Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 173

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

Schnee. Und über alles lag eine tiefe Ruh’.

      Der Küster kam nun heran. Er hatte sich an jenem Abende, da der Tumult war, und er sah, daß der Pfarrhof zu brennen begann, weit gegen den Trasank hineingeflüchtet. Er hatte sich halb verloren und verirrt herumgetrieben und kam nun, da er glaubte, daß wieder Ruhe sein werde, über pfadlose Gründe von der Wildwiesen niedergestiegen. Das Erste, was einem braven Küster geziemt, er geht der Kirche zu. Nach dem Scheine aus den Fenstern schließt er, daß Gottesdienst drinnen sei. Das Thor öffnend, bemerkt er, daß die Bänke leer sind. Es ist so grauenhaft still und am Altare brennen die Lichter. Er tritt ein. Aber nicht lange, und er stürzt wieder heraus, die Arme ausgebreitet, todtenblaß wie ein Gespenst, mit gräßlich verdrehten Augen und Lippen, die wie im Fieber beben und nicht reden können – so eilt er zu den Häusern hinab, stürzt in die Stube des Withshauses und ächzt und stöhnt und deutet gegen die Kirche hin und schlägt die Hände zusammen.

      Sie treten zu ihm hin.

      »Der nimmt’s jetzt erst wahr, daß unser Altar geplündert ist,« so sagt Einer.

      Aber der Küster streckt beide Arme mit gespreiteten Fingern jetzt nach dem Fußboden aus, und stammelt unverständliche Worte und starrt mit rollenden Augen hin, so daß Alle ihr Gesicht nach den Dielen wenden, zu sehen, was denn da Schreckliches sei. Wieder nach der Kirche deutet der Küster und stößt einen Schrei aus und schlägt sich die Hände in das Angesicht.

      Da erheben sich denn die Leute und verlassen das Haus und steigen den Berg hinan zur Kirche. Am Altar um den leergähnenden Tabernakel brennen die Lichter und an den blutigen Stufen hingeworfen liegen die Körper der Enthaupteten.

      Zur selben Stunde schimmerten von den Grenzhöhen am Heideland, über den Waldzügen des Firner, des Tärn und des Ritscher, von den Warten des Trasank und in der ganzen weiten Runde zahlreiche Gluthsterne herein auf Trawies. Es waren Markfeuer, einschließend und zeichnend die niedergeworfene verstoßene Waldgemeinde, ein glühender Grenzwall, der sie Abschied von Gott und Menschen, ein Glied aus der feurigen Kette, »die den Drachen fesselt«.

      Somit waren die Symbole der Verbannung vollzogen.

      Zweites Buch:

       Die Gottlosen

       Inhaltsverzeichnis

      Und zu jener Zeit war’s, daß der kleine Erlefried eines Tages herangestiegen kam zur Kirche von Trawies, um in seiner kindlichen Einfalt zur nahenden Weihnacht das Jesukind zu grüßen. Er war im Festtage aus- und inwendig; sein blühender Leib strebte in Lust den Thaten des Lebens zu, seine Seele schwebte in frommer Heiterkeit und Zuversicht und flog gläubig, wie ein Waldkind nur gläubig sein kann, an diesem Tage in die Ewigkeit hinein.

      Er, der vom Berge niedersteigt, weiß von Allem noch nichts, man hat’s ihm verhüllt – er ist noch in der Gnade. Er weiß wohl, daß etwas Außerordentliches geschehen ist, etwas, das seinen Vater betrifft; wohl ist sein kleines, junges Herz bedrängt, aber er hat gehört, das Beten wäre heilsam, so will er beten. Nicht wie sonst klingen ihm die hellen Kirchenglocken entgegen, und als er zur Pforte des Gotteshauses kommt, erschrickt er. Ein Landsknecht steht da mit bloßem Schwerte und zwei Männer vermauern den Eingang.

      »O Kind,« murmelte ihm einer der Arbeiter zu, »Du willst beten gehen und wir haben keinen Gott mehr! Er hat uns alle verlassen und sein Tempel ist eine Mördergrube geworden.«

      Da erhält der Sprechende schon vom Landsknecht einen Seitenstoß, er habe nicht zu schwatzen, er habe zu arbeiten.

      Erlefried schleicht davon. Der Sandhock erklärt ihm alles.

      »Suchest Du etwas, Kleiner?«

      »Meinen lieben Herrgott suche ich,« schluchzt der Knabe.

