Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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nutzt das Verzweifeltsein,« seufzte er, »kein Herrgott kann’s mehr ändern. Die Arbeit muß den Menschen halten!« Und er kauert sich in den Webstuhl und hub an zu webern und zu poltern, daß die Männer am Tische ihr eigenes Wort nicht verstanden, und der Bursche unter dem Bahrtuche konnte niesen und husten nach Herzenslust. Doch that er nicht mehr, als nöthig war. Die Fremden erhoben sich endlich; Einer von ihnen nahm die Alte am Arme und sagte: »Die Leich’ aufdecken!«

      »Wem darnach gelustet, der soll’s nur selber thun,« versetzte das Weib. So ging er zur Bahre, zog das Tuch ein wenig vom Haupt zurück – ein blasses, entstelltes Antlitz.

      »Ist schon gut,« murmelte der Mann und warf das Tuch wieder über das Haupt. »Es ist der Sohn von unserem Hauptmann.«

      »Mord um Mord, das ist die Wiedervergeltung!« flüsterte ein Anderer in der Rotte.

      Da verließen sie schaudernd das Haus. Als sie fort waren, trocknete sich das Weib den Angstschweiß. Der Bart sagte: »Ich habe ein heißes Gebet gemacht, daß es gut vorbeigehe. Jetzt, Erlefried, stehe auf.«

      Der Bursche stand auf, reinigte sich und murmelte: »Das thue ich nimmer.«

      »Wirst es auch Rath haben,« sagte das Weib; »Du bist ihnen todt und sie lassen Dich in Ruh’, Und besser werden muß es doch wieder einmal.« –

      Von dieser Zeit an war keine Frage mehr nach Erlefried, dem Sohn des Schreiners. Ja, Wahnfred selbst war eine Zeitlang im Glauben, sein Kind wäre von Räubern erschossen und auf der Höhe begraben worden. Er hatte keine Klage; er hielt es für ein Gottesgericht und weinte Thränen der Dankbarkeit, daß Erlefried in seinen schuldlosen Jahren der Drangsal entrückt worden sei.

      Wahnfred hatte bisweilen das Gefühl der Stumpfheit; er war muthlos. Er ergab sich und hielt sich nur mehr als das Sühneopfer von Trawies, über welches alle Qualen kommen müßten, bis die letzte, tödtende ihm Ruhe bringen konnte. – Er wußte es aber selbst nicht, daß er noch so thatenkräftig war; sein Leben, das er nach außen abschloß, kehrte sich in sein Inneres. Er suchte in den alten Offenbarungen und in den neuen Träumen eine Leuchte für die grauenvolle Nacht, die ihn und seine Mitgenossen umgab.

      Aber die Bibel war ihm verhaßt geworden; sie hatte ihn verführt, sie hatte ihm sozusagen das Mordbeil in die Hand gegeben. Die zornigen Gesetze des alten Bundes, hatten sie ihn nicht geradezu aufgefordert, die That zu vollbringen? Auch in den Schriften des neuen Bundes fand er kein Heil. Aus ihnen, die das Vermächtnis der Liebe genannt werden, war ihm und der Gemeinde dieser gräßliche Fluch geschöpft worden. Das alte Testament gab der Gemeinde Trawies den entmenschten Missethäter, das neue den entmenschten Richter. In heißer Sehnsucht forschte Wahnfred nach einer neuen Offenbarung. Er kam sich vor, wie ein Moses in der Wüste, der sein verlorenes Volk einer besseren Zukunft entgegenführen sollte und nach Wegen und Satzungen sucht, an welchen das Treiben der Irrenden Halt gewinnen möchte.

      In einer Nacht nach grauenvollem Tage, da er so verlassen in dem weiten Gehöfte des Feuerwart auf seinem Schaube lag, kam ihm ganz plötzlich – als hätte es eine fremde Stimme gerufen – in den Sinn, der Menschen Ringen sei allvergebens, die Welt gehöre dem Teufel. – Stand es nicht auch ähnlich in jenen »Offenbarungen eines frommen Einsiedlers«, die er in der Klause des Ritscher vorgefunden? Er hatte den Gedanken von sich gewiesen, aber nun zu Trawies so ungeheuerliche Beweise von der Richtigkeit desselben erfahren, daß er ihn neuerdings aufnahm, daß er ihm nachzuhängen begann Tag und Nacht.

      Aber weiter hieß es, daß Gott sprach: Überlassen wir die Entscheidung dem Menschen selbst. Er soll wählen zwischen Erdengluth und Sonnenlicht. Entsagt er der Erde, vermag er es, sich seiner selbst zu entäußern, freiwillig zu sterben, so ist er mein.

