Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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näher; wie herausfordernd winkte es mit seinem Geweih.

      »Geh!« sagte der Knabe und hob die Hand, »ich thue dir ja nichts. Heute wollen wir gut sein aufeinander. Siehe, meine Mutter ist gestorben ...«

      Plötzlich wendete sich der Bock und lief durch das knisternde Gestrüppe rasch davon. – Hingegen nahte ein Anderes, welches das Thier verscheucht zu haben schien.

      Sela kam herangeschlichen, das kleine Mädchen, das schöne Mädchen. Sie war aber gar nicht mehr klein, sie war nur schön, und an diesem erkannte sie Erlefried wieder.

      »Erlefried,« rief ihm das Kind entgegen. Er hörte es, er sah sie an, aber er wußte nichts zu antworten.

      »Erlefried,« wiederholte das Mädchen und war schon ganz nahe an ihm. »Du hast einmal gesagt, wenn ich Dich wolle, so soll ich Dich rufen. Nun will ich Dich.«

      »Soll ich Dich über das Wasser tragen? Nun, da bin ich,« sagte Erlefried und sah in das frische Angesicht Sela’s.

      »Ich will Dich nur sehen, Erlefried, dann gehe ich wieder. Ja, ich geh’ schon wieder.«

      »Magst Du Violen?« fragte er und hielt ihr den Strauß der Veilchen hin.

      Sie nahm den Strauß und sah in das Angesicht Erlefried’s und überlegte bei sich, wie sie es nur angehen solle, ihn zu zerstreuen, zu erheitern, heute, da sie seine Mutter begraben hatten.

      »Bist Du also nicht auf dem Hirschen geritten?« fragte sie.

      »Ich auf dem Hirschen? Auf welchem?«

      »Wie Du jetzt so dastehst – möchte ich es glauben. Was Du trotzig geworden bist, Erlefried! Der Hirsch ist tiefnächtig im Kraut gelegen und hat geschlafen. Du schauest ihn zuerst nur so an, gehst um ihn herum, betrachtest sein Geweih. Er legt den Kopf an seinen Leib hin. Die giebst nicht nach, streichelst ihn, setzest Dich auf das Thier. Ja, ja, Erlefried, ich habe alles ganz genau gesehen. Der Hirsch rührt sich gar nicht. Du nimmst ihn beim Geweih und schlägst mit den Fersten an seine Seiten – nachher springt er auf. Springt auf und mit Dir davon. Du lachst, ist ein lustiges Reiten, und der Hirsch hebt zu laufen an hinein in den Wald. Mir wird angst und bang; Du haltest Dich fest ans Geweih und lachst noch immer und rufst um Hilfe. Du reitest durch den ganzen Tärn, Du reitest in die Trasankfelsen hinauf. Ich seh’ alles und hör’ alles und kann mich nicht rühren, und vom Trasank springt der Hirsch über die Wildwiesen ins Trawies herab, just gegen die Wand, wo sie die heilige Dreifaltigkeit ins Wasser geworfen haben – jetzt bin ich Dir auf einmal munter geworden.«

      Wie lebhaft sie das erzählt hatte!

      »Geträumt hast Du von mir?«

      »Ja, in der heutigen Nacht. Jetzt hab’ kein Gut thun mögen, bis ich gesehen hab’, daß Du da bist und alles nicht wahr ist. Ja die Violen nehm’ ich schon, und gieb Achtung, Erlefried und reite auf keinem Hirschen.«

      »Sela!« sagte er.

      »Aber eine große Stimme hast bekommen.«

      »Sela,« sagte er, »ich möchte wissen, ob Dein Vater in seinem Haus so Einen brauchen kunnt’?«

      »Was für Einen?«

      »Ich kann schon Holz spalten, Sela!«

      »Das ist wohl brav.«

      »Kann große Scheiter tragen, und Reisig hacken. Die Kühe füttern, wassern und melken, das kann ich auch. Das Baumsägen ist leicht gelernt. Bretter hobeln kann ich schon lang. Ihr werdet vielleicht Kräuter sammeln und Wurzeln stechen, das kann ich gut. Dein Vater soll mich nur nehmen.«

      »Mein Vater hat gesagt, daß ich beim Bart bleiben werde. Ich will nicht beim Bart bleiben, und weil meine Mutter gestorben ist, so kann ich hingehen wohin ich will!«

      Das Mädchen sah, wie der Junge zornig war, und fragte, was ihm der Bart zu leide gethan habe.

