Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Glaube sagt, daß er gerecht und barmherzig ist, ich würde der Noth da unten noch heute ein Ende machen. Sind nicht die Wuchten des Trasank, die Meere der Wolken, die Feuer der Himmel in meiner Hand! Übers Jahr blühten aus der Zerstörung wieder die Blumen, und es wäre gut.

      Es wäre gut!

      Wenn Einer aus dem Geschlechte der Menschen – irgend Einer – plötzlich Allmacht hätte, es wäre besser für uns, denn so, da ein Etwas über Allem ist, das nicht versteht und nicht verstanden wird, das mit Herzen herzlos spielt, das nicht lächelt, wenn wir kurze Lust haben, nicht weint, wenn wir untergehen. Ein Ungethüm ist’s, falsch, gefährlich, berückend, denn es nennt sich Gott.

      Der gute Gott!

      Der liebe himmlische Vater, der die Erde mit einem Sternenkranze, die Welt mit einem Sonnenmeere umgiebt, damit solch äußere Pracht seinem Auge zum Wohlgefallen sein. Was darinnen ist und leidet und verzweifelt, ihm gilt es gleich. Wer auch stellt ihn dafür zu Gerichte, er ist der Stärkere, und um den rohen Gebrauch seiner Kraft zu beschönigen, nennt er sich den alleinig Weisen. Nennt er sich?

      Waren es nicht die menschlichen Knechteseelen, die aus dem uns unbekannten Etwas einen gütigen, allmächtigen und allweisen Gott herausgeklügelt haben? O, der Trägheit, die sich für das, was sie selbst thun und sein sollte, einen Gott beilegt, der es für sie thut und ist! Gott hat Menschengestalt angenommen, um die Welt zu erlösen. Ich habe einen Pfaffen gekannt, der so fromm war, so fest im heiligen Glauben, daß er wußte, wie Gott auch dann die Welt erlöst hätte, wenn er als Kürbis aus der Erde hervorgewachsen wäre. Und so viel Vernunft haben sich es die Leute kosten lassen, um einen Gott herzustellen, der für sonst nichts zu brauchen ist, als zum Schrecken armer Seelen. –

      Das war eine der verschiedenen Stimmungen, welche den armen Mann durchzogen. Zu anderen Stunden dünkte ihm alles wieder anders.

      Wenn es mir blos nach dem Himmel gelüstete, sagte er sich einmal, so erbettle ich ihn nicht von Gott, sondern von den Menschen. Vom Kind die Unschuld, vom Jüngling die Schönheit, vom Manne die Kraft, vom Greise die Güte, das zusammen gäbe den Himmel auf Erden. Der wird mir versagt. In meiner Macht liegt es, daß ich sühne, daß ich im Geiste so werde, wie ich mir gefalle. Das ist der Himmel und Gott in ihm. –

      Es war im Hochsommer. Wahnfred strich durch die Wälder. Bisweilen vergaß er ans gehen und hörte dem Zirpen eines Vogels zu, der in dichtester Gruppe des Tannichts sein Heim hatte, ein Heim, an dessen Pforten die Spinne ihr Gitter geschmiedet. – Der Mensch versteht in der Regel an fremdem Sange nur das, was er selbst schon erfahren oder empfunden; im wortlosen Liede, in der Musik findet er genau so viel, als er selbst hineinzulegen hat. Und so war Wahnfred, der Gottsucher, auch geneigt, des Vogels helle Stimme für eine Offenbarung zu halten.

      Er schritt über grüne Waldwiesen hin, der hohen Bäume blauer Schatten, in Sommertagen nur kurz, besäumt mit seinem Walddufte mild den Rand. Ein Meer von fliegenden Thieren erfüllt die Luft, von der kleinen Mücke bis zum langspießigen Hornuß, von der klingenden Waldbiene bis zum schillernden Schmetterling, vom hüpfenden Heupferdchen, von der zarten Halmfliege abwärts bis zu jenen ungezählten Insecten, welche die Mücke noch für einen Elephanten halten und welche des Wanderers gestalt wie winzige Stäubchen umgaukeln – sie alle zusammen geben wohl den Schleier, welcher an heißen Tagen über der Gegend liegt. Was hat da der seidenfeine Fliegenschnapper für gute Zeiten! So oft er den Schnabel aufthut, verirren sich in denselben ein paar Dingelchen, die am Vormittag geboren werden, zu Mittag Hochzeit halten und Nachmittag verunglücken. Erlebt eines davon die Stunde, da die Schatten sich dehnen über die Wiesen hin, so fröstelt es im hohen Alter und ist vergangen, ehe noch das Sonnengold von den Wipfeln der Bäume schwindet.