      Wahnfred beschloß, das Haus an der Trach zu verlassen, den Trawieser Leuten, die Verbrechen auf Verbrechen häuften und ihn ihren Hauptmann nannten, zu entfliehen, nicht über den Flammenring hinaus, sondern um in größerer Einsamkeit dieser Wälder der seltsamen Offenbarung nachzuhängen und vielleicht aus derselben dem verworfenen Volke zur Rettung eine neue Lehre zu entwickeln.

      Fast auf der Höhe jenes Berges, der Johannesberg genannt wird, nur ein wenig gegen den Hang hin, auf dessen rotbraunen Grund die aufgehende Sonne fällt, wenn die übrigen Höhen noch im Schatten stehen, und von welchem man das waldige Trawies so hoch und weit überblickt – stand zu jener Zeit eine Menschenwohnung. Es war die aus Holz gezimmerte Hütte eines armen Weibes, welches zur Zeit des Sommers die auf dem Berge weidenden Herden der Trawieser Bauern überwacht hatte. Das war die Witwe eines Holzers gewesen und Niemand hatte sich des Weiteren um sie und ihr Kind gekümmert, so wie auch sie wenig danach fragte, was im Thale vorging. Die Aufmerksamkeit der Leute wurde erst erregt, als man durch einen Zufall in Erfahrung gebracht, daß ihr Kind zu einem außerordentlich schönen Mädchen herangewachsen sei. Und eines Tages fand man die Witwe erdrosselt in ihrer Hütte, und das Mädchen war spurlos verschwunden.

      Wenige Tage lang besprach man das Ereignis, welches in dem vielbewegten Trawies aber bald durch neue Seltsamkeiten verdrängt wurde. Niemand ward bewogen, der geheimnißvollen That nachzuspüren; das todte Weib wurde in die Erde gescharrt, die Hütte stand leer und der Wind schlug die Thür derselben ächzend auf und zu.

      Dieses Dach fand Wahnfred auf seiner Suche nach einem einsamen Aufenthalte. Er wählte es, um unter demselben als Einsiedler den Spuren der ewigen, rettenden Wahrheit nachzustreben.

      Den Trawieser Leuten hatte er gesagt, er gehe nun davon, sie möchten nicht forschen wohin. Er werde ihre Thaten sehen und zu seiner Zeit wieder unter ihnen erscheinen in der Herrlichkeit und in der Gewalt.

      Er sah, wie sie da aufhorchten, er sah ihren Hang nach Geheimnisvollem, so wie er in den Verstoßenen schon längst das innere Bedürfnis nach religiösem Cultus wahrgenommen hatte. Insgeheim mochte ihnen doch etwas bange sein, gleichwohl es ein ganz Anderes war, was sie wollten, als was Wahnfred suchte. Sie wollten mit allen Sinnen genießen; Wahnfred suchte den Frieden des Herzens. Sie wollten den Himmel; Wahnfred suchte Gott.

      Sie beschworen ihn, daß er fürder ihr Hauptmann bleibe – das war ja ein so bequemes Oberhaupt, eben nicht mehr als ein Zeichen, dessen sie bedurften, das Wahrzeichen des »befreiten und freien Trawies«. Was er litt, sie wußten es nicht, was er plante, sie ahnten es nicht, sie waren aus anderem Holze, als das in eines solchen Schreiners Werkstatt ist.

      Und Wahnfred lebte nun in der Hütte, die auf dem Berge des Johannes stand. Er grübelte, er träumte. Jene wunderliche »Offenbarung« keimte, wob in ihm fort, gährte, läuterte sich, wurde lebendig. Schließlich war es freilich ein Anderes, was da aus der Seele des Schwärmers hervorstieg. Und da Wahnfred Monde lang verborgen war, fand sich eines Morgens am Fuße der Dreiwand, fast dort, wo man dem Volke von Trawies Kirche und Himmel ausgelöscht hatte, auf dem glatten Stein gezeichnet folgende Schrift:

      »Eins: Gott schuf die Himmel, und die Engel als Einwohner der Himmel. Der Engel Leben war Hoffart gegen Gott.

      Zwei: Gott verstieß die Hoffärtigen, die bösen Geister in eine Ödnis, so die Erde heißt. Da leben sie in Leibern aus Lehm und sind anheimgestellt aller Drangsal. Sie sollen sühnen die Hoffart durch Demuth, die Selbstsucht durch Selbstaufhebung, bevor ihr Leib wieder in Lehm sich löset.

      Drei: Denen das gelingt, die steigen auf in die ewigen Himmel; denen es nicht gelingt, die kehren von Neuem ein in irdischen Leib. Und sie kehren so lange zurück zu Noth und Tod, bis sie klar sind.«

      Durch die bethauten Bäume flossen Sonnenstrahlen nieder auf den Stein, und die Leute standen dabei und betrachteten die Schrift und wurden aufgeregt, als sie sich deren Sinn zu erklären suchten.

      »Ja, ja,« sagte der Jäger vom Trasank, »mir schwant allweg, ich bin schon einmal auf der

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