Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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»und mischt Euch nicht ins Gottesgericht, alter Mann. Ihr seid des Griffes in den Kelch enthoben. – Wohlan, der Gang beginne. Mit dem die Gnade ist, der mag frei durch das Thor der Sacristei nach Hause gehen.«

      Ein Wink gegen die Söldner, und das Treiben begann.

      Der Erzähler hätte vergebens nach Farben gesucht, um die Verzweiflung zu malen, von der er die Männer bei diesem Rundgange befallen zu sein wähnte, aber die Urkunde belehrt kurz und trocken: »Alsdann sie gesehen, es kunnt nit anders seyn, sind sie gegangen und hat Männiglich erwogen: Trifft es mich, so rait ich es für das Sterben ab.«

      Schwer und finster wie Einherier schritten sie um den Altar, nahten sich dem Todten und zogen ihre Lose. Mancher sprühte dabei wilde Augengluth auf den Erschlagenen; Mancher auch wendete sich schaudernd ab und fast graute ihm mehr vor dem todten Priester, als vor seinem todtbringenden Kelche; Mancher langte mit zitternder Hand in den Becher, Mancher mit keckem Griff, trotzig knirschend, als gelte es, das Geschick am Kragen zu packen. Dann wurde jeder vor die Richter geleitet, seine kleine Beute ihm aus der Hand genommen und enthüllt. War das Körnchen weiß, so schienen die Richter selbst aufzuathmen und der Glückliche wurde durch das Pförtchen ins Freie gelassen. In der stillen, weiten Sternennacht, wie jauchzte er auf, wie sprang er hin in jugendlicher Leichtfüßigkeit – und war es gleich ein altersgebeugter Mann – wie schwur er, von nun an die Kirche von Trawies auf Stundenweite zu meiden und im grünen Walde unter dem lichten Himmel Gottes seine Andacht zu verrichten!

      Die wenigen Weiber, die mitgefangen waren, entschlüpften ungefährdet; doch schlugen sie die Hände zusammen über diesen seltsamen Gottesdienst und über den in Asche glühenden Pfarrhof und liefen Gebete murmelnd, davon.

      Der Wegmann von der unteren Trach war der Erste, der in des Richters Hand ein schwarzes Korn legte. Als er es sah, prallte er zurück, als hätte ihm Einer einen Schlag auf die Stirne versetzt. Dann aber stand er fest, blaß und regungslos wie ein aufrechtragender Leichnam. Nach ihm kam eine Reihe von Kindern des Lichtes, die, vor Freuden ächzend, hinaustraten in die Sternennacht. Einer war wohl dabei, der schritt so ernst und finster der Freiheit zu, als ginge er in den Tod.

      Warum er nicht Gott Lob sage? Wurde er draußen vom Nachbar gefragt.

      »Wofür?« Murmelte er. »O Freund, wie es jetzt sein wird, der Tod wäre uns besser, als wie das Leben!«

      Der zweite Todgeweihte war ein Holzer aus dem Tärn. Er stieß ein gellendes Lachen aus.

      Nach ihm kam rasch der Dritte, ein alter Knecht aus dem Sandhockhause, ein leidenschaftlicher Kugelschieber und Kartenspieler.

      »Das habe ich gewußt,« rief er ärgerlich aus, »wenn’s was gilt, verspiel’ ich allemal.«

      Die Nächsten waren zwei Bauern vom Johannesberge. Sie verzogen zum bösen Spiele keine Miene. Nach einer weiteren Reihe von »Weißen« kam mit einem schwarzen Korn der blutbefleckte Firnerhans.

      »Mir scheint, vom Johannesberg gehen sie Alle!« bemerkte einer der Rückwärtigen aus dem Trasankthale. Gleich darauf zog er selbst das Schwarze, so daß ihm der Firnerhans zurief:

      »Mir scheint, es gegen auch die Trasankthaler.«

      Nun kam der Rockenpaul-Knecht, der schon einmal wunderbar gerettete Simon, welcher sich heute auch unseligerweise in die Nähe der Kirche gewagt hatte. Er zögerte lange in den Kelch zu greifen; endlich that er’s und langte tief bis auf den Grund. Ohne vor die Richter zu treten, enthüllte er rasch, als wenn er von einer Nuß die Schale lösete, sein Korn und hob es empor. Es war schwarz.

      »Ja, meine liebe Han!« Seufzte er auf und stellte sich in die Nische zu den von Schergen umringten Toderkorenen.

      Nach ihm wieder ein langer Zug in die Nacht hinaus, in den freien Wald. Wie blickte ihm der Simon so betrübt nach!

