Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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schienen den Vorsitz zu führen. Die meißten waren blaß und sahen finster drein, und ihre langen Bärte zuckten bei jeder Bewegung ihres Mundes. Einer war so feist und die Miene seines Angesichtes derart verfettet, daß nicht zu unterscheiden war, ob dieselbe strenge sein oder lächeln wollte. Indeß schien die Gluth seiner breiten Wangen und seiner mit schwarzem Käppchen bedeckten Stirne nicht Zornesröthe zu sein, sondern eher dankbar von dem Genusse der flüssigen Gabe Gottes herzurühren. Wie bei den Frommen nichts ohne Zweck ist, selbst das Schmerbäuchlein nicht, so diente dieses hier als Kissen für ein goldenes Kreuz, das an einer goldenen Kette von den Schultern niederhing. Denn der wohlbeleibte Herr war der Prälat von Oberkloster. Er saß hinter dem grünen Tisch auf massivem Lehnsessel. Ihm zur Seite stand ein schlanker jugendlicher Priester ohne Bart und mit kurzgeschnittenem Haar. Seine tiefliegenden Augen waren grau wie ein Nebeltag, in welchem man nicht sehen kann, ob die Sonne im Auf- oder Untergehen ist. Um die Winkel seines Mundes spielten sich die Ringe, die wie ein erzwungenes Lächeln ließen. Diesem Herrn nannten sie den Pater Dominicus. Er saß nicht auf seinem Stuhle, in seinen Bewegungen zuckte die Ungeduld.

      Auf dem Tische stand ein Christuskreuz und lagen Papiere. Als nun die Männer versammelt und die Thüren besetzt waren, murmelte der Pater Dominicus die Worte: »Im Namen des dreieinigen Gottes!«

      Hierauf nahm eine der Gerichtspersonen die Protokolle und begann zu lesen. Sie las eine Stunde und länger, und die Männern von Trawies zuckten dabei häufig die Augenbrauen und die Fäuste.

      Als die Schrift zu Ende war und der Vorleser noch einen eiskalten Blick auf die Bauern geworfen hatte, nahm der weißbärtige Oberrichter von Neubruck das Wort und sagte: »Ihr habt es gehört!«

      Alles lautlos.

      »Ihr habt es gehört, Männer zu Trawies, daß Ihr schuldig seid an dem Tode Eures Seelenhirten. Gottes Stimme hat gesprochen. Das Volk von Trawies ist verhört, jede Aussage streng geprüft worden und es hat sich das erwiesen, was Herr Franciscus, der gottlos Erschlagene, uns so wiederholt mitgetheilt hat und dem wir leider nicht vollsten Glauben schenken wollten, weil wir an den Gehorsam unserer Bauern seit jeher gewöhnt sind. Nun ist es sonnenklar, Ihr seid Rebellen. Ihr habt die Verordnungen Eures Herrn mißachtet, ihm den Gehorsam verweigert in geistlichen und weltlichen Dingen. Ihr habt vielerlei Anstalten getroffen, Euren von hoher Obrigkeit Euch zunächst bestimmten Vorgesetzten zu entfernen und, da dieses nicht gelingen wollte, auf Mittel gesonnen, ihn auf andere Weise aus dem Wege zu schaffen. Heute kann es keiner mehr leugnen, daß der Mörder unter Euch ist, daß Ihr ihm Vorschub geleistet habt bei seiner That, daß Ihr ihn verborgen haltet. Da die Hausuntersuchungen fruchtlos waren, so ist anzunehmen, daß der Mann frei unter Euch steht.« Nun erhob der Oberrichter seine Stimme: »Ihr Ältesten der Gemeinde, Keiner von Euch kehrt in sein Haus zurück ebvor Ihr den Mörder genannt und ausgeliefert habt!«

      »Verrath!« Schrie eine Stimme aus den Angeklagten, »vom Gerichte selbst verrathen! Abgefangen wie herrenlose Hunde!«

      Die blinkenden Spieße der Landsknechte standen zur Thür herein.

      Der Richter stand bewegungslos. Als die Ruhe wieder hergestellt war, rief er: »Im der Gerechtigkeit des Himmles und der Erden! Ihr Männer, deren Haare grau geworden sind im Dienste Eurer Gemeinde, beschworen seid Ihr, Eure Heimat nicht selbst treulos zugrunde zu richten. Das Gericht hebt sein Schwert über ganz Trawies. Schützt Euch und Eure Mitgenossen – liefert den Mörder aus!«

      Nun drängte sich aus dem Knäuel der Männer der Älteste hervor, Gallo Weißbucher, genannt der Vormann und der Feuerwart. Auf seinen Stock gestützt – denn es bebten ihm die Knie – trat er hin vor die Herren und sprach:

