Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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      »Zunichte sei Dir das Anrecht an das Kreuz unseres Erlösers!« Er rief es, zerbrach den Stab und schleuderte die Stücke hinab in das Wasser. Dann faßte er mit kräftigem Griff eine der Fackeln: »Zunichte sei Dir der Schutz Gottes des Vaters!« – und schleuderte die qualmende Leuchte in das zischende Wasser. Hierauf erfaßte er die zweite: »Zunichte sei Dir die Liebe Gottes des Sohnes!« – und schleuderte sie hinab. Endlich nahm er die dritte der Fackeln, rief: »Zunichte sei Dir die Gnade Gottes, des heiligen Geistes!« – und warf sie in den Abgrund, wo alle drei zischend verloschen.

      Jetzt bemächtigte sich eine wilde Aufregung der Versammelten und manches Weib war sich auf den Boden und klagte und schrie: »jetzt ist’s aus, der Himmel ist hin! Ich sehe meine verstorbenen Leut’ nimmer. Der Himmel ist hin! Wir sind verdammt in die unterste Höllen! Ewig aus ist’s!«

      Ein erbärmlich Weinen und Klagen ward, so in dieser Schluchten niemalen gehört worden. Eltern verfluchten ihre Kinder und Kinder ihre Eltern, anzusehen und zu hören, so als nach der Weissagung Wort beim jüngsten Gerichte die Verdammten rasen werden.

      Diese Schilderung in der Urkunde erstreckte sich nicht auf Alle. Es waren Böcke darunter. Denn ein anderes Blatt erzählt aus derselben Stunde, daß eine Frau geschrien habe: »Ich sehe sie, sie kommen schon, die schwarzen Teufel!« worauf ein Nebenstehender gefragt habe, ob sie wohl wisse, wovon die Teufel ihre schwarze Farbe hätten? Und da sie nicht antwortete, den Bescheid gab, die hätten sie von den Pfaffen.

      Als nun in der Abenddämmerung das Volk der Geächteten wirr an der Trach auf und ab eilte, Manche mit dem Gefühle, als hätte man ihnen die arme Seele aus dem Leib gerissen, Manche dem Wahnsinne nahe, und Andere wieder voll Lustigkeit und Spottsucht – bewegte sich von der Kirche her ein zweiter Zug. In feierlicher Procession unter Laternen und Windlichtern trugen Priester die Monstranz mit dem Heiligsten davon. Tief bogen sich an beiden Seiten des Weges die Äste und die Wipfel der Bäume unter dem Schnee; Ammern und Häher flatterten über den Köpfen des Zuges, als wollten sie dem Heiland das Geleite geben hinaus ins Land.

      »Jetzt geht mein Jesus fort!« rief ein Weib in der Menge und sprang hin und stürzte vor dem Zuge mitten auf dem Wege zu Boden, »Du darfst nicht fortgehen! Mein Kind ist krank, mein Mann liegt daheim auf der Todtenbahr’!«

      Still und ernst gingen sie an dem wimmernden Weibe vorüber. Das starrte, plötzlich stumm geworden, dem Zuge nach und in ihrem stieren Auge glühte der Schein der hinschwankenden Lichter.

      Unten an der Brücke, hinter einem dichtästigen Baum, stand ein großer, wildbärtiger Mann, der hatte Gluth in den Augen auch ohne Fackelschein, der hielt sich still und ließ den Zug mit der Monstranz vorüberschwanken und blickte ihm mit Hohn nach, und knurrte es halb verbissen heraus: »Ist mir lieb, daß Du fortgehst. Dich hab’ ich lange gefürchtet!«

      Unweit dort, wo der Johannesbach in den Fluß rauscht, begegnete der Zug Uli dem Köhler und Roderich dem Stromer. Sie hatten vorhin weiter draußen den Fackelstab eines Windlichtes in der Trach schwimmen gesehen, ohne zu wissen, was das zu bedeuten. Nun sie den Aufzug sahen, fragten sie sich gegenseitig:

      »Was kommen denn da für Lichter daher?«

      »Den todten Pfarrherrn werden sie nach Oberkloster tragen,« meinte der Stromer, »und haben ganz Recht, auf unserem Kirchhof gäb er doch keine Ruh’.«

      »Er wird noch lange als Gespenst umgehen zu Trawies. Ich sag’s«

      »Da, lug’ einmal, das ist ja eine ganze Gottesleichnams-Procession. Sie haben das Goldene bei sich.«

