Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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tropfenweise hing hoch im Gezweige. Sie sagten nichts, die eilenden Füße waren der einzige Ausdruck ihres Fühlens. Sela sehnte sich nach der Leiche ihres Vaters und empfand Angst, je näher sie der Hütte kamen. Der Jüngling, urplötzlich umfangen von dem Flammenringe leidenschaftlicher Liebe, dachte nicht an den Todten. Fest schlang er den starken Arm um ihre Gestalt, er trug sie fast, ihre Füße berührten kaum die Wurzelstränge und die Steine und die Steine. So glitten sie abwärts und immer vernehmlicher wurde das Rauschen des Dürrbaches.

      Nun waren sie in der Schlucht, und als sie über das Gefälle und Geschütte dahinkletterten und unsicher auf und ab gingen, schauend, forschend, suchend, blieb Sela plötzlich stehen und rief: »Die Hütte ist nicht mehr da!«

      »Wo soll sie sein? Sie wird weiter unten stehen.«

      »Hier, dahier, gegenüber dem großen Stein muß sie stehen. O Gott, da ist ein neuer Berg, Erlefried, Erlefried; die Hütte ist verschüttet!«

      Eine Berglehne war herabgefahren mitsammt Baum und Strauch. Sela warf sich auf den Schutt und wimmernd grub sie mit den Händen die Erde auf, bis sie Erlefried zurückdrängte und die Worte sprach: »Siehe, Gott ist noch in Trawies, er hat Deinen verstorbenen Vater begraben!«

      Dieses mild und sinnig gesprochene Wort des Jünglings öffnete die Schleusen ihres bedrängten Gemüthes, sie weinte heftig. »Gott hat ihn begraben!« Dieser Gedanke that ihr wohl zu solcher Zeit, wo sie davor gezittert hatte, ihren Vater ohne Glockenklang und ohne Segen in die Erde legen zu müssen; wo sie auch gebangt hatte davor, in der finsteren Hütte fortzuleben, sei es allein, sei es mit dem Freunde. Jetzt ist alles vorbei, hier wendet auch ihr Weg.

      Sie haben sich hernach auf den großen Stein gesetzt, der neben dem Wasser des Dürrbaches aufragte und an dessen Flächen zartes Moos wuchs. So saßen sie die Nacht und schauten hin auf den ungeheuren Grabhügel. In Erlefried hatte sich jene Gluth, die in vorhin über Berg und Thal gejagt, aufgelöst in die Wärme der Theilnahme und der Andacht.

      Er wollte zu ihr sprechen, aber sie hörte seine Worte nicht; die wilden Wasser betäubten rauschend ihre Gefühle. Der Mond sank gegen das Gewipfel der Bäume hin und da gingen zwischen demselben die Schlierstreifen des Lichtes, legten Silber auf die Steine und Funken in die Wellen und die Gesichter der beiden Menschen schienen blutlos zu sein. Ein breites Band ging durch die Wipfelscharte nieder auf den Schutthügel, aus welchem in weißen Splittern noch die Strünke frischgebrochener Stämme ragten. Ein geheimnisvolles Wehen ging und der Mondäther verdichtete sich zu blassen Gestalten, die aufwärts und niederwärts stiegen, wie die Engel auf der Jakobsleiter.

      »Sela,« sagte Erlefried und legte sein Haupt an das Köpfchen der Jungfrau, so daß seine langen Locken hinabwallten über ihre Stirn, »Sela, siehst Du, wie jetzt die Altvorderen herabsteigen zu Deinem Vater, der das Ahnfeuer gewartet hat? Jetzt tragen sie ihn auf der lichten Straßen in den Himmel.«

      Als über den blauen Wäldern des Tärn die Sonne emporstieg, führte Erlefried die zagende Sela in das Haus des Bart ein.

      Er erzählte, was geschehen war und bat den Bart um Unterstand und Schutz für das Mädchen.

      »Dein Bitten, Erlefried,« entgegnete der Bart, »ich weiß nicht, wie ich es soll deuten. Ja, ich will dem Kinde eine Hut geben, so lange ich selber eine habe. Ich nehme die Sela gern in mein Haus; nur, Erlefried, Du hast es ja erfahren, daß wir oft nicht wissen, was wir essen sollen.«

      »Ich sammle meine Nahrung im Wald, wie ich es bisher gethan habe,« sagte das Mädchen.

      »Und wo sie schlafen wird?« meinte der alte Mann.

      »In der Scheune auf dem Heu,« schlug Erlefried vor.

      Das Weib des Bart stand dabei; sie hatte schon ein Weilchen die jungen Leute betrachtet, die so warmlebig und so ahnungslos nebeneinander dastanden.

      »In der Scheune mögen die Mannesleute schlafen,« sagte sie jetzt, »der Erlefried und meinetwegen auch der Bart; die Maid soll in der Stube sein, ihr Bett neben dem meinen.«

      Dem Bart war’s recht.

