Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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des Einsiedlers kam. Auf dem Boden gingen stets Spuren von Hochwild in Kreuz und Krumm durcheinander; im Gewipfel flatterte manchmal ein Geier auf, daß der Schnee niederstäubte von Ast zu Ast. Da sah denn Wahnfred, daß er nicht einsam sein werde. Freilich bemerkte er im Schnee mitunter auch so etwas wie Hundspfoten, die aber theilweise durch einen Besen wieder verwischt schienen, als wär’ auch da Einer gegangen, der Ursache hatte, hinter sich die Spur zu vertilgen.

      Wahnfred kannte den Übelthäter, es war der Wolf mit dem buschigen Schwanze.

      Endlich – die Sonne hatte ihre winterliche Mittagshöhe schon überschritten – setzte sich Wahnfred auf einen frei aus dem Schnee ragenden Stein, um zu rasten und Tisch zu halten. Er holte Etwelches von seinem Mundvorrathe hervor und aß; dann schöpfte er mit hohler Hand Wasser aus dem Bächlein und trank. Hierauf stützte er sein Haupt auf die Hand und blickte sinnend ins Weite hinaus. – So von den Menschen fern sein, ein einziges Herz zwischen der starren Erde und dem ehernen Himmel – verlassen, vergessen, verloren ...

      Der Stern seiner Augen wendete sich mählich, das Lid sank, er schlummerte.

      Dort im Dickicht funkelten die grünlichen Augen eines Fuchses; auf dem Zweig einer Lärche saß ein Schneeammer, flatterte mit den Flügeln und neigte sein Köpfchen Schief gegen den Schläfer herab, als käme ihm diese Gestalt hier gar erstaunlich seltsam vor.

      Plötzlich zuckte Wahnfred zusammen und sprang vom Steine auf und wendete sein Haupt und starrte umher. Er sah den Fuchs nicht und auch nicht den Ammer, er suchte einen Anderen und fürchtet ihn zu sehen. Er hatte die Stimme gehört im Halbschlummer: Kain, wo ist Dein Bruder?!

      Wahnfred ging weiter. Die Mühe des Vorwärtskommens beruhigte wieder ein wenig seinen aufgeregten Geist. Er kam zu einer sich weit hinziehenden und ihm quer den Weg abschneidenden Felswand, die aus waagrecht liegenden Steinschichten aufgebaut war, und an welcher der kleine Bach von Stufe zu Stufe rauschend herabsprang. Das armselige, morsche Leitergeflecht, welches die Männer aus Trawies damals, als sie diesen Weg gingen, um den Einsiedler zu begraben, hier gefunden hatten, war nun nicht mehr da. An die Umgehung der langgestreckten Wand, die sich weit in der Wildniß verlor, war kaum zu denken. An dem Wasserfalle hatten sich theils in Orgelpfeifen, theils in Pfeilerform Eismassen angesetzt, und an denselben empor schlug Wahnfred mit dem Beile seinen Pfad und hackte Stufen in das Eis. Die Reisigscheiben mußten hier freilich von den Füßen gelöst werden, dann aber stieg er kühn und kam glücklich oben an. Das erste Thauen wird diese Treppe schmelzen, und die Wand wird ihn hüten und schützen vor seinen Verfolgern wie eine feste Burg.

      Dann ging es wieder eben, oder sanft ansteigend fort durch Wald oder über Blößen. Mehrmals hörte Wahnfred jenes scharf ausgestoßene und langgezogene Bellen, vor dem in den Wäldern alles floh, was sich nicht wehrhaft fühlte.

      Endlich, als die Kruste des Schnees wieder starr geworden war, als die Sonne glanzlos hinter dem blauenden Wipfelwalle niedergesunken war, sah der Wanderer am Bächlein den dreispitzigen Stein, der ihm zum Wahrzeichen war. Hier bog er vom Wasser links ab, wand sich durch wucherndes Dickicht zu einer Anhöhe hinauf, deren Boden hin und hin mit schneelosen, grünbemoosten Steinen bestreut war, ging dann wieder thalwärts in einen weiten Kessel, der hier von Hochwald, dort von Felslehnen umgeben war und in welchem nur wenige Baumgruppen standen. Er war am Fuße einer kahlen, felsigen Kuppe, der Donnerstein genannt. Und nun erblickte Wahnfred sein Ziel.

      Es stand noch da, wie damals, unter einigen Tannen, die ihr Geäste undurchdringlich dicht ineinander verschlangen und über diesem Gefilze ihre zerzausten Wipfel in die Luft reckten. Eine dieser Tannen war geköpft und ihr kahler Strunk mit den knochenweißen Astresten ragte abenteuerlich empor über die Kronen der anderen.

      Unter diesen Bäumen stand das Haus, die Klause des Einsiedlers.

      Sie war fest gebaut und kaum einer Klause ähnlich. Die Zimmerbäume waren so massig, daß sie ein Mann kaum hätte zu umspannen vermocht. Auch das giebelsteile Dach war aus dicken Bäumen gezimmert, so daß es weder ein Raubthier durchbrechen, noch ein fallender Baumast durchschlagen konnte. Das rindenlose Holz war klingend hart – ein Holz, wie wir es in unseren Tagen nimmer haben, weil wir den Stämmchen unserer Wälder die Bedingungen ihres Ausreifens nehmen und ihnen keine Ruh’ und Zeit geben, um Bäume zu werden.