      »Sollt’s doch wahr sein, was ich heute gehört hab’?«

      »Was willst denn gehört haben?«

      »Das Sacrament thäten sie uns davontragen.«

      »Ist mir gleichviel.«

      »Und die Kirchen schließen!«

      »Ist mir gleichviel. Wann ich nur von der Thür an der auswendigen Seiten bin.«

      »Und uns in Acht und Bann thun, alle miteinander!«

      »Ist mir gleichviel,« sagte Roderich der Stromer immer wieder. »Weißt, Uli, Du hast was, hast ein Häusel und Weib und Kinder drei, und eine Gais, Dir muß so was nicht lustig sein. Aber wir, was wir freie Leut’ sind und so fest bestellt, daß uns kein Mensch was wegnehmen kann, weil wir nichts haben, wir lachen jetzund.«

      »Bedenke, mein lieber Roderich, daß wir jetzt dem Teufel gehören.«

      »Nachher!« zischte der Stromer dem Köhler in die Ohren, »nachher giebt’s Geld ab. Der Teufel – muß ich Dir sagen – verlangt nichts umsonst. Bruder, jetzt gefreut mich wieder das Leben.«

      Mittlerweile war der Zug vorübergewallt. In feierlicher Würde bewegte er sich hin an dem Ufer der rauschenden Trach, die lange dunkle Schlucht hinaus gegen das Gestade und weiter.

      Der kleine Baumhackel bestieg eben die Brandstätte des Schreinerhauses und fuchtelte mit einem glimmenden Feuerschwamm auf der Asche umher, nach Eisennägeln oder etwaigen anderen Dingelchen suchend, die das Feuer übrig gelassen. Er hatte schon einen Sack davon dort an der Herdmauer stehen.

      Die neuesten Ereignisse hatten ihn gelehrt, daß es viel weniger verdächtig und gefährlich ist, auf heimlichen Raub auszugehen, als sich in der Kirche zu zeigen. Als nun unten am Wege die seltsame Procession vorbeizog, duckte er sich ein wenig und sagte bei sich: »Schau die Gerichtsherren unterhalten sich auch. Weil jetzt das Wasser so klein ist, machen sie einen Fischzug. Werden schon was stechen. Ei schau, Baumhackel, da bist Du schon wieder einmal zu langsam gewesen.«

      Da die fremden Männer und Herren von Trawies her drei Stunden und länger mit dem Sacrament gewandert waren, zogen sie nun durch die letzte Schlucht, wo die Trach tief unten in einer finsteren Klamm braust und der Weg am Gewände mühsam emporstieg gegen die Höhe, wo damals die fünf Kiefern ragten und wo die weite Hochfläche des Heidelandes beginnt. Und als sie unter diesen Kiefern standen und ihr hohes Gut zur Rast auf einen schneelosen Stein niederließen, sanken sie davor auf die Knie und beteten es an.

      Hinterher aber kam ein Trupp von Landsknechten gezogen und dort, wo der schmale Weg die Wand heranlief und an der unwirthlichsten Stelle kühn über ein Brücklein setzte, zerstörten sie das Brücklein und sprengten das Gestein, daß die Trümmer krachend in den Abgrund stürzten. Und als so das letzte Band abgebrochen war mit Trawies, trugen sie auf der Grenzhöhe der fünf Kiefern Reisig zusammen und zündeten es an. Wanden dann von riesigen Spulen einen Faden ab und zogen ihn hin an der Grenze von Stein zu Stein, von Baum zu Baum. Und da war es, als ob manche junge Fichte ächzte, als man den Strick um sie schlang – den Strick, dessen Hanf im Thale der Trach gewachsen, der am Rocken in den Häusern von Trawies gesponnen worden war.

      Und die Verwirrung im Dörfchen währte fort. Unangefochten aber von aller Bedrängnis stand das Wirthshaus. In der Küche schluchzten zwar die Frauen, aber in der Stube tranken die Männer. Und vor dem Hause stand der »dreiköpfig’ Osel« umher, hatte die langen Arme in den Hosentaschen und glotzte das Haus an, und glotzte rathlos zur Kirche hinauf und in die nächtige Gegend hinaus. Wo den geköpft wird? Da ist er schon den halben Tag bereit und nirgends eine Anstalt, als ob was geschehen sollt’. Manchem hielt der arme Junge das schwarze Korn vor, gleichsam auf sein Anrecht weisend. Aber jeder ließ ihn stehen, wo er stand, kein Mensch wollte sich um ihn kümmern.

      Aus den Kirchenfenstern schimmerte ein Schein, der fast zu hell war, als daß er vom ewigen Lichte herrühren konnte. Auf dem Kirchhofe war ein frisches Grab gegraben und ein Leib

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