Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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ihm hinan bis zur Brust.

      »Was willst Du, Sela, mit diesem Kraut?«

      »Die Mutter hat heiße Hände,« antwortete das Mägdlein, »und hat auch eine heiße Stirn. Da wird ihr das Frische gut sein.«

      Bald waren sie an der Hütte. Sie war gefährdet am Fuße durch die heranschlagenden Wogen und am Dache durch den querüberhängenden Baumstamm. Das Mädchen ging zur Kranken und flüsterte ihr zu: »Jetzt ist der Vater schon da!« Dann legte es die kühle, grüne Kresse mit dem silbrigen Schimmer auf die heißen Hände und auf die heiße Stirne, und gab ihr zu trinken, und streichelte ihr die Wangen und blickte sie mit ihren milden, blauen Augen tiefsinnig an. Und an diesem Blicke, der wie Frühlingshimmel über dem abgehärmten Antlitze des Weibes ruhte, schien sich die Kranke bis ins Innerste ihres Wesens zu erquicken.

      Und wenn sie dann einschlief, um in sonnigen Träumen ihres Kindes Zukunft zu schauen, oder sich ein wenig in jenem ewigen Schlummer zu üben, der nichts mehr von Vergangenheit und Zukunft weiß – dann schlich Sela auf ihren Zehenspitzen davon und war in fröhlicher Emsigkeit bestrebt, im Schrank und am Herde zu ordnen und Dinge zu bereiten, welche der Erwachenden hernach zugute kommen sollten.

      Der Feuerwart sagte einmal: »So lange der letzte Engel nicht davon ist, so lange gebe ich Trawies nicht auf.«

      Ja, alter Mann, wer ein liebes, aufblühendes Kind hat, der kann und darf an der Welt nicht verzweifeln.

      Wahnfred blieb wochenlang in der engen Hütte des in die Bergschlucht verbannten Feuerwart. Er sah noch lange das Toben und dann das allmähliche Verlaufen der wilden Fluth. Er sah das Vergehen der letzten Schneemassen, er sah das Aufgrünen des Rasens, Er sah das stille Trauern des Feuerwart um sein hinsiechendes Weib; er sah die kleine, behendige Pflegerin, die unerschöpflich war an Trost, niemals traurig schien, mit ihren seelenvollen Augen das ganze Haus erhellte. Sie gab nicht zu erkennen, daß sie von der Gefahr wisse, in der die Mutter und in der sie Alle schwebten. Der Feuerwart meinte, es sei die Ahnungslosigkeit des Kindes; wie sehr war er daher betroffen, als Sela eines Tages vor der Hütte zu ihm sagte: »Du sollst wieder einmal lachen Vater, sonst meint die Mutter, das sie sterben muß.«

      Er lachte nicht, in Weinen brach er aus, als er dieses Wort seines Kindes gehört hatte. Sela weinte mit ihm, und so heftig und bitterlich, daß ihr ganzer Leib zitterte und zuckte, daß der Strom ihrer Thränen die Brust des Vaters netzte, daß sie sich vergebens bemühte, dem Schluchzen, in welchem all ihr so lange zurückgedrängtes Weh auf einmal hervorquoll, Einhalt zu thun ....

      Sie ging zum Bache, befeuchtete ihr Angesicht mit kaltem Wasser. Sie pflückte das weiße Krönchen eines Maßlieb und trug es in die Hütte und legte es der Mutter an den Busen und sagte: »Eins ist schon da!« – Und sie war wieder so fröhlich, wie sonst, und ihr Auge schaute wieder so ruhig, und der Frieden des Kindes schien wieder in ihrer Seele zu sein.

      Wahnfred sah diesem Weibe und diesem Kinde zu und dachte an die Seinen. Er ahnte nicht, daß auch sein Weib so dahinsiechte und sein Kind so liebestreu die Mutter pflegte. Das Weib des Schreiners hatte sich die That, die Flucht und die Gefahr ihres Mannes so tief zu Herzen genommen, daß sie zu welken begann. Sie sagte es mit keinem Worte, wie das Gefühl der Heimatlosigkeit, die Angst um ihren in der Einöde verbannten Gatten an ihrem Leben nagte, aber sie siechte und siechte dahin.

      Der Feuerwart wußte es wohl, was da oben im Hause des Bart vom Tärn vorging, aber er durfte es nicht sagen, sollte der Schreiner seinem vergehenden Weibe zueilend nicht ins Verderben rennen. Er ging beim Bart aus und ein und brachte befriedigende Nachricht heim; bat ihn ja doch auch das Weib des Schreiners, dem Gatten ihr Absterben zu verhehlen, damit er sich halten lasse und den Feinden nicht ans Messer laufe. Denn immer noch umzingelten die Schergen das Haus und wichen nun umsoweniger, da sie annahmen, die Krankheit des Weibes müsse den Mann sicher herbeiholen.

