Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Dir zur nächtlichen Weile nicht vertrauen, Sela, Du meine arme, geliebte Sela!«

      Und wenn sie dann wirklich schlief und auch ihn die Erschöpfung zu übermannen drohte, legte er viel Holz auf das Feuer, daß es in der Hütte der Schlucht oft um Mitternacht gar unheimlich leuchtete und prasselte, während die zwei Bewohner derselben schlummerten.

      Einmal, als der Feuerwart wieder plötzlich aufzuckte, brannten die Querbalken, die als Stützen und zum Aufhängen von Kleidungstücken durch das Haus gezogen waren. Lustig hüpften die Flammen weiter und strebten dem Dache zu, als wollten sie aus so langer Haft endlich entfliehen. Aber der Feuerwart brach noch zu rechter Zeit die Brücke ab; er war aufgesprungen, hatte mit der Axt die Balken rasch entzwei gehackt, daß die Brände praßelnd niederbrachen auf den Lehmboden und dort an feuchter Erde rauchend verloschen.

      »Wo hast Du denn hingewollt?« fragte der alte Weißbucher das Feuer. »Ich vermeine, Du willst der Trawieser Gegend entfliehen. Auf solche Weis’, dächte ich, wir gingen mitsammen. Oder willst Du einen Kampf mit dem Flammenring anheben? Wohlan, wohlan! Flieg’ aus, erfasse die Wälder des Tärn, des Ritscher, und schleudere die Brände auf Trawies. Ergreife, schmilz die Wände des Trasank und leite die Feuerbäche durch das Thal der Trach. Verschone auch nicht mein Haus, denn wir sind Mörder. Vernichte das Nest des Lasters, erlöse und von dem Fluch, den sie auf uns geworfen haben. Und wenn das geschehen ist, dann kehre wieder ein in die friedliche Wohnung besserer Menschen und trage den Segen der Alten hinüber in die fernsten Zeiten!«

      Das erwachende Mädchen erschrak, als es den Vater verstört und mit wirren Haaren in der Hütte aufrecht stehen sah, mitten in Rauch und unter glühenden Kohlen – laut Worte sprechend, die es nicht verstand.

      Die Stimme des Kindes befreite den Alten aus seiner Verzückung. Er schloß Sela in seine Arme und weinte.

      So ging es eine Zeit fort. Der Feuerwart wurde hinfälliger von Tag zu Tag, Er mochte auch nicht mehr im Freien sein, das Licht des Himmels that seinem Auge weh und er fürchtete auch, es könne, während er da außen der Sonne nachgehe, daheim das ihm anvertraute Feuer verlöschen. So saß er stets am Herd und wachte und sann.

      Er wußte, daß er sterben würde nach kurzer Zeit. Der Sühne hatte er sich willig ergeben, so fürchtete er sich nicht, der Tod war ihm ein Bekanntes und ein Trautes, eine Gnade Gottes, die Allen gemeinsam ist.

      Nach dieser Welt des Unrechtes, der unruhe und der Leiden ist der Tod eines Jeden Anrecht; ein milder Erlöser, der wieder mit dem Leben versöhnt, weil er sein Unrecht gut macht, seine Unruhe aufhebt, sein Leiden endet. Der Tod giebt das, was wir von dem Leben verlangen; er ist das letzte Band, welches uns loslösend noch einmal mit der Menschheit verbindet, er ist die Pforte, wo wir mit stillem Lächeln Allen begegnen, die für oder wider uns waren auf Erden. Nach den goldenen Tagen der Glücklichen, welch ein schöneres Ende ist denkbar als der Schlummer! Nach dem kummervollen Dasein des Armen, was soll denn kommen zum Trost und zum Entgelte, als die tiefe Rast? Soll sich das Elend in Freude und Lust verwandeln, um wieder vor neuem Jammer zu zittern? Diese Erde ist ja so reich an Sonnenlicht und Freuden, aber erst der Hinblick auf den Tod giebt Allem die Weihe. Nur der Tod macht das Leben schön und das Leben macht den Tod gerechtfertigt. Die Natur widerstrebt freilich so lange sie kann; es ist ja ihre Schuldigkeit, zu leben. Die Schuldigkeit unserer Seele aber ist, den Leib, indem sie diese schöne Welt genossen hat, dankbar und willig hinzulegen zu seiner Ruh’. Unsere Vorfahren haben uns Platz gemacht, haben das, was sie auf Erden errungen, uns zum Erbe hinterlassen. Dasselbe leisten wir den Nachkommen, welche in junger Liebe heute wohl weinen werden um uns, die sie – lebten wir auch nur um fünfzig Jahre länger – von der Erde vertilgen müßten.