      »Ich bin kein Knabe!« knirschte Erlefried, und die Stimme wollte ihm versagen, »sie haben mich meine Mutter nicht das letztemal schauen lassen.«

      »Sei froh, wenn Du sie nicht das letztemal gesehen hast,« versetzte das Mädchen, »mein Vater hat es uns gesagt, und daß Du deswegen so betrübt gewesen wärest. So bin ich geschwind hinaufgegangen. Aber Du bist zornig, und so gehe ich geschwind wieder hinab.«

      »Sela, Du muß bei mir bleiben.«

      »Und Du mußt es mir nicht für Übel halten, Erlefried, es ist aber nicht recht, was Du thun willst. Der Bart hat es viel gut mit Deiner Mutter gemeint und Du wolltest jetzt davongehen und in den wilden Wald hinein? Das wäre so, wie auf dem Hirschen.«

      »Du hast leicht reden,« entgegnete nun zögernd Erlefried, »Du hast Dich selber bei Dir.«

      »Du auch,« lachte das Mädchen.

      »Mich freut es nicht. Jetzt weil die Mutter gestorben ist, möchte ich nur bei Dir sein.«

      »Du kannst oft zu mir hinabgehen und ich werde oft zu Dir heraufgehen. Da auf der Höhe ist’s viel lustiger als unten im Graben. Mußt schön gut sein, Erlefried, und dankbar. Gelt, das wirst sein?«

      »Dir zu Lieb’ blieb ich beim Bart,« sagte der Knabe, »aber Du mußt dafür alle Nacht von mir träumen.«

      »Wo haben sie denn Deine Mutter hineingethan?« fragte jetzt Sela.

      »Da,« sagte er leise.

      »Wo?«

      »Da, wo wir stehen. Hier unten liegt sie.«

      Das Mädchen trat erschrocken einige Schritte zurück und legte die Hände zusammen und schaute auf den Boden hin.

      Es betete. Als Erlefried das sah, faltete auch er seine Hände. Jetzt fiel ihm ein, auf Gräbern müsse man beten. – Und so standen sie eine Weile unbeweglich wie die Bäume, und ein junger Falter war da, der flog im Kreise über den beiden Menschen, die auf dem Grabe standen, auf segenloser Scholle, umlauert vom Verderben – und die jung waren und glücklich werden wollten.

      Wahnfred war über den Bergrücken herausgegangen, den man die Höhe nennt, und von welchem man zur Linken die Aussicht ins Heidegelände und zur Rechten das Thal von Trawies und den Trasank hat. Im Hause des Freiwild wollte er zukehren, um zu sehen, ob die neuen Zustände auch hier so wenig zu verspüren wären, als im Hofe des Bart vom Tärn, wo die fleißige Arbeit und die alte Sitte noch fortging, wie sie bisher gegangen war. Aber das Haus des Freiwild war versperrt: auch in der Umgebung war kein Mensch zu bemerken. Im Stalle blökte ein Rind, die einzige Kunde, daß in diesem Hause doch noch Leute wohnten. Als Wahnfred forschend um den Hof herumging, war es, als wären da oben an der Giebelwand durch das Fensterlein ein paar menschliche Beine hereingezogen worden.

      Wahnfred stand eine Weile da und horchte, aber er sah nichts mehr und hörte nichts, als das Blöken des hungrigen Rindes.

      Endlich ging er von dannen. Aus einer bewaldeten Engschlucht drang ihm prickelnder Geruch entgegen, zwischen den Fichten schwebte Rauch; er stand vor der Schnapsbrennerei der alten Ursula, die eine Schwester des Freiwild war und hier eine armselige Hütte und einen armseligen Erwerb hatte.

      Jetzt aber – so viel Wahnfred sah – schien der Erwerb gar nicht armselig zu sein.

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