Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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er hätte seinen Urtheilsspruch wohl selbst vollziehen können, wenn er stärker gewesen wäre, als die ihm plötzlich trotzig und höhnisch entgegenjohlende Rotte.

      Wahnfred trug es, verwand es. Er blieb der Mittelpunkt von Trawies und hoffte auf eine Wendung, und wäre es auch die, daß eines Tages der Feind einbreche in den verbannten Kreis und die Unseligen allesammt – auch ihn, ihn vor Allem – vernichte.

      Aber sie vertheidigten ihre Burg. Die große Zerfahrenheit, die auch draußen herrschte in aller Herren Länder, die Glaubenskämpfe, die Einfälle der Asiaten, die Pestgefahr nahmen alle Kräfte in Anspruch, man vertheidigte sich eben nur zur Noth gegen die Räuber aus den Trasankbergen, ließ es aber in Trawies gehen, wie es ging. Die Grenze blieb gesperrt, die Bevölkerung selbst hatte die Wache übernommen und schlug in ihrem Fanatismus gegen die Ausgestoßenen, wie bereits angedeutet, sofort Jeden todt, der sich über die mit Stricken und angekohlten Baumstämmen gezeichnete Linie hinausgewagt hatte.

      Mehrmals schon hatte Wahnfred eine Bittschrift abgefaßt, einen erschütternden Schrei an die Menschen um Barmherzigkeit. Und er war die Bewohner von Trawies angegangen um ihre Unterzeichnung.

      »Sind wir Kinder, daß wir um die Ruhte betteln sollen?« fuhren sie ihn an, »wir haben kein Verlangen nach Robot und Stock. Hängen thäten sie uns. Das können wir selber, wenn’s aufs Letzte geht.«

      »Ihr habt wohl vergessen, daß es auf der Welt noch Männer giebt,« rief Wahnfred einmal, »wenn sie Gnade versprechen, so werden sie Gnade geben.«

      »Wir brauchen keine. Uns gegen die Türken hetzen, das wäre ihre Gnade.«

      Da versuchte es Wahnfred mit List. Er ging zu den Älteren, zu den Eingeborenen von Trawies, in denen er noch Gerechtigkeitsliebe vermuthete, in denen die Sehnsucht nach geregelten Zuständen, nach Gesetzbuch und Evangelium brannte – freilich, Solcher gab es nur mehr wenige – aber zu ihnen ging Wahnfred und ließ sein Bittgesuch um Aufhebung des Anathemas unterschreiben.

      »Bereitet Eure Waffen,« sagte Einer, »vielleicht werdet Ihr Euren Namenszug mit der Faust schreiben müssen!«

      Sie bereiteten ihre Waffen, Werkzeuge des Waldes, des Feldes, der Wiesen, die im Verrosten waren; sie verbargen dieselben in den Winkeln ihrer Häuser und Höhlen, unter ihren Lagerstätten und waren des Aufstandes gewärtig.

      Wahnfred aber sammelte Unterschriften und Kreuze, und als Einer zeichnete, so that’s auch der Zweite, der Dritte; die Wenigsten konnten ihren Namen schreiben, sie machten Kreuze, und bald war der große Bogen angefüllt mit Unterzeichnungen.

      Wahnfred jubelte im Herzen. Er war der Überzeugung, daß die Aufhebung des Bannes nicht versagt werden könne, wenn man sehe, die Trawieser Leute wollen sich zur Buße wenden und sich wieder der allgemeinen Ordnung fügen. Er selbst sehnte sich – nach dem Schaffot. Sein Richter hat keinen anderen Spruch, als das klingende Beil. Aber bevor Wahnfred die Stufen hinaufsteigt, wird er noch einen Fußfall thun vor dem Papste, vor dem Landesfürsten um Gnade für die durch ihn so elend gewordenen Leute von Trawies.

      Wahnfred traf Anstalten, die Abgeordneten mit der Schrift, in der Trawies für alle Zeit Treue gelobte, abzusenden und ihnen über die Grenze ein gutes Geleite mitzugeben, da fragten sie ihn plötzlich, was er denn vorhabe?

      Er las ihnen das Bittschreiben noch einmal vor, sie lachten auf. Er berief sich auf ihre Unterschriften.

      »Wo?« fragten sie.

      Er wies auf die unzähligen Kreuze.

