Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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konnte, weil er mit dem Schreiner so gut Freund ist.

      Wahnfred that einen kurzen Blick gegen die Kirche hin, welche durch die Dunkelheit von der Anhöhe schimmerte. Im Wirthshause, auf das die Beiden zugingen, waren alle Fenster beleuchtet. Die Stuben waren voll lärmender Zecher. Der Stromer stieß mit dem Fuß die halb angelehnte Thür auf und zerrte seinen Begleiter mitten ins Gewühle.

      »Schaut’s auf, Leut’, schaut’s auf, wen ich da bring’!« so rief er.

      »Wahnfred!« schrien sie dem neuen Gast jubelnd entgegen, »Du Himmel-Herrgotts-Mensch, wo streifst denn so lang um und läßt uns allein? Schreiner! Du sakrischer Trawieser Heiland, Du! Na, wie schaust denn aus!«

      Von allen Seiten klatschten Willkommschläge auf seine Achseln, und Aller Hände drängten sich stoßend heran, um die seinen zu schütteln. Wahnfred konnte bei der vor Qualm verschleierten Talgkerze kaum eines der ihm zugrinsenden Gesichter erkennen. Es waren halbverkommene, bärtige Gesellen, zu sehen, als wäre Jeder eben wie er selbst aus einer Hochwildnis gekommen. Kohlenbrenner, Holzer, Bauernknechte, Wilderer, Bergknappen, Kräutersammler u. s. w. hatten ihre Arbeitsposten verlassen, hatten genommen, was sie gefunden, hatten, weil ihrer die große Mehrzahl war, sich die Herrschaft angemaßt und waren nun die Freien und die Bürger von Trawies. Alsbald war auch das Hausirervolk und alles Gesindel von der Straße mit ihnen und sie hatten sich zur steten Kräftigung der »Gemein« mit diesem Volke verbunden. Es waren aus den Hochwäldern Leute hervorgekommen, denen man auf entlegenen Pfaden niemals gern begegnet wäre; sie wurden aufgenommen in den neuen Verband, dem vor Allem daran gelegen sein mußte, aus gleichgesinnten Elementen gebildet, sobald as möglich groß und stark zu werden. Gleichgesinnte Elemente waren auch jene Gesellen, die draußen irgendwo der Kette oder dem Galgen entlaufen waren und sich nach Trawies geflüchtet hatten, so daß aus diesem Exile ein Asyl der Verbrecher werden wollte.

      Der Haufe ging von Haus zu Haus, von Hütte zu Hütte, und wer sich nicht anschloß, der lief Gefahr, seine Habe und sein Leben zu verlieren. Im Wirthshause hielten sie Hof, im Wirthshause tagten ihre Berathungen, die nicht selten mit Streit und Gewaltthätigkeiten, öfter aber noch mit tollen Gelagen endeten. So lange Geld da war und gangbar von Hand zu Hand flog, wickelten sich die Geschäfte ziemlich regelmäßig ab, denn »das einand mit Gewalt etwelches wegnehmen ist nicht verstattet«, hieß es in einem damaligen Beschluß der »Gemein«. Als sich jedoch der Wirth und der Krämer weigerten, Geld anzunehmen, weil sie die Münzen nicht abfließen zu lassen vermochten, drohte ein Aufstand, bis man sich zur Noth darin einigte, daß die Vorräthe der Trawieser Häuser herbeigeschafft und gleichmäßig an die Leute vertheilt werden sollten. Die Ursel in der Freiwildhütte war die einzige Person, welche noch Schinderlinge nahm, denn sie hatte noch nicht in Erfahrung gebracht, daß die Münzen keinen Anwerth mehr hatten, da sie die Dinger nicht ausgab, sondern in einen alten Topf zusammenthat und in die Erde grub. Und so war es eingerichtet, daß man zu Trawies um Bargeld nur Schnaps und nichts als Schnaps bekam.

      De gemäß war im Wirthshause die Stimmung, als Wahnfred eintrat. Auch Weiber waren in der Gesellschaft, je zwischen zwei Männern eines oder zweie, Alle Gluth in den Wangen, Viele auch noch Gluth in den Augen. Sie schauten gar unbefangen auf den schönen, schlanken Mann mit dem blassen Antlitze. Alles war auf. Sie hielten ihm Branntwein zu, sie tranken johlend auf den Befreier von Trawies.

