Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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–Anfangs sind die Leute gar verzagt gewesen und Viele sind auf dem Angesicht gelegen vor der vermauerten Kirchenthür, auf welcher das Interdict angenagelt gewesen. Wenn Du es hättest gelesen, würdest Dich verwundert haben, was die Herren fluchen können! Der Sandhock hat die Schrift aber herabgerissen. Bald ist auch Anderes geschehen. Auf der Höhe, wo man von Freiwildbach hinübergeht in den Tärn – wirst Du wissen – ist eine Bildsäule gestanden in einer Baumnische, der heilige Nikolaus. Bischof brauchen wir keinen bei uns! haben sie geschrieen und haben das Bild zu Boden geworfen. Wenn wir verflucht sein sollen, haben sie wieder geschrien, so kann uns auch kein Heiliger helfen, und haben vom Brückenkreuz an der Trach den heiligen Sebastian, und von der Capelle, die vor dem Wirthshaus steht, die heilige Katharina gerissen. Und die Wildesten darunter sind gar über die Muttergottesbilder hergefallen, und Einen höre ich heute noch, wie er ruft: Wenn wir schon des Teufels sind, so brauchen wir kein Kreuz und keinen Herrgott! – und haben die Crucifixe zerstört. Es waren wohl Leute da, die sich dem Treiben widersetzt haben; mein Gott, die sind nicht beachtet, sind zurückgestoßen worden. Die Anderen sind schon die Stärkeren. Streit und Hader giebt es, daß es ein Schreck ist.«

      »Und bist denn Du kein Mittler geworden?« fragte der entsetzte Wahnfred.

      »Schreiner, das sind andere Zeiten gewesen, als sie auf das Wort des Feuerwart gehört haben. Freilich war ich so kindisch und habe Ordnung machen wollen. So! hat es geheißen, der Alte, der uns hineingeritten hat, will auch noch reden? Heut’ ist nicht gestern, heut’ haben die Jungen und Starken das Wort in der Hand. Althausgesessen! Wir brauchen keine Althausgesessenen; Jeder soll sich’s selber erwerben, was er haben will. Her mit dem Großbauernhof, den wollen wir uns theilen. Um Mitternacht sind sie gekommen – eine Rotte und ein Gesindel, wie ich es zu Trawies nicht vermeint hätte; scheint es doch gerade, als wie wenn alle Galgenstricke von weit und breit zusammenliefen ins vogelfreie Trawies! Um Mitternacht sind sie gekommen mit Hacken, Sensen und Pflugscharen. Meine Knechte und Mägde will ich wecken – ist nicht mehr vonnöthen, sie sind Alle schon bei der Rotte und schlagen gegen mich mit meinen eigenen Geräthen. Eine alte Magd, halb blind und halb lahm, ist uns treu geblieben, ist mit uns gewesen, als sie uns hinausgestoßen haben aus dem Feuerwarthof. Die Lahme hat mir geholfen, mein krankes Weib zu schleppen. Das Töchterlein ist noch die Vernünftigste gewesen von uns; der Sela fiel es ein, in der finsteren Nacht könnten wir nicht weiter und hat eilig an der Herdgluth die Laterne angezündet. Sonst wäre das Ahnfeuer auch dahin, ich hätte an nichts mehr gedacht. Weit in den Dürrbachgraben sind wir gerathen, dort haben wir uns in einer verlassenen Holzerhütte eingeheimst, dort leben wir heut’ noch, und wir werden von Glück sagen dürfen, wenn sie uns leben lassen.«

      »Das sind schöne Zeitungen, Feuerwart, die Du mir mit aus dem Thale bringst,« versetzte der Wahnfred in der Ironie des heimlich kochenden Zornes. »Aber die Anderen, regen sie sich denn nicht?«

      »Wer?«

      »Der Bart vom Tärn, der Firnerhans –«

      »Der Firnerhans!« unterbrach Gallo. »Jesus Maria, Schreiner, Du weißt es nicht! – Weißt Du es wirklich noch nicht?«

      »Was noch?« Fragte Wahnfred.

      »Ja wie solltest Du es denn wissen können! Die Nebel, die aufgestiegen sind aus Trawies zu Dir, sind ja nicht blutig gewesen, die Berge haben ja nicht gebebt, wie das Ungeheuerliche geschehen ist. Der Firnerhans war unter ihnen.«

      »Dein Vetter, der Holzer Thom aus dem Tärn, war auch unter ihnen. Elf waren ihrer. Mit elf Köpfen bist Du erkauft, Wahnfred! In der Kirche hingerichtet, enthauptet – o mein Gott, wie gräßlich ist’s auf dieser Erden!«

      Mit diesem Rufe war der alte Mann zusammengeknickt, hatte das Gesicht verhüllt mit seinem Mantel.