      Ich bin’s so zufrieden. Bereut es mein Gott nicht, mir das irdische Licht auf eine Weile geliehen zu haben: ich habe mich nicht zu beklagen. –

      So sann der Feuerwart oftmals; dann fiel sein Auge und sein Herz wieder auf Sela, auf das junge Leben, das da entsprosset neben dem morschen, zur Erde sinkenden Stamm, in das Sonnenlicht empor, in die Maienzeit hinein.

      Sela läßt bisweilen das Auge länger ruhen auf des alten Mannes Angesicht, als sonst. Dieses Angesicht wird so fremd. Er fühlt es wohl, wie schlaff und leer seine Haut über den Knochen liegt. Ist es doch, als ob die Zeit der Knochen beginne. Die Augen sind tief in die Höhlen gesunken und nur selten lechzt ein Blick noch hervor nach anderem irdischen Lichte als dem Feuer seines Hauses. In seinem Herzen ist es noch warm und hell. Freundlich leuchtet ihm die Gluth von ihrem Herde zu. Dieses Feuer ist nicht thatlos vorübergegangen an den Tempeln fremder Lehren, es ist nicht vorübergegangen an den Zwingburgen der Unterdrücker. Doch hat es tausend- und abertausendmal im Frieden den häuslichen Herd erwärmt.

      Immer und immer ist das sein Sinnen, das vom Feuer.

      Bei seinem Scheine hat der Enkel des Großvaters Sagen gelauscht von Odin. Bei seinem Scheine hat der Bräutigam der Braut den Ring vertraut; an seiner Gluth ist das Hochzeitsmahl bereitet worden. In seiner Gluth haben sie das Schwert geschmiedet gegen den Feind. In seiner Gluth ist manches Stäubchen Gold und manches Menschenherz geläutert worden. Du liebes, trautes Feuer aus alten Zeiten, du treuer Freund meines Lebens, nun heische ich bald den letzten Dienst von Dir.

      »Es ist eine Weile,« so sagte der Feuerwart einst zu seinem Kinde, »da sie den Menschen mit Steinen werfen und mit Füßen treten; und es ist eine Weile, da sie vor ihm niederknien und ihre Augen senken. Das erste thun sie, wenn er wandelt und athmet; das andere thun sie, wenn er ausgestreckt liegt auf dem Laden.«

      Das Mädchen verstand es nicht. Er setzte noch bei »Möchtest Du es nie verstehen lernen!«

      Und eines Abends, da der volle Mond zwischen den Felsen und über den Baumwipfeln vor derselben und hielt sein Kind auf dem Schoß.

      »Meine Sela,« sagte er mit leiser Stimme, »Du hast mich lieb.«

      Das Kind machte ein ernstes Gesicht und neigte den Kopf.

      »Und wenn ich Dir heute etwas sage, was Du thun sollst, so wirst Du es thun?«

      Das Mädchen neigte sein Haupt.

      »Und wirst Du es auch morgen thun?«

      »Ja, Vater.«

      »Und wirst Du es immer thun, auch wenn ich es Dir nicht mehr sagen und wiederholen werde?«

      »Was Du willst, das werde ich immer thun.«

      »Dann, mein Kind, bist Du mir heute und immer lieb; auch dann noch, wenn ich es Dir nicht mehr sagen werde, daß Du mir lieb bist. Denn siehe, meine Sela, es wird eine Zeit sein, da werde ich schlafen. Als die Mutter schlafen ging, warst Du in Deinem Bett, ich habe Dich nicht wecken wollen. Gehe morgen und in den nächsten Tagen nicht viel in die Beeren hinaus. Bleibe hübsch bei mir und flicht. Wenn ich auf der Reisigbank sitze und schlummere, so horche auf mein Athmen. Ich werde schwer Athem holen, so wie es ein Erschöpfter thut, wenn er seine Last hat abgelegt. Dann, Kind, wenn Du diese Athemzüge wahrnimmst, dann zünde am Ahnfeuer die Kerze an, die in der Lade liegt, und gieb sie mir in die Hand. Und sage nichts, sei fein still, denn Du sollst mich nicht wecken. Die schweren Züge werden bald vorüber sein, dann werde ich ganz still und ruhig schlafen. Sollte ich, mein Kind, vor diesem Schlafe vergessen haben, meine Augen zu schließen, so lege Deine Fingerspitzen auf die Lider. Und ist das alles geschehen, so nimm das Kerzenlicht aus meiner Hand, thu’ es in die Laterne, die über dem Bett an der Wand hängt, und gehe damit aus dieser Hütte fort und hin in die Trawies, wo wir gewohnt haben und wo jetzt der Wahnfred sein Haus hat. Dem Wahnfred reiche das Licht und sage: ›Der Feuerwart übergiebt das Feuer.‹«

      Zu jener Zeit, da der Schreiner Wahnfred nach Trawies zurückgekehrt und Gallo Weißbucher sich

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