      »Jetzt bist unser,« riefen sie, »jetzt bleibst unser! Wir brauchen Einen, der so ist wie Du. Was bist denn so blaß, wie ein steinerner Heiliger? Wirst doch nicht glauben, wir verschergen Dich?«

      »Da schau, das ist Deine Axt von der Sacristei, die wir in Ehren halten! Ist uns lieber als das Christuskreuz!«

      Wahnfred schauerte zurück vor dem rostigen Werkzeuge, vor dem harten Stahl, aus welchem der Funke gesprungen war, der in seiner Seele brannte wie höllisches Feuer, der einen unheilvollen Brand entfacht hatte in den Gemüthern zu Trawies. Im Herzen des Mannes war noch die Betrübnis vom Grabe her, er konnte kaum zu Worte kommen. Am liebsten wollte er nach dem, was er heute sah und hörte, fliehen, so weit ihn die Füße trugen. Nun dachte er aber an das Gelöbnis vor dem Sterbebette und an den Entschluß, mit Trawies zu siegen oder zu fallen.

      »Ich grüß’ Euch, Leute,« sagte er, »und wenn Ihr mir vertraut, so wird unser Zusammenbleiben ersprießlich sein.«

      Heller Jubel brach jetzt los, sie zogen den Schreiner zum vordersten Tisch! »Trink Brennwasser, Bruder! Du stehst nicht so auf, wie Du Dich hingesetzt hast, merk’, was wir gesagt haben!«

      Ein Weib, die Frau des Freiwild war’s, lief jetzt zur Thür herein und fragte nach ihrem Manne. Beim Ofentische stand derselbe auf und fragte seine Hausgenossin, ob sie wieder da sei um ein Merks, wie letzthin?

      Erschrocken fuhr sie mit der Hand an die Wange. »Nein, nein,« sagte sie kleinmüthig, »kannst sitzen bleiben und trinken, so lange Du willst; will Dir nur die Post bringen, daß wir ausgeraubt sind worden heute Nachmittag. Speck und Fleisch und Leinwand ist weg, und die groß’ Truhen ist erbrochen und Deine neuen Stiefel sind hin.«

      Der Freiwild sprang auf den Tisch und rief: »Ausgeraubt bin ich, Trawieser Rath, ausgeraubt bin ich worden!«

      »Durch das Oberfenster muß er hineingekrochen sein, der Dieb,« fuhr das Weib fort, »man sieht an der Wand die Kratzer von den Schuhnägeln.«

      »Ausgeraubt bin ich worden!« schrie der Freiwild.

      »Es muß wo so ein verhöllt’ Gesindel umstreichen,« sagte jetzt der Stromer Roderich zum Wahnfred gewandt, »alle Augenblicke hört man vom Stehlen und Rauben.«

      »Kunnt’s nicht sein, daß Du den Dieb heute gesehen hättest?« fragte ihn der Wahnfred.

      »Wesweg? Wie meinst das?« entgegnete der Stromer lauernd.

      »Weil Du voreh vom Freiwildhaus herabgekommen bist, da wir uns nachher bei der Branntweinerin getroffen haben.«

      Ein Anderer stellte sich vor den Freiwild und sprach: »Hast denn Du noch Fleisch und Speck im Hause gehabt? Hast nächst’ Wochen, wie wir zu Dir gekommen sind, um Vorrath zu sammeln, nicht gesagt, in Deinem Haus wär’ alles gar geworden und Du thätest selber Hunger leiden? Hörst, Schurkel, Dich soll man peitschen, Du betrügst die Gemein’!«

      »Was, die Gemein’!« zischelte der Freiwild im Lärme dem Sprecher zu, »Du hast Zorn, weil es Dir ist zu Schaden gewesen. Du lieferst nur das Magere ab an die Gemein’. Soll ich’s laut sagen, wo Du die fetten Stücke versteckst?«

      »Sag’s nicht, wir theilen,« raunte Jener dem Freiwild ins Ohr; dieser aber entgegnete:

      »Wir haben schon getheilt, mein Lieber. In der Roßhöhlen, wo Du Deinen Raub zusammenschleppest, habe ich Speck und Fleisch gefunden, das mir heut’ gestohlen worden ist.«

      Jetzt trat ein kleines Männlein vor, der Holzer Stom aus dem Trasankthale; man sah ihn gar nicht, er schlüpfte und rieb sich zwischen den Knochen der Anderen herum, aber man hörte seine schrille, gellende Stimme.

      »Will was reden!« schrie er.

      »Still sein, der Stom will reden,« rief es allerwärts.

      Da stand der Kleine schon auf dem Stuhl und sprach: »Leut’! Wenn es so fort geht in Trawies, so kann’s nicht halten. Alleweil stehlen und rauben thun die Löter! Uns selbst ausplündern, das ist eine Schand’. Daß sich der brauch aber bald aufhören wird, weil wir Keiner mehr was zu stehlen und zu rauben finden werden in der Gemein’, das ist noch eine größere Schand’. Arbeiten!«

      »Arbeiten mögen wir nicht!« schrie Einer entgegen.

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