      Wahnfred stand wie eine Bildsäule da in der Morgensonne. Sein Schatten lag hingestreckt über den Schnee. »So dieser Schatten hätt’ künnen aufstehn,« sagt die Schrift, »hätt’ er leichtlich dem Baumschokk bis zum führnehmbsten Wipfel gereicht.«

      »Feuerwart!« schrie Wahnfred nun plötzlich und stand mit geballten Fäusten drohend vor dem alten Mann: »Warum hast Du mich nicht gerufen?«

      »Schlage mich todt,« murrte der Gallo Weißbucher, »wir ist es das Liebste. – Dich nicht gerufen! Und hätte ich auch meineidig werden wollen, es wär dazu keine Zeit mehr gewesen. Du hättest es nicht besser gemacht. Verlange Dir auch jetzt nicht nach Trawies!«

      Wahnfred schwieg.

      »Du nimmst Weib und Kind und suchest Dir unter neuem Namen eine neue Heimat!«

      »Thue Du’s, wenn Du kannst!« antwortete der Wahnfred, und seine Stimme klang fremd.

      »Ich kann es nicht. Ich bin auf dem Boden meiner Vorfahren alt geworden, ich gehe mit der Heimat unter. Aber Du bist noch jung genug, um auf fremdem Boden Fuß zu fassen, um die Greuel, die Du noch nicht gesehen hast, zu vergessen, um mit Deiner Hände Geschicklichkeit Dir Brot zu erwerben und wieder ein zufriedenes Leben zu führen.«

      Da sagte Wahnfred: »Ich gehe hinab nach Trawies!«

      »O, wenn Du so hinabsteigen könntest, wie Moses vom Berge Sinai, mit neuen Gesetzestafeln.«

      Wahnfred sagte: »Ich gehe hinab.«

      Aus hohen Einöden, wo nur die That der Trägheit herrscht: das Träumen, stiegen die beiden Männer nun nieder.

      Ihre Wege waren tausendfach verrammelt, gleichsam, als hätte auch die Natur den Bann gesprochen, oder anders: als wollte ihnen ein guter Geist die Rückkehr ins Thal des Fluches wehren. In den Tiefen rauschten die Wildwässer des sich lösenden Winters, ein warmer hauch wehte Regenschauer nieder, und die Zacken des Trasank waren in Nebel gehüllt.

      Die Männer gingen in langer Wanderung den Wäldern des Tärn zu. Wahnfred sehnte sich nach dem Hause des Bart, zu seinem Weibe und zu seinem Kinde. Als er hinter dem Waldschachen den dünnen blauen Rauch des Hauses aufsteigen sah, rötheten sich seine Wangen und im Auge glühte es, wie dazumal, als er in das hinterste Thal des Trasank ging, um zu freien.

      Nun stand er plötzlich still, griff mit beiden Händen an sein zerfahrenes Haar, an seinen wildwuchernden Bart und murmelte: »Gallo, da thät’ ein Scheermesser vonnöthen.«

      »Du mußt Dein Weib noch wunderlich lieb haben,« entgegnete hierauf der Feuerwart, der auch auf ernsten Wegen seinen Schalk mit sich trug, »ganz verwunderlich, daß Du jetzt auf die Glattheit Deines Angesichtes so viel hältst. Aber ich denke, Du wirst ihr auch mit dem langen Bart recht sein, wenn Du Dir nur sonst keine einsiedlerischen Bräuche angewöhnt hast.«

      »Feuerwart! Ich bin auf einmal wieder ganz anders, als ich da oben war. Ich möchte nimmer zurück auf die Höhe, ‘s ist mit so sonderbar warm und jung, mein Gallo, ‘s ist mir wunderlich jung! Wie der Mensch zu Zeiten nur so verfrieren kann! Und wie er so verzagt sein kann und hart gegen die Leute und undankbar gegen Gott! Diese Wässer da unten – Du wirst es inne werden, Feuerwart – sie schwemmen alles Übel hinweg von Trawies. Frühjahr wird’s, in Frieden werden wir wieder unsere Felder pflügen, unsere Wiesen mähen und unsere Herden weiden. Es wird sein, wie es sonst ist gewesen, bis wir nur wieder die helläugigen Blümlein sehen auf der Au! O komm, Gallo, komm, mir ist’s zum Jauchzen, mir ist so jung!«

      In freudiger Aufregung zog er den Gallo Weißbucher mit sich fort gegen das Haus. Da sahen sie, wie ihnen ein Mann entgegeneilte, dieser winkte mit der Hand und rief in einem Tone, der zuhalb ein Schrei und zuhalb ein Flüstern war: »Stehen bleiben! Eilends zurück in den Wald!«

      Er kam herbei, der Bart war’s, er drängte die

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