Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 201

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

gleichwohl der Sonnenbrand auf Augenblicke sich dämpft, um dann aber noch heißer hervorzubrechen – hört man etwas, als ob in der Ferne ein Wagen über die Brücke der Trach rollte. Er ist bald darüber hinweg, dann wieder Stille, und die Bäume stehen bewegungslos, von der Hitze erschlafft, erstarrt. Über den Trasank hat sie eine mattgraue Wand aufgebaut, und so oft deren vorgeschobene Kuppen vor die Sonne wachsen, geht ein fahler Schatten über das Waldland, und wenn die Sonne wieder aus den bewegungslos scheinenden milchweiß beränderten Wolken hervortritt, ist die Nebelwand um so finsterer, als käme heute die Nacht durch leuchtende Ungeheuer einmal vom Untergang her der Sonne und ihren glorreichen Schaaren feindlich entgegengezogen.

      Wahnfred schließt die Augen, er sinnt, wie es wäre, wenn die Natur einmal in Lähmung verfiele und der Erdball stünde still, und die Sonne stünde auf dem gleichen Flecke und müßte brennen, immer gleich fort brennen. – Drei Nächte nimm hinweg und es ist alles todt ....

      Von Neuem rollt der Wagen, er ist näher, die Brücke ist länger.

      Wahnfred schlägt die Augen auf, wie ganz anders sieht’s jetzt am Himmel aus! Zerissene, weiße und dunkle Wolkenballen, dahinter gedämpftes Grau, in welchem die Sonne bereits ertrunken ist. Über die Zinnen des Trasank wälzen sich schwer und düster ungeheure Wolkenmassen und fahren nieder an dem finster blauenden Gewände und schlagen an die Höhen des Ritscher und der Wildwiesen.

      Es murren Donner, der Schall vermag die dichten, rasch ins Thal sinkenden Nebel nicht zu durchdringen und schlägt wie ein halbersticktes Röcheln ans Ohr. Die Blitze zucken nur in schwachem Schimmer durch die Nebel, aus denen hier und dort weißes Geflocke hervorspringt. Die gegenüberliegenden Berge sind nicht mehr zu sehen.

      So finster ist es, daß zwischen den Zweigen der Hagebutte zwei Leuchtkäfer schimmern. Noch schreit eine Amsel, man weiß nicht zur Warnung oder zum Gebete. Ein Geier schießt ins Gewipfel nieder, der hat sich auf seinem Raubzuge in die Nebel verirrt und ist von einem Windstoß bodenwärts geschleudert. Nun fährt’s an, von oben her und den Berg heran kommt’s in finsteren Haufen, die Bäume pfeifen und rasen, das Gevögel flattert angstvoll auf. Im Heidekraut selbst saust der Sturm und schleudert Sand und Erde empor. Ein blendendes Feuerband schlägt in den Lüften ein ungeheures Trudenkreuz, und wo es schmetternd zur Erde fährt, da lodert ein Baumstamm. Ein Meer von Nebel wallt, fliegt zerzaust und zerfetzt zwischen den krachenden Bäumen. Die Wolken brechen und fallen in Fluthen nieder. Jetzt springt Staub, Moos und Reisig empört zur Höhe, jetzt ist es von wuchtigen Eiskörnern tief in den Boden geschlagen, und jetzt fährt alles, Halm und Ast, Stamm und Stein in braunen, brandenden Bächen lawinenartig der Tiefe zu. Wahnfred sieht nichts mehr als das wirbelnde Grau, von rothen Lichtern durchfahren, hört nichts mehr, als das Brausen wie auf wilder See. Das Rollen der Steine, das Stürzen der Bäume, das krachen der Blitze, es ist Eins geworden. Wie wenn der Hauch eines Gottes die Schöpfung wieder in ihr ursprüngliches Chaos zerblasen hätte, so wogen die Elemente durcheinander, als sollten sie sich eins im anderen lösen.

