Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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sein gewohnter Schritt, und wer ihm nicht folgen könne, der möge zurückbleiben. Sie folgten ihm doch, nur daß Einer in seinem Ärger murmelte: »Spring, spring, daß Dir der Galgen nicht davonläuft!«

      Als sie am Rockenbache dahin gingen und an der Kohlstatt vorbeikamen, schielte der Simon wohl ein wenig unter der Hutkrämpe hervor und gegen die Hütte hin. Die Meiler rauchten still; die Fensterchen blickten ihn licht an, sonst sah er nichts. Kaum sie aber einige Schritte am Häuschen vorüber waren, hörte er hinter such den Ruf: »Simon!«

      Die Männer wandten sich um, da stand das Mädchen, die schöne Han. Sie war nicht erregt, sondern ganz ruhig in ihren Mienen und in ihren Worten. Sie bat den Gerichtsboten, daß sie einige Worte mit dem Rocken-Paul-Knecht reden dürfte. Der Bote gestattete das um so lieber, als er selbst ein ziemlich lebhaftes Verlangen trug, zu hören was eine so anmuthsreiche Maid einem so frischkecken Burschen zu sagen haben werde.

      Die Han wendete sich denn zum Knecht und sagte: »Ich werde mich nicht weit irren, Simon, wenn es mir vorkommt, daß Du wieder einmal eine große Dummheit begehen willst. Ich weiß die ganze Geschichte, brauchst mir kein Wörtel zu sagen; reden ja die Leute seit gestern nichts mehr Anderes, als daß Du den Herrn hättest erschlagen. Ich bin still gewesen und habs’s anstehen lassen, bis Du zu mir kommst. Jetzt wärst aber vorbeigegangen, hättest gemeint, Du dürftest von mir nichts desgleichen thun und hättest Dich in Deiner Leichtsinnigkeit zugrunde richten können. Denn Einer muß es entgelten zu Trawies, das ist so sicher, als wie dort unter dem schwarzen Meiler das glühheiß’ Feuer brennt – ob’s der Schuldige oder der Unschuldige ist, nach dem wird zuletzt nimmer gefragt. Du bist der Unschuldige und ich laß Dich nicht hinaus. Es ist nicht Zeit, daß ich Dich lobe deswegen, daß Du eine arme Dirn’ nicht willst in Unehren bringen; so sage ich es vor Gott und den Menschen, daß Du am Barbaramorgen vom ersten Hahnenschrei bis zum letzten bei mir in der Hütten bist gewesen.«

      »Schau, schau,« blinzelte der Gerichtsbote, »was man da im grünen Wald für Neuigkeiten kann hören. Es ist nur rechtschaffen schade, daß ein solcher Zeuge nicht gelten kann. Die Weiber wären im Stande und schwätzten dem Teufel alle Männer aus der Hölle, und wenn eine Frag’ wäre der Sünden wegen, so thäten sich für allesamt die Weiber bekennen, auf daß sie nur wieder ihre Mannsleute hätten. Ei, das kennen wir!«

      Der Simon hatte die Han an beiden Händen gefaßt und rief jetzt: »Ja, Du Dirn, Du mein herziger Schatz! Wenn Du um so viel besser bist, als ich von Dir habe gedacht, und daß Dir an mir liederlichem Burschen mehr gelegen ist, als an Dir selber, so weiß ich, was ich zu thun habe. Zeugst Du schon selber für mich und mit dem Besten, was Du hast auf der Welt – was dem hochweisen Herrn und Gerichtsläufer hier zwar noch zu wenig ist – so werde ich mit Gottes Hilfe auch noch ein paar andere Zeugen finden, die für mich reden. – Ich gehe jetzt ganz lustig nach Trawies, und wenn Du mir einen Gefallen willst erweisen, meine liebste Dirn, so schicke hinauf zum Blockhaus, ich lasse die Holzer Jok und Sepp bitten, daß sie nur gleich sollten kommen nach Trawies; nachher gehen wir miteinander heim und ich melde mich bei Deiner Hütten an.«

      »Das wird mich gefreuen,« antwortete die Han, »mußt aber deswegen nicht glauben, Du wärest mir was schuldig.« Sie ging zurück.

      Er blickte ihr nach und jauchzte auf. In diesem Jubelschrei lag die Hymne, die er seinem herrlichen Mädchen sang; in diesem Juchschrei klang das Glück auf, das sein Herz auf so ungeahnte Weise erfüllt hatte. Dann ging er mit den Häschern und pfiff zum Schritt ein fröhlich Wanderlied.

      Als er im Pfarrhofe zum Verhöre kam, waren auch schon die beiden Holzer aus dem Blockhause da, und sie erzählten und beschworen es, daß der Rocken-Paul-Knecht Simon Hanefer am Barbaramorgen zur Stunde des Tages bei dem Schummel-Zenz-Häuslein gesehen worden sei.