      »Was bei uns geschehen ist, das – hohes Gericht – bist Du selber Schuld. Wir haben Dich gebeten, den Mann, der nicht für uns war, von uns zu nehmen. Du hast uns zu Hohn den Bescheid durch ihn selbst ertheilt. Wir zu Trawies sind freie Bauern gewesen seit altersher, und lieber, denn wir der Willkür Knechte sind, gehen wir zugrunde. Er hat uns getreten und verschmäht, er hat uns die alten Rechte an Wald und Weide verweigert, er hat unsere Ernten nicht geschont, er hat unsere altehrwürdigen Sitten verletzt. War’s aus Trotz aus Bequemlichkeit, aus Feindseligkeit: Manchem hat er das Sacrament vorenthalten und die Wegzehrung auf dem Todtenbette. Macht auf die Augen! An diesen Wänden steht seine Lebensgeschichte geschrieben: Hirschgeweihe, Hundspeitschen und Eberszähne, Schlagringe und beim Donner! Noch vollgespickte Weidtaschen. Wo sonst das Ciborium hing, baumelt jetzt der Hirschfänger. Wo sonst das Evangelium lag, findet Ihr die Spielkarten. Und Der war uns zum Vorbild gestellt! Mit diesem Menschen hätten wir leben und sterben sollen!! Gebt uns einen gerechten Herrn, gebt uns einen Priester, wir sind redliche Unterthanen und gute Christen. Laßt uns frei sein, und wir werden treu sein – aber das, was geschehen ist, bereuen wir nicht!«

      »Das Geständnis läge vor,« flüsterte der Pater Dominicus dem Schriftwart zu.

      Der Oberrichter sagte: »Ich fordere Euch zum letztenmale auf, liefert den Mörder aus!«

      Der Feuerwart stürzte zum Tisch, erfaßte das Crucifix und rief: »So wahr sie unseren Heiland, einen Unschuldigen, ans Kreuz geschlagen haben: wir liefern ihn nicht!«

      »Gib weg das Kreuz,« sprach der blasse Pater, sprang einen Schritt vor und wand dem Manne das Crucifix aus der Hand. »Bei diesem heiligen Bilde haben wir geschworen, den Tod unseres Mitbruders an Euch schwer zu büßen. Der Pöbel will übermüthig werden, da ist es hoch an der Zeit, ein Exempel aufzustellen, wie Empörung endet.«

      »Der Pfaff nimmt uns das Kreuz weg!« schrie ein knorriger Waldmensch. »Niederschlagen! Niederschlagen!«

      Einige stürzten trotz der Abwehr des Feuerwartes hin auf das Richtercollegium, warfen den Pater zu Boden und brachen in seiner Hand das Crucifix entzwei, ehe noch die Landsknechte zur Stelle waren.

      »Aus und vorbei ist’s!« Rief der Feuerwart händeringend, während die Kolben krachten, die Spieße schrillten und ein Schuß aufblitzte über den Köpfen der schreiend und polternd hin und her wogenden Menge.

      »Nieder, nieder mit Allem, was Bauer und Hund ist!« Rief es im bedrängten Richtercollegium. Und nun hob ein grausames Gemenge und Gemetzel an. Zu groß war das Gedränge, als daß die Söldner ihre Waffen frei gebrauchen konnten; die Bauern arbeiteten mit Fäusten und kurzen Schlagern erfolgreicher. Mancher Wehrmann röchelte durch seinen mit knochigen Fingern zugeklemmten Hals, mancher der Häscher stöhnte auf dem Fußboden unter dem Knie eines wüthenden Trawiesers. Als die Bauern inne geworden, daß für sie nichts mehr zu verlieren war, ließen sie ihrer Wuth freien Lauf und drängten immer stürmischer gegen die Richter ein, die nur mit Noth von den Söldnern beschützt werden konnten.

      In denselben Augenblicken brach auch draußen ein wildes Lärmen los, und zu den Fenstern flogen Steine herein.

      »Schließt die Thore ab!« Hörte man den Oberrichter noch schreien, während das sich draußen versammelnde Volk laut und lauter nach Einlaß verlangte. Der Feuerwart beschwor seine Mitgenossen im Zimmer, beschwor durch das Fenster die aufgeregten Rotten vor dem Hause um Mäßigung. Schier umsonst. Auf den Fußdielen floß das Blut, der grüne Tisch war umgestürzt, die Schriften wurden von krampfhaften Händen zerfetzt, die Stücke flatterten in der Luft. Pater Dominicus, der anfangs zumeist Bedrohte, hatte sich mit Hilfe zweier Söldner wieder freizumachen gewußt; nun war er auf einen Wandkasten geklettert, wo er den Erzengel Michael anrief gegen diese höllische Meute. Selbst der Prälat war behender geworden, als man hätte vermuthen können, er verschanzte sich in einer dunklen Ecke hinter einem Betpult und sein Angesicht war in Schreck und Angst gar ausdrucksvoll geworden. Der weißbärtige Oberrichter von Neubruck blieb unter Allen der Ruhigste. Da er sah, daß die Bauern endlich unterlegen waren, so warnte er die Soldaten, ohne besondere Noth von ihren Waffen Gebrauch zu machen. »Diese da!« Rief er, »dürfen mir nicht gemordet, sie müssen gerichtet werden!«

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