      Der Fensterlein des Hauses waren nur wenige, dieselben waren von innen mit Schubern wohl verschlossen. Den Eingang zu finden mußte man schier um den Baum herumgehen; ganz rückwärts, wo das finstere Dickicht des niederstehenden Geästes am üppigsten wucherte, war die schmale, schwere Thür, die noch mit jener Vorrichtung versperrt war, welche die Männer beim Tode des Einsiedlers angelegt hatten.

      Wer in dieser Wildniß dieses Haus gebaut hatte, war gar nicht bekannt; es war vor vielen Jahren mitsammt dem Einsiedler vom Feuerwart entdeckt worden. Der Feuerwart war bei einer Klosterjagd als Treiber betheiligt gewesen, und als er – er allein – an den Bau stieß, bat ihn der Einsiedler kniefällig, ihn nicht zu verraten. Der Feuerwart hatte es ihm versprochen und sein Wort gehalten. Von drei zu drei Jahren aber stieg er hinauf in den Ritscherwald, nach dem Einsiedler zu sehen. Der that, was einem Einsiedler zukam, er aß Wurzeln und Kräuter und betete. Er sah gar wild und bärtig aus und hatte fast das Sprechen verlernt. Der Mann aus Trawies behelligte ihn nicht, und da er sich überzeugt hatte, daß dieses Menschenthier einen Beistand nicht bedurfte oder ihn verschmähte, stieg er stets beruhigt in sein fernes Thal hinab. Einmal, als er wieder hinaufgekommen war, fand er den Waldmenschen todt, aber in einer Stellung, vor der er erschrak und die er niemanden verrathen hatte. Er ließ ihn zu Thale tragen und auf dem Kirchhofe zu Trawies begraben. Das Haus im Ritscherwald jedoch merkte er sich, und da es nun galt, den Wahnfred in Sicherheit zu bringen, wählte er es diesem zum Asyle. In dieses Haus trat Wahnfred, der Schreiner aus dem Gestade an der Trach nun ein. Es graute ihm vor dem Modergeruch, der da hervorwehte, und er riß die Schuber der Fenster auf. Dann machte er Feuer an, und da die Flamme prasselte, der Hertha heiliger Geist, da ward ihm wohler.

      Der Herd war größer, als man es in der Wohnung eines Wurzel- und Kräuteressers hätte vermuthen mögen, er war gut eingewölbt und hatte sogar eine Vorrichtung für den Abzug des Rauches. Daneben war auf einem Gestelle ein Mooslager, ein Betschemel vor dem Holzkreuze an der Wand, ein Tisch, ein Schrank, und es fand sich auch manch Anderes, welchem sich der Mensch damals schon angelebt hatte. Ja, die mit glatten Tafeln beschlagenen Wände, das Glas in den Fenstern, der gut gedielte Fußboden und anderes waren Dinge, die man sonst in der Einsiedlerklause nicht zu finden pflegte. Wahnfred legte die Nahrungsmittel und andere Dinge aus, die er mitgebracht hatte, das Schußgewehr lehnte er zur steten Bereitschaft an die Ecke der Wand; machte sich dann so bequem als möglich, um nach der mühevollen Wanderung zu rasten.

      Als es still wurde und die Flammen verflogen waren, starrte er in die Gluth. Und nun – kaum zwei Stunden nach seinem Einzug in dieses Haus – überkam ihn das Grauen der Einsamkeit, die Sehnsucht nach den Seinen. Denn hier in dieser öden Ruhe das erstemal, als ob es nun der Gluth entstiege, schaute er jene Szene am Altare – das Bild in seiner gräßlichen Lebendigkeit. Im Dunkel der Nacht hatte er sich neben dem eintretenden Pfarrherrn in die Sacristei geschlichen. Im Winkel hinter dem großen Kasten, in welchem die kirchlichen Kleider aufbewahrt sind, stand er wie eine schwarze Säule und kein Strahl der Altarkerzen fiel auf ihn. Als das Glöcklein klang, schlug er mit Rechten das Kreuz, während seine Linke unter dem Mantel krampfhaft die Axt festhielt. Bei der Aufwandlung, da der Priester die Hostie emporhielt, kam ihm der Gedanke: Laß fahren. Thu’s nicht! – Aber da er durch die Fuge der halb offenen Thür den Kelch heben sah, fiel ihm ein: Christi Blut! Blut muß fließen, daß die Welt erlöst sei. Beim Agnus dei schlug er auf seine Brust und betete, daß nicht Haß- oder Rachegefühl seinen Arm lenke. Und als er sah, wie der Priester in Demuth sich neigte, um des Herrn Leib aufzunehmen, wärmte sich sein Herz in Mitleid und Liebe, und er freute sich, daß dieser Geist in ihn gekommen war und seine That zu einem edlen Werke weihen wollte. Mit ausgebreiteten Händen wandte sich der Priester gegen das Volk und der Chor sang: »Selig die Todten, die

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