      Wahnfred ist hingeschleudert worden in junges Dickicht, Hören und Sehen vergeht ihm, aber die Pulsschläge seines Herzens klingen in wundersamer Weise. Du armes Menschenkind! Du hast auch gehaßt; wie kindisch war Dein Neid, wie ungezogen Dein Zorn, wie kleinlich Deine Bosheit gegen diesen Zorn der ewigen Gewalt, die mit Einem Schlage alles rächt, alles erlöst. – Du hast auch geliebt! Welch wässerige Glückseligkeit, welch ängstliche Eigensüchtelei, welch schwacher Muth, welch träge Leidenschaft gegen die weltverzehrende Gluth, die alles vereint und in der Vernichtung alles gebärt. Deine Leidenschaft ist ein Sturm im Glase – und du wagst Den, der da in ewiger Größe zürnt und zerschmettert, armseliger, menschlicher Motive zu zeihen! Du wimmerst um sein Erbarmen, oder du ballst die Faust, um, bevor du untergehst, seiner Brust einen Schlag zu versetzen. O, du bist kindisch, du siehst deinen Feind im niedersausenden Eise und weißt es nicht, wie lange sich die Tropfen gesträubt haben, bis sie der Frost erstarrt, der Sturm hingeworfen hat. Du meinst, der Sturm wolle dich verderben und denkst nicht daran, wie verzweifelt die ungleichen Wärmeschichten miteinander gerungen haben, bis die wilde Jagd der Lüfte anhub. Und der Lüfte Schlachtenplan, er wird gemacht bei den Sternen. Alles und alles liebt die Ruhe wie du. Der Alleinige vernichtet und baut absichtslos, er will sich nicht nützen und dir nicht schaden – du bist ja sein, bist ein zitterndes Härchen an seinen grauen Locken. Du bist ein Blatt im Kartenspiele und wirst auf deinen Posten gestellt, jetzt gewinnst du, jetzt unterliegst du, jetzt wirst du miteingemischt und bist so viel und so wenig, wie jedes andere. Du bekämpfest scheinbar die übrigen Blätter und sie bekämpfen dich, aber ihr gehört zusammen und für das Ganze kann das Spiel nicht verloren sein. Unheilvoll ist nur jene Gefahr, die der Mensch sich selbst bereitet, denn auf solchem Wege begegnet ihm das böse Gewissen. Im Streit der Elemente mag er ruhig sein; in welche der auf- und niederspringenden Wagschalen er auch geworfen wird, er dient dem Gleichgewichte, es wird wieder das Ebenmaß herrschen und das Zünglein friedlich nach aufwärts deuten, wo des Ewigen Hand an der strahlenden Sternenkette die Wage hält .... So das Sinnen des gottsuchenden Wahnfred. »O, du Narr!« rief er einst zu sich lebst, da er fühlte, wie es in seinem Haupte wirr war.

      »Narr?« fragte er sich dann. »Wer? Ist es es denn Narrheit, bei Ihm sein zu wollen? Die Mär erzählt, der Alten Gott hätte Donar geheißen. So rufen wir heute noch aus: O, Gott! oder: Donar! Und die Leute verstehen: Du Narr! Worte entarten wie Geschlechter. Donar hat Blitze geschleudert – im Feuer find’ ich ihn wieder!« –

      Der Sturm ist vorüber. Die größten Bäume des Waldes sind gebrochen, tief unten über die Wiesenflächen wälzt sich noch der Schutt, brausen noch die braunen Wasser. Hänge sind blaß und kahl, das Blätterwerk ist zu Thale geschwemmt. Der Trasank steht in scharfem Bilde da, leichte Nebelflocken schweben an seinen Wänden und die Luft ist kühl wie Kellerhauch. Das Thal der Trach ist weiß; ein Stück Winter ist krachend hingeworfen worden. Die Berge jenseits stehen in voller Klarheit, keiner ist gestürzt, über den Waldungen steigt da und dort ein blaues Rauchwölklein auf. Leichte Streifen durchziehen den Himmel, die hingehende Sonne lächelt ein »Gute Nacht« zurück. Fern über das Flachland grollt die Wetternacht dahin und auf ihrem stahlgrauen Grunde, wie aus den gezähmten Flammensplittern der Blitze gebaut, steht das hohe Halbrund des Regenbogens.

      Wahnfred geht seiner Hütte zu. Was ist die Luft so rein! Keine einzige Mücke, kein Schmetterling, kein Heupferdchen mehr! Wer die Millionen der kleinen Todten zählen könnte! Da ist ein Weltgericht vorbei.

      Nun kommt die ruhsame Nacht. Alles im Frieden, nur aus dem Thale dringt lauter als sonst das Rauschen der Trach. Die Wildwässer haben auch jene Schrift ausgelöscht an der Dreiwand. Aber Wahnfred sitzt ruhelos in seiner Hütte und sinnt und träumt- Fast will er heute vergessen auf die Vergangenheit; er denkt daran, was werden soll. Er möchte die Bande zerreißen, die ihn an die Vorfahren und ihre Satzungen binden, durch sie geleitet, hat er der Gemeinde Trawies die Religion getödtet. Einen neuen Gott muß er ihr suchen ....

      Tief war es schon in der Nacht. Die schlaflosen Augen des Mannes, der vor der Hütte saß, irrten in die Gegend hinaus. Da sah er unten am Hang zwischen den Stämmen ein Lichtlein flimmern. Es glitt langsam hin und her, es kam näher. Und als es nahe war, trat über das Flämmchen rosig beleuchtet ein überaus schönes Mädchengesicht hervor.

      Sela trat vor ihn hin und sagte die Worte: »Der Feuerwart übergiebt das Feuer.« – – –

      Sela war nicht zu bewegen, im Haus auf dem Johannisberge die Stunden der Nacht abzuwarten. Allein, wie sie bergwärts gestiegen war, stieg sie thalwärts. Die hohen Tannen standen so starr und hoben noch höher ihre knorrigen Kronen, seitdem sie wieder einen Strauß mit dem Sturme so glücklich ausgefochten. Zwischen ihrem finsteren Geäste glitt das weiße Mondlicht nieder, wohl eine mangelhafte Leuchte für die Wanderin, welche ihr Licht auf den Berg getragen hatte und nun in Wald und Nacht still und zitternd zurückschritt. Oft strich ein Mondenstrahl über ihre gestalt und da leuchtete es wie tropfender Thau über ihren Wangen.

      Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt, nun durfte sie ihr Eigen sein,

Скачать книгу