      Aus derselben Zeit berichtet die Urkunde das Sterben des Tärn.

      Der Tärnwald war bis zum Ritscher hin fast eine Geviertmeile groß und lag an schönen Sommertagen wie ein stiller, tiefblauer See unter dem Himmelszelte, scheinbar ruhend und schlummernd auf weltfernem Gelände. Das unendliche Leben und Weben in seinen schattenkühlen Gründen sah man nicht. Das millionenfache Entstehen und Vergehen der Wesen, die Lebenslust und das Sterbensweh, die warmen Herzschläge und die heißen Kämpfe all um das Leben, das nimmer rastende Ineinanderzittern, Auf- und Niedergehen, wie es in dem Webstuhle des Waldes ist, ununterbrochen bei Tag und Nacht, zu allen Zeiten des Sonnenjahres, wer achtet es?

      Und im Tärn, wer wagt es, verlorener Menschen Treiben zu verfolgen? Die Bäume verhüllten es lange mit ihren wuchtigen Ästen. Trawies war scheinbar der Mittelpunkt, dort wickelte sich scheinbar eine Art von Gemeindeleben an, aber tief in den Wäldern barg sich und wob ein Anderes. Mancher der Alten von Trawies staunte ja, wie sich das von aller Welt herbeiströmende verworfenste Gesindel allmählich von selbst wieder verloren hatte. Sollte es sich zu gut fühlen für Trawies oder sollte es noch Ärgeres suchen?

      Der Tärn war wie ein gothischer Bau gegen den Rundbogenstil der Laubwälder draußen im Lande. Der Tärn war eine dröhnende Orgel im Gegensatze zu den säuselnden Büschen der Niederungen; der Sturm zog daran den Blasebalg. Der Tärn war die Nacht, andere Wälder waren die Dämmerung. Der Tärn bestand zumeist aus Fichten, die nicht von Menschen gepflanzt worden waren, die in wilder Zucht dem Samen ihrer Väter entsprossen auf der braunen Erde standen. Seit Menschengedenken und Sagen hatten die Hochwaldungen des Tärn gestanden; Stürme, Schneebrüche, Waldbrände und Holzfäller vermochten diesem Walde nicht viel anzuhaben; alljährlich schlüpften die rothen Kätzchen und die braunen Zäpfchen hervor aus dem Gezweige, wehte der Fruchtstaub durch das harzige Geäste, flogen die beschwingten Samen nieder in das Moos der Gabelzähne und des Widerthrons, und zwischen den Wurzeln der alten keimten junge, und die morschenden Stöche wurden Wiegen für neue Stämme; hoch oben neben den geknickten Kronen wuchsen frische Wipfelchen und aus jeder Wunde quoll urkräftig neues Leben.

      Mancher vom Sturme hingeworfene Baum, dessen filzige Wurzelscheibe hoch gegen Himmel stand, grünte eine Weile noch fort auf seiner Bahre und wollte nicht eher versterben, als bis er aus seinem bemoosten Körper neue Sprößlinge in heller Jugendfrische erstehen sah. Andere freilich gingen zugrunde an der Fruchtbarkeit ihres eigenen Bodens, sie wurden harzlos, herzlos, kernfaul. Wieder andere Bäume hier waren übermüthig und standen auf Stelzen, als wollten sie hoch über die Nachbarn hinausblicken in die weite Welt. Auf alten Stöcken waren sie gewachsen, und als die Stöcke in eitel Erde zergangen waren, da fehlte ihnen der Boden unter den Füßen und sie standen wie auf gespannten Klauen, und unter dem Wurzelgeflechte durch verfolgte das Wiesel die Eidechse und der Wolf den Fuchs.

      Der Schmarotzer gab es im Tärn übergenug. Der Fichtenblattsauger stach in die zarten Zweige, daß sie Auswüchse bekamen; der Kreuzschnabel biß die Blütenzäpfchen ab, das Eichhörnchen that dasselbe; der Rüsselkäfer zernagte die Rinden junger Sprößlinge, und ein Falter war, der sich in dunklen Habit hüllte, ein gleißendes Thier, die Nonne geheißen, der fraß die grünen Nadeln, daß die Bäume lungensüchtig wurden; der Kieferspinner zehrte in beispiellosem Heißhunger das Genadel der Föhren auf; der war ein gefährlicher Feind und gab, um auch die kommende Generation mit Unheil zu versorgen, gern seine unzähligen Eier in die Stämme ab. Da kam aber die Schlupfwespe und legte ihre Eier in die Raupen der Kieferspinner. Wohl gedieh die Schmetterlingsraupe trotz des nagenden Wurmes im Inneren bis zur Puppe, dann war’s ein Schmetterlingsleib mit einer Wespenseele, der Leib sank bald der Erde zu, die junge Schlupfwespe aber flog lustig

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