      Das Schummel-Zenz-Häuslein stand eine Stunde weit entfernt von der Kirche zu Trawies. Der Simon konnte nach Hause gehen. –

      Trotzdem die als des Mordes verdächtig eingezogenen Personen immer wieder freigegeben werden mußten – nicht etwa aus Mangel an Beweisen, sondern auf Grund schlagender Gegenbeweise –, so nahm das Gerücht, der Schuldige sei unter den Einheimischen zu suchen, doch stets bestimmtere Gestalt an. Ja endlich munkelte man von einer durch die Gemeinde selbst angestifteten Verschwörung. Die paar Stuben im Wirthshause zu Trawies waren von Gerichtspersonen besetzt; die Zimmer im Pfarrhause waren für Verhöre, ja selbst für peinliche Fragen eingerichtet worden, und auf allen Wegen und Stegen dieser entlegenen Waldgegend gingen schwerbewaffnete Landwächter.

      Der Leib des Erschlagenen lag immer noch auf seinem Gerüste und der Gestrenge von Neubruck hatte geschworen, ihn nicht früher ins Grab legen zu lassen, als bis der Verbrecher verscharrt sei.

      Nach den vielen erfolglosen Untersuchungen war nun die Vermuthung auf eine neue Persönlichkeit gelenkt, gegen welche zwar kein anderer Verdachtsgrund vorlag, als der religiöser Schwärmerei. Der Mann war stets verschlossener Natur, und trotzdem seine Verhältnisse recht gut bekannt und bisher weder in seinem Leben noch in seinem Hauses etwas Auffälliges bemerkbar gewesen, lag doch über seinem Wesen etwas Dunkles, Geheimnisvolles, etwas Finsteres und Schwermüthiges. Er konnte jetzt Funken sprühen wie ein Kieselstein, und jetzt weinen wie ein Kind. Oft verschloß er sich bei Tage in seine Werkstatt und ging bei Nacht wie ein Mondsüchtiger durch die Wälder. An den amtlichen Verordnungen, welche an das Kirchenthor geschlagen waren, ging er vorüber, aber die heiligen Schriften und Satzungen der Alten waren ihm bekannt, und diese verflocht er in sein Denken und Träumen. Keiner war zu Trawies, der diesem Manne einmal auf dem Grund seiner Seele geblickt hätte; aber Alle wußten von ihm zu sagen, und die Richter lauerten.

      Zu solcher Zeit war es, daß der Bart vom Tärn aus dem Hause des Feuerwart ging und rasch der Trach entlang gegen das Gestade hinaus.

      Im Hause des Schreiners Wahnfred war Aufregung und Angst. Seit der Nacht vor dem Barbarafeste war der Wahnfred verschwunden. Am ersten Tage fiel seine Abwesenheit nicht auf, denn er war zur Kirche gegangen. Als man von dem schrecklichen Geschehnisse hörte, war sein Ausbleiben um so leichter erklärlich, da ja alles in Trawies blieb oder nach Trawies eilte, und im Wirthshause Wort und Rath halten wollte. Als Wahnfred aber auch am zweiten Tage nicht erschien, wollte sein Weib nachfragen und suchen lassen; wie konnte ihm bei dem Unwetter auf unwirthlichen Wegen leicht was zugestoßen sein! – Da kam an diesem Tage eine Botschaft vom Feuerwart: Die Wahnfredin möge nicht nachfragen und nicht suchen lassen, sie möge still sein, ihr Mann sei wohlbehalten und in Hut. Er grüße sein Weib und sein Kind, und sie sollten tapfer sein, Gott wolle, daß er sich ihnen auf kurze Zeit entziehe, aber nach den bösen Tagen würden sie sich glücklich wiedersehen. Nur auf Gott vertrauen und schweigen!

      Da stieg in dem Weibe die Ahnung auf, die gräßliche Ahnung, die ihr nimmer Ruhe ließ. Sie sann bei Tag und betete bei Nacht. Und wenn sie an den entheiligten Altar ihrer Pfarrkirche dachte, da wurde ihre betende Seele lahm.

      Nun war auch ein Todter im Hause. Wahnfred hatte seinem Söhnchen einen kleinen Handschlitten gezimmert, auf welchem Erlefried gern über die Schneebahn der Berglehne in das Thal hinabfuhr. So auch am Abende des Barbaratages, als es am Himmel klar geworden war, als hinter dem Johannesberge der kalte Tag verblaßte, und über den Wäldern des Tärn der rothe Mond aufging. Und als der Knabe auf seiner fröhlichen, vom Sturme glattgefegten Bahn zum Wege herabgefahren kam, der arg verschneit sich neben dem Flusse hinzog, sah er aus dem Schnee einen dunklen und von scharfem Winde halbverwehten Gegenstand ragen. Es war ein alter, in sich zusammengeschauerter und zusammengekauerter Mann. Es war der Pfründner Lull, der, von Haus zu Haus wankend, seinen Unterhalt suchen mußte. Es war – wir wissen es – derselbe Greis, der an jenem Sonnenwendtage im Hause des kleinen Baumhackel darniederlag und vergebens auf die letzte Wegzehrung wartete. Da der Priester aber anstatt zu seinem Krankenbette zur Wildwiesen hinaufgestiegen war, so sagte der alte Lull: ohne geistlich’ Hilf’ wolle er nicht sterben, und wurde wieder gesund. Nun schien er aber doch nicht mehr länger warten zu können. Man weiß nicht, wann zu Trawies wieder ein Priester

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