Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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von uns Beiden ist auf diesem Schlosse zu viel.«

      Er verstand mich wohl und antwortete: »Wenn Du, mein lieber Bruder, in der väterlichen Burg nicht Platz zu haben wähnst, so laß’ Dir das Deine reichen und ziehe Deiner Wege.«

      »Das steht anders,« sagte ich, »denn der Herr auf Bechern bin ich. Du hast verzichtet auf die Güter und ein Ritter bricht sein Wort nicht.«

      »Wem habe ich mein Wort gegeben?«

      »Mir, stillschweigend, aber in der That, indem Du das väterliche Erbe herrenlos und schutzlos im Stiche ließest. Ich habe es bewahrt vor den Händen der Feinde, so ist es zu Rechten mir anheimgefallen. Dem Himmel hast Du laut Dein Wort gegeben, auf diese Welt zu verzichten.«

      »Bist Du der Anwalt des Himmels?« Sagte hierauf mein Bruder, »willst Du mich verantwortlich machen für das, was ich etwa im Fieber gesagt habe?«

      »Schurke!« rief ich, »Du bist immer im Fieber.«

      »Zum mindesten jetzt!« schnaufte er und riß sein Schwert aus der Scheide.

      Ich sprang einen Schritt zurück, erfaßte meinen Degen. Wir kämpften, ich stieß ihn nieder.

      Nun war ich Herr auf Bechern.

      Ich machte mich daran, das begonnene Leben fortzusetzen. Aber das war jetzt anders; die Lust und den Übermuth mußte ich heucheln, ich fühlte Unlust und Unmuth. An dem Busen der Huldin wollte ich wieder erwarmen, diese aber stieß mich zurück und sagte: Mörder liebe sie nicht.

      »Mein Bruder ist im Zweikampfe gefallen!« rief ich ihr zu.

      »Wer giebt deß Zeugniß? Wer hat es gesehen? Dir stand er im Wege, Du hattest die Absicht, ihn zu tödten, Du hast es gethan!«

      Ich schwieg, denn gegen die Wahrheit habe ich niemals gestritten. Sie rief es laut, was mir mein Gewissen im Innern vorwarf. Ich war Herr auf Bechern, aber die Braut floh mich, verachtete mich. Die Unterthanen grüßten mich kriechend, aber ihr Gruß war wie Hohn, jedem Auge merkte ich’s an, daß es an mir den Mörder sah. Die Nächte wurden mir vergällt durch schreckliche Träume und Erscheinungen. Ich kämpfte dagegen; Almosen gab ich. Messen ließ ich beten für meinen Bruder. Vergebens, meine innere Last wurde immer unerträglicher. Das Gemach hatte ich verschließen lassen, in welchem der Bruder gefallen; aber nun graute mich vor der ganzen Burg. Elend war ich, krank war ich, vor Gespenstern bebend, wankte ich selbst wie ein Gespenst umher. Meinem Schloßcaplan wollte ich das gerade nicht mittheilen, woran ich am schwersten trug, dazu war ich zu stolz, und ich wußte doch, daß er mir nicht vergeben konnte. Ach ja, es reiten so Viele unter der Sonne, die finstere Verbrechen auf der Seele haben, und freuen sich doch des Lebens! Ich war zu schwach dazu, vielleicht auch hatte mich Gott noch lieb und ließ das Gewissen nicht schweigen. Ich ertrug es, so lange ich vermochte, dann warf ich es ab. Verwandte und Freunde nahmen meine Güter in Besitz und erklärten mich für einen Narren. Da floh ich. Einen alten Hörigen nahm ich mit auf die Flucht, er fragte: »Wohin?« Ich lachte ihm ins Gesicht. »Von den Menschen weg, von Allen, auch von Dir und von mir selbst!« Da hat mich der Mann traurig angeblickt und hat mir dann mitgetheilt: wie es mit mir stünde, wisse er wohl einen Platz, der für mich passe. »Die Gruft,« rief ich. »Die Zelle,« sagte er. »Ins Kloster, wohin Jeder seine Sünden trägt?«

      »Ich habe es,« fuhr der Mann fort, »dem Herrn, Eurem Bruder geschworen, daß ich die Klause nicht verrathe, die er in der Wildniß für sich gebaut hat. Aber, da der Herr nicht mehr in der Zelle lebt, da er todt ist, so mag ich das Geheimnis auf Euch übertragen.

      Die Zelle, die mein Bruder in der Wildniß gebaut hat? Anfangs graute mir vor diesem Vermächtnisse, aber der Gedanke blieb, und je vertrauter ich mich mit demselben machte, desto leichter und tröstlicher wurde mir zu Muthe. Ja, das ist die Sühne. In jener Klause will ich als Einsiedler leben und büßen und beten, bis der Getödtete versöhnt ist.