      »Das ist ja ein Friedhof!« riefen sie, »und führt d’rauf hin.«

      »Uns führt kein Wisch mehr auf geweihten Anger,« sagte der Bauer Isidor, »wird sich Unsereiner auch nicht darum reißen. Thu’ weg das G’schrift, Schreiner.«

      »Eure Unterschrift!«

      »Das Kreuz gilt nichts mehr zu Trawies, Schreiner, das weißt.«

      Sie zerrissen den Bogen in viele Stücke. –

      In einer finsteren Nacht wären für den, der im Schachen hinter dem Sandhockhause gelauscht hätte, zwei flüsternde Stimmen zu hören gewesen.

      Die eine sagte: »Sei ein Kamerad und thu’s.«

      »Thue es selber,« versetzte die andere.

      Dann waren sie still.

      Und nach einer Weile wieder die erste der Stimmen: »Bin ich der Erste zu Trawies, so sollst Du nicht der Letzte sein.«

      »Ich will gar nichts sein, aber gut Leben will ich haben.«

      »Was Dein Herz verlangt, nur der Schreiner muß aus dem Weg.«

      »So thue es selber,« antwortete die zweite Stimme wieder.

      »Man soll nicht sagen, der König hätte seine Krone durch eine Gewaltthat gewonnen.«

      »Und ich soll für Dich morden gehen?«

      »Wer sagt was vom Morden, Kind? Aus dem Weg schaffen sollst Du ihn. Dieser Wahnfred ist das Unglück von Trawies, er soll bei uns keinen Platz haben. Ich spreche darüber ungern mit einem Anderen, Du wärst mir der Verläßlichste; ich denke, Du läßt Dir die Gelegenheit, gut Leben zu gewinnen, nicht entgehen – wie?«

      »Zeit mußt Du mir lassen. Auf Gelegenheit wart’ ich. Vermag ich’s so thu ich’s.«

      »Abgemacht.«

      »Festgenagelt.«

      Hierauf im Dickicht ein Geräusch und alles war still.

      Vielleicht in derselben Nacht, da Wahnfred von seinem Hause aus einem Sterne zuschaute, der einen langen Streifen weit über den Himmel hin in die Richtung gegen das volkreiche Flachland streckte, kam ihm der Gedanke zu entfliehen. Es würde ihm gelingen, über den Ritscherwald und an den Abhängen des Trasank dem Bereiche von Trawies zu entkommen, um in fremdem Lande ersprießlicher als hier im Dienste der Menschen wirken zu können. Da fiel ihm sein Gelöbnis ein, bei den Unseligen auszuharren, mit ihnen zu siegen oder unterzugehen. –

      Bisweilen ging Wahnfred hinauf zum Bart vom Tärn, um seinen heranreifenden Sohn zu sehen und ihm Lehren zu geben. Erlefried horchte nur so halb hin, wenn der Vater Worte sprach, schaute ihn dann kalt an und ging davon. Dem Bart hatten die Bürger von Trawies so ziemlich alles weggetragen, was genießbar und tragbar gewesen war. Sie hatten ihm dabei recht wohlgemuth die Hände geschüttelt, er möge sich daraus nichts machen, es wäre so der neue Brauch und er solle nur mit ihnen kommen und wacker Antheil nehmen an Allem, was sie auf ihren Wegen fänden.

      Der Bart ging nicht mit ihnen, stieg gar nicht mehr hinab ins Thal, baute an entlegenen Stellen des Waldes sein Kraut und seine Rüben an, sammelte wilde Früchte und verbarg sie, so gut es ging, vor den Räubern. Die in losen Schwärmen hin und her fahrenden Gesellen und Gesellinnen verzichteten auch gern auf den alten Mann, hingegen hatten sie im Hause am Tärn einen jungen, flinken Burschen entdeckt, dem sie nachstellten und als kräftigen Streiter und hoffnungsvollen Genossen mit sich führen wollten.

      Sie hatten den zu Manne heranwachsenden Erlefried gesehen. Dieser war so wenig wie sein Nährvater gewillt, mit den Rotten zu ziehen und mußte sich mehrmals vor ihren Nachstellungen flüchten. Da ging er freilich am liebsten hinab in den Dürrbachgraben, wo eine liebe Maid so einsam und geduldig ihren hinsiechenden Vater pflegte, und

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