      »O Schäflein, Du, was Du da schwätzest! Weißt Du denn nicht, daß sie Neuzeit die Dreifaltigkeit ertränkt haben? Seien wir froh, jetzt haben wir frei Ding!«

      Gar traurig macht sich Erlefried auf den Heimweg gegen das Haus des Bart. Da kommt es ihm vor, es schwankte der Boden unter seinen Füßen. Es mag ja sein, wie soll denn was feststehen, wenn’s Niemand hält! Wenn er nur glücklich nach Hause kommt zur Mutter, zum guten Bart.

      Auf dem Wege trifft er mit dem Bauer Isidor zusammen. Der sagt ihm’s noch klarer, die Trawieser Leute wären gottlos geworden.

      Auf der Freiwildhöhe unter zwei alten Buchen, die ihre Äste starr in die blaue Winterluft hinausrecken, steht ein Marienbild. Der Knabe, der des Weges kommt, will in seiner Herzensbedrängnis davor beten – wenn schon kein Herrgott mehr ist, so muß man sich ganz an unsere liebe Frau halten. Und da es so recht still ist um ihn, im Thale kein Klang, auf den Wipfeln kein Sang und als Erlefried so kniet auf dem schneefreien Stein, da hört er in der Brust Mariens das Klopfen des Herzens. Zitternd vor Freude steht er auf und küßt das Holzbild, das lebendige, und eilt weiter. – Gottlob, es ist Niemand zugegen, der ihm sagte, daß in dem Holze der Statue ein Klopfkäfer bohrt.

      Als der Knabe immer weiter und weiter den Waldweg hinaufschreitet und nichts Anderes denken kann, als daß, da in Trawies kein Gott mehr ist, auch kein Himmel mehr sein kann – und als er zwischen den Stämmen ein Reh hüpfen sieht, daß das Reisig knistert, fällt es ihm plötzlich bei: Was wird’s fürder mit dem Sündigen sein? Besser, denn der Vogt sieht nicht Alles. Ein Eichkätzchen läuft den Baumstamm hinan, steigt einen Ast hinaus und blickt nieder auf den Knaben. Gar höhnisch blickt es nieder, als wollte er sagen: »Armer Schlucker da unten, jetzt bist Du auch nicht besser als ich. Ihr Gotteskinder habt so gern gesagt, wir hätten keinen Heiland, wir hätten blos ein armseliges Leben, und nach diesem Leben habt Ihr uns getrachtet. Jetzt sind wir gleich viel, aber klettern kann ich besser als Du.«

      Dann hörte der Knabe das Rauschen des Waldbaches; wie oft hat er es gehört, aber heute wird ihm angst und bang. Was ist das am Morgen ein anderer Weg gewesen! Es ist die Sonne da, aber sie hat nicht mehr den hellen Schein, die Schatten der Bäume legen sich gespensterhaft über den Pfad und so oft der Knabe auf einen solchen Schatten steigt, ist ihm zu Muthe, als trete er in einen Abgrund hinaus. Dann hört er das Donnern einer niederfahrenden Schneelawine und das Knattern brechender Bäume. Keine allmächtige Hand schützt vor der Gefahr; Raben fliegen über den Wald hin und her und der Gegend zu, wo die Lawine niedergegangen ist, um zu sehen, ob es nicht etwas aufzufressen gäbe.

      Als der Junge über den hohen Steg der Freiwildschlucht geht, steht er mitten auf demselben still und starrt in den Abgrund. Er kann seinen Blick nicht wenden von der Tiefe; ist ihm doch der Blick zur Höhe verleidet worden! Es ist, als beginne sich der Steg mit ihm zu drehen, ein paar gute Sprünge retten ihn noch zu rechter Zeit, ehe ihn der Schwindel vollends erfaßt. Als er endlich in das alte berghaus des Bart tritt, ist er sehr erschöpft.

      Seine Mutter hat so blaße Wangen. Sie trägt das Leid er Erde willig, meint sie doch, sie komme zum lieben Gott. Und alles ist angewiesen auf den lieben Gott. Sie wissen nicht, was Erlefried weiß ...

      »Warum läßt denn Du heute die Krautsuppe stehen?« Frägt die Mutter, da er das vorgesetzte Mittagsmahl nicht berührt.

      Der Knabe antwortet nicht.

      »Du bist heute so still.«

      Der Knabe beginnt zu schluchzen.

      »Kind, ist Dir was widerfahren?«

      »Mutter,« antwortete der Knabe und birgt sein Lockenhaupt an ihre Brust,

Скачать книгу