      Sie, die Herzlosen, hatten doch die Schlauheit, auf menschliche Regungen bei Anderen zu rechnen. Wenn einmal ein Fremder, ein Hausirer oder Holzer oder Bettelmann ins Haus wollte, so wurde er strenge untersucht und so lange gestoßen und hin und her gezerrt, bis ihm die Lust, unter dieses Dach zu treten, ein- für allemal verging. Jeder der Schergen hatte sich eine Beschreibung eingeprägt von dem Flüchtling; Einer war da, der kannte den Mann persönlich aus jüngeren Tagen her. Auf Wahnfred’s Kopf stand die Freiheit zum Preise; wer ihn einbrachte, der war der Landsknechtschaft ledig auf der Stelle. Scharf bewaffnet war Jeder, sie wußten wohl, daß sie in Feindesland standen. Sie wußten auch, daß Kraft des Kirchenbannes diese Waldleute von allen Seiten verlassen waren.

      Und so vermochte denn der heimkehrende Gallo dem Schreiner nur immer zu sagen, daß die Häscher noch beständig um das Haus wären, daß ihn das Weib grüßen lasse und ihn bitten, er solle doch ihret- und des Kindes wegen sich in keine Gefahr begeben. Trotzdem sann Wahnfred auf allerlei List, unerkannt zu den Seinigen zu kommen; ja er kam sogar auf den Gedanken, in Trawies eine Freischar zu werben und damit das Haus im Tärn zu stürmen.

      »Du hast Dich bisher,« so sagte auf solchen Vorschlag der Gallo Weißbucher, »von mir abhalten lassen, nach Trawies zu gehen; Du brauchst es nicht zu bereuen. Du hörst es, welche Nachrichten zu uns in den Dürrbachgraben dringen, Du hörst es und kannst Dir doch nicht denken, wie es jetzt mit den Trawieser Leuten bestellt ist. Sie türmen die Häuser, stürmen die Weiber, aber für eine Sterbende führen sie keinen Schlag.«

      »Für eine Sterbende!« sagte der Wahnfred und sprang von seinem Blocke auf, »wie verstehst Du das?«

      Der Feuerwart wußte den Augenblick kein Wort zu sagen.

      »Wie ist das gemeint, Gallo? Eine Sterbende?«

      »Du siehst ja doch,« brummte der Feuerwart nun, »daß mein Weib im Sterben liegt und wir haben keinen Beistand.«

      »Du verschweigst mir etwas, Feuerwart, auf der Stell’ will ich wissen, wie es mit meinem Weibe ist!«

      »Daß sie nicht lustig sein wird, magst Du Dir denken, Wahnfred. Daß die Bedrängnis, die jetzt so schreckbar über uns gekommen ist, eine weichherzige Frau angreifen muß, das wird Dich nicht wundern.«

      »Sie ist krank!« rief Wahnfred, »Du weißt mehr, als Du sagen willst. Gallo, sei mir nicht ungetreu! Zu ihr will ich jetzt, und wenn es mein Leben kostet, wissen will ich’s, auf was ich mich gefaßt zu machen hab’.«

      »Der Mensch muß sich in dieser Welt auf alles gefaßt machen.«

      »Sie ist mir gestorben!« schrie Wahnfred auf.

      »Was sagst Du, Schreiner? Vom Gestorbensein noch gar keine Rede. Aber so ich Dir’s recht soll sagen und weil ich’s nicht verantworten möchte, Dich in der Sach zu hintergehen: Wenn Du sie noch einmal sehen willst, so wirst Du freilich nicht warten können, bis die Schergen abziehen.«

      »Ich gehe heute noch hinauf,« sagte Wahnfred mit Entschlossenheit, »jetzt hält mich nichts mehr zurück. Wenn es sein muß, mit dem Messer will ich mir den Weg frei machen zu meinem kranken Weibe.«

      »Wir wollen was Anderes probiren. Der Bart und ich haben es schon verabredet. Wir tragen einen Strohschaub ins Haus.«

      »Warum ist das jetzt auf einmal möglich, was Ihr mir niemals habt zugeben wollen? Mich däucht, es ist hohe Zeit! Feuerwart, wenn Du mir’s zu lang verschwiegen hättest, ich wüßt’ nicht, ob ich Dir’s verzeihen könnte.«

      Der Feuerwart ging mit ihm. Sie stiegen den Berg hinan, Wahnfred war dem betagten Manne lange Strecken voraus. Er hatte ihr das erste Veilchen bringen wollen, und nun vergaß er d’rauf und trat die jungen Blumen mit den Füßen. Er tödtete sie kaum, die blauen Äugelein

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