      Von solch kleinen Feinden umsummt, lag Wahnfred oft hingestreckt im Grase, niedergedrückt von der Schwüle des Tages, von der Schwere der Empfindungen. Träumend richtete er sein Antlitz aufwärts und betrachtete die Traumbilder des Himmels. – Oder wären die Wolken, die phantastischen, ewig mannigfaltigen, die bald in zarten, lichtvollen Gestallten, bald in finsteren Zerrbildern hingegossenen, wallenden, im Werden vergehenden, im Vergehen werdenden Erscheinungen nicht die Träume des Himmels? Sie ziehen von Westen nach Osten – der Himmel träumt vom Morgenlande, von jenem Paradiese, welches er voreinst geschaut hat, liebesinnig mit seinem blauen Auge, welches er mit seinen Strahlen und mit seinem Thau geküßt hat, wie seither keine Braut mehr auf der ganzen weiten Erde.

      O Jugend der Welt! Alles Gestirne geht den ewigen Lauf vom Morgen zum Abend, nur die Wolken ziehen den Weg zurück, ein sehnsuchtsvolles Erinnern nach Dir, vergangene Jugend der Welt ....

      Auch Wahnfred hatte eine Seele, die lieber nach rückwärts schaute, als nach vorwärts. Häufiger als je dachte er an das am Fuße seines Berges ruhende Gestade. Dort war seine Mutter, dort war sein Weib, dort war sein Kind gewesen, dort hatte er ein Kind gehabt. Alles liebliche Glück war dort gekommen und hatte ihn besucht in seiner kleinen Werkstatt. – Alles ist vorbei, um jener heiligen Zeit willen hat er nicht das Recht, der Welt zu fluchen. Er war der redlichsten Freundin des Menschen, der Arbeit, untreu geworden, er war grob abgewichen von den Wegen der Friedfertigen – eine gute Weltordnung muß es sein, welche die böse That so strenge sühnt.

      Und er hat doch wieder Freude, denn eine Offenbarung geht ihm auf, er beginnt in der Natur die Schönheit zu sehen. O Menschenauge, wie schön giebt sich dir die Erde!

      Sein Blick fliegt in das Bergrund hinaus weit über den Flammenring, die Sonne leuchtet dort nicht heller als hier, der Himmel wölbt sich wie ein schirmend Zelt über alles. – Reicher Träumer du! Kennst du das Herrscherpaar über die Gegend, so weit der Blick reicht? Deine zwei Augen. Dem Gärtner gehört wohl der Apfel, aber dir der grüne, säuselnde Baum; ihm gehört vielleicht der Stamm, dir der weite, blauende Wald. Anderen gehört das Einzelne, dir das Ganze. Prangt der Garten, hast du den Genuß; geht er zugrunde, hat ein Anderer den Schaden. Jene nennt man reich, dich heißt man arm. Jenen zieht die Welt zu ihren Säckeln ein, dir zu Deinen Sinnen.

      Traurig bist du? Ei Laß, so schreit der Uhu. – Hunger hast du? Geh, so singt der Rabe. – Nach Leben dürstet dich? Weißt du, was ein Bergquell ist? Wenige wissen es, Wenige sind werth, es zu wissen.

      Alles was aus den Brüsten der Natur hervorgeht, ist klar und rein. Vielleicht war auch der Quell der Menschheit einst hell und frisch, und der Strom hat sich nur getrübt auf seinem weiten Laufe, da er den Staub der Welt mit sich riß, hat sich in den planlosen Weiten verloren, in steten Wellenkämpfen verbittert, so wie das Wasser des Meeres bitter geworden, welches erst wieder zu seiner Reinheit gelangt, bis es in den Wolken gegen Himmel gestiegen, zur Erde gefallen und aus derselben neuerdings hervorgegangen ist ....

      Erlösung in der Auflösung und nach dem Hinfalle bessere Urständ’, dahin zielten unwillkürlich, wie der Magnet nach dem Norden, all seine Gedanken. –

      Weit hinter den Bergen, im sonnigen Flachland, schimmerten gelbe Flächen. »O glückseliges Land, wo die Glocken und die Sicheln klingen!« rief Wahnfred aus. Ja dort ist Frieden, dort ziehen die Schnitter zur Ernte, und das Erdreich hat seine arme, seine Brust geöffnet, bietet all seine Früchte, sein Blut, sein Herz dar; so dankbar ist es, daß man ihm vertraut hat in den ersten Lenzen, da so Vieles noch starr war und grau, und der Landmann sein Korn in die feuchte Scholle gelegt hat. Mit Kornblumen und mit den Purpurblüthen des wilden Mohn hat sich das Feld für seinen Opfertag geschmückt, mit erdwärts geneigtem Haupte erwartet der Halm die Sichel ....

      Wann wird zu Trawies wieder Ernte sein? –

      Erstarrt sind nun die Traumbilder da oben, als wäre der Himmel in tiefsten Schlaf gesunken. Die wandernden Gestalten sind ohnmächtig geworden auf ihrem Wege gegen Morgen hin, noch drängen die hinteren nach und in der Stockung schiebt sich eine in die andere; eine steht der anderen vor dem Licht und sie erblassen und verdüsteren sich und liegen grau und schwer wie heißes

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