      »Ihr geht hin, und Ihr schießet die Rehlein im Wald und habt Eure Freuden. Kunnt ich mit Euch gehen, jetzt wüßte ich aufs neu’ was das Leben schön ist!«

      Noch kamen zu den Todten Leute von der hinteren Trach und darauf ein Hausirer, ein Schwefelmann, der nur nach Trawies gekommen war, um den Leuten Feuerzeug, Rattengift und dergleichen zu vermitteln, Katzen zu erwürgen und deren Bälge mit sich zu nehmen. Wie warf er sich hin vor die Richter und jammerte und erinnerte, daß er unschuldig sei und nicht zu den gottlosen Trawiesern gehöre, daß er täglich seinen Psalter bete, oft wochenlang faste, weil er sich der freiwilligen Armuth begeben habe, daß er den frommen Herren zu Oberkloster das Zündzeug liefere für ihr geweihtes Feuer in Kirche und Küche, daß er ihnen stets das Harz zugetragen habe zum Bepichen der Fässer ihrer Keller, und daß er demnächst selbst in den Orden zu treten gedenke. Es nutzte nichts. Die Herren beriefen sich kalt auf das Gottesgericht, und der Ewige würde wissen, warum er ihn hinwegnehme. Das Männlein wälzte sich auf dem Boden und wand sich im Krampfe, bis es ohnmächtig im Winkel liegen blieb.

      Nach diesem kam Einer, bei dem Manche sich eines Auflachens kaum enthalten konnten. Andere sagten: »O mein! Auch der!«

      Es war der Halbcretin aus dem Hause des Firnerhans, der »dreiköpfig’ Osel«. Er starrte zuerst eine Weile auf den Todten, hockte sich dann hin vor den Kelch und begann mit den Körnern zu spielen. Endlich hob er ein Stückchen, betrachtete es und hielt es den Richtern hin. Das Korn war schwarz, der Osel lächelte, begehrte es als sein Eigenthum zurück, steckte es in die Tasche und stellte sich mit sichtlichem Selbstgefallen zu den Todtgeweihten.

      Die Richter blickten sich fragend an. – Sind nicht selig die Armen im Geiste? Ist ein solches Wesen der Sünde fähig? Mit nichten. Als die Letzten der Freien durch das Pförtchen huschten, verlangte es auch den dreiköpfigen Osel hinaus. Und man wehrte es ihm nicht.

      Es war die Kirche nun leer geworden. Im Kelche lagen nur noch wenige der Körner, kein Schwarzes mehr darunter.

      Dir Richter traten ab. Die elf Männer, die sich den Tod gezogen hatten, wurden in das Häuschen des Küsters gebracht und dies mit Wachen besetzt.

      Aus den Trümmern des Pfarrhofes stieg trüb und träge der Rauch auf und verschleierte die Sterne des Himmels. –

      So lagen sie nun auf dem Stroh, der Eine tief vergraben unter dem Schaube, der Andere zusammengekauert im Winkel, der Dritte ausgestreckt auf dem Bauche, der Nächste auf dem Rücken, die Arme als Kissen unter dem Haupte, die Beine weit hingeworfen. Mancher that, als gebe es keine Sorge auf der Welt. So lagen sie seit vielen Stunden. Wie sie die Nacht über in ihrem neuen Quartier geschlafen haben, sind sie nicht befragt worden. Sie lagen in den Tag hinein »wie die Grafen und Freiherren«.

      »Auf was wir nur warten?« Fragte Einer.

      »Aufs Köpfen,« antwortete sein Nachbar.

      An Thüren und Fenstern standen die Landsknechte, und ihre Spieße funkelten in der Morgensonne herein durch die Scheiben.

      Etliche waren freilich unter den Gefangenen, welche die ganze Nacht gejammert hatten und jetzt erschöpft und im Halbschlummer dalagen. Die Anderen waren leidlich bei Humor.

      »Alleweil,« so bemerkte jetzt der Holzer aus dem Tärn, derselbe, der bei der Losung das gellende Lachen ausgestoßen hatte, »alleweil hat mein Vater gesagt, das Tabakrauchen thäte nicht gesund sein. ‘s ist richtig, mich hat das Teufelskraut umgebracht.«

      »Lebst ja noch, Pistel.«

      »Lieg so gut in den letzten Zügen als wie Du. Das ganze Jahr komme ich nicht in die Trawieser Kirchen, seit im Tärn das Wirthshaus ist. Wie es aber nun den

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