflegte der Bart zu sagen, sei in seiner Jugend schön gewesen. – Die gute Sela ist ja ein Engel! Denkt Erlefried. Macht nichts, sagt der Bart, wenn man dem Teufel auf sein Horn »guter Engel« schriebe, gäbe es Leute genug, die es glaubten. – Daher braucht der Alte nichts zu wissen. Wenn der, so rechnet der Jüngling, die Beiden alleweil zusammenthut, so mag’s wohl gerathen, daß sich Einer dem Teufel verschreibt ...

      Erlefried schaut hinaus in die Nacht und zu den Fenstern des gegenüberstehenden Wohnhauses.

      Im Walde geht die Mär, daß zwei Leute, die sich lieben, täglich einmal – und wären sie sich noch so ferne – einen Augenblick hätten, in welchem Eins das Andere sehen könnte. Dieser Augenblick, er sei bei Tag oder Nacht, währe so lange, als ein Thautropfen falle vom Wipfel eines Lärchenbaumes bis zum Erdboden nieder. Wer ihn nicht verpaßte!

      Für Erlefried kam dieser Augenblick zur nächtlichen Stunde, wenn der alte Bart neben ihm eingeschlafen war. Und der schöne aufgeweckte Bursche nahm ihn wahr; er stand auf und blickte zu den Fenstern des Wohnhauses hinüber und sah im Geiste,

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