      Wohlan, Freund, führt mich! Führt mich hin, versorgt mich mit dem Nöthigsten und dann geht, geht, wohin Ihr wollt, ich geb’ Euch frei, aber meinen Aufenthalt dürft Ihr nicht verrathen. Ich will allein sein.

      So hat er mich heraufgeführt in diesen weiten Wald und zu dieser Klause.

      Gott wird meinen Bruder in Gnaden zur Urständ rufen; mir ist’s mit dem Eremitenleben ernster gewesen als ihm. Ich weiß nicht genau, wie viele Jahre ich schon hier lebe, ich bin nun alt, das weiß ich. Der Kampf ist groß, den ich gegen der Welt Versuchung geführt habe, und ich kann nicht sagen, daß ich mit ihm fertig wäre. Gott hat mich einer Offenbarung gewürdigt, die mein Leitfaden ist, ein Leitfaden, der mich in den Himmel führen wird. Die Flucht vor dem Teufel, die Verachtung dieser Welt, die Abtödtung der Begierden, die Sehnsucht nach Gott, die freiwillige Vernichtung der Fessel ... das ist mein Weg. Es gelang mir fast alles, aber vor dem letzten stehe ich mit Bangigkeit.

      Oft höre ich himmlische Stimmen, die mich rufen. Ach wie glücklich ich bin! Bald werde ich selig sein.«

      So viel des Hauptsächlichen der Schrift, wie es in dem Gedächtnisse Wahnfred’s verblieben war. Darunter fand sich auch allerlei Wunderliches, Unverständliches. Besonders gegen Ende hin war sowohl in der Schreibart eine wachsende Verwilderung, als auch in der Denkweise eine steigende Verwirrung bemerkbar. Die äußere Welt, sowie die Lebensweise des Einsiedler, seine Schicksale und etwaigen Abenteuer in der langen Reihe von Jahren fanden kaum Erwähnung. Überall nur die Laute einer ringenden Seele. Die Klagen und Selbstanklagen waren allmählich verstummt, Zufriedenheit und Glück fanden stets begeisterten Ausdruck; die letzten Seiten waren völlig im Tone der Verzückung geschrieben.

      Es wirkte ansteckend, und als Wahnfred, der Mann vom Gestade, all das gelesen hatte, rief er aus: »Das ist die Wahrheit!«

      Es war lange nach Mitternacht. Das Feuer auf dem Herde war matt geworden. Im Walde heulten die Wölfe, Wahnfred hörte sie nicht. Er war vertieft in die Offenbarung und in das Bekenntniß des Einsiedlers.

      Das ist mein Vorbild. Was er gesühnt hat, das habe auch ich zu sühnen, und noch mehr. Mit eigenem Willen und eigener Hand will ich ein Band um das andere zerreißen, das mich an diese Erde knüpft, wo mich der Teufel gelehrt hat, zu sündigen. Was Gemeinde? Es ist doch nur eine Gemeinschaft zum Genusse irdischer Güter. So viele Opfer für sie gebracht werden mögen, keines hebt sie zu Gott. Was Familie? Sie muß der Erde entfremdet werden. Wenn ich für sie lebe und sorge, wird sie das nicht. Wenn ich ihr vorausgehe, den Weg weise, wird sie mir nachblicken und folgen. Mein Weib, mein Kind, wie habe ich Euch lieb! Wäre es nur nicht eine Liebe, die mich kettet, die ein Werk des Teufels ist! Diese Kette muß gebrochen werden. Ich will Euch ein Zeichen hinterlassen, daß wir uns im Himmel wiederfinden.

      Solche Gedanken hegte der arme Wahnfred, sie reiften zwar nicht zum Entschluß, aber er gab sich ihnen hin.

      Wir von heute wenden uns, wenn nicht gar spöttelnd, so doch mit Kopfschütteln von derlei Religionsschwärmerei der Vorfahren ab, der Himmelsucher, die in Drangsal und Herzensnoth zu Gott ihre Zuflucht nahmen. Und doch, wie unvergleichlich elender ist das heutige Geschlecht, welches die Überzeugung erklügeln will, daß kein Gott lebe, daß ein allmächtiger Helfer und Retter der Menschen weder am Himmel, noch auf Erden zu finden sei, daß der Mensch, ein Spiel des Zufalls, wenn auch nicht am besten, so doch für sich am vernünftigsten handle, sich in einer Art von Galgenlust an den Genüssen dieser Welt zu betäuben, um nicht zutiefst zu empfinden den unbegrenzten Jammer, von dem uns nur der einzige treue und doch gefürchtete Freund, der Tod erlösen kann. Es ist das gleiche Ziel heute wie damals, nur daß in jenen Tagen ein glühender Idealismus seine magischen Strahlen warf auf die dunklen Wege der Erdgeborenen.

      Aber Wahnfred’s neuer Weg war nicht der damals gewöhnliche. Er

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