Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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als aus dem Dufte der Blumen, der Lebensfunke in unsere Nerven übergeht? Hat denn Keiner noch die süße Ruhe gefühlt, in welche das kampfmüde Reich der Pflanzen und Thierchen unter der lichtdurchwirkten Schneehülle gesunken ist? Keiner an die jungen Kräfte gedacht, die sich unter dieser Hülle beständig entwickeln und sammeln, um nach wenigen Monden eine Welt voll neuer Herrlichkeit vor uns aufzubauen? Wie eine aus weißer Seide gewobene Decke, so hat Mutter Natur den Winter niedergesenkt auf die Wiege des Frühlings. Kennen die Bewohner jener Gegenden, denen der weiße Winter versagt ist, bei denen es sich vom Großvater vererbt auf den Enkel, wenn die welken Blätter der Pinien eines Morgens mit Schneereif überzogen sind – kennen sie die Wonnen des Frühlings in dem Maße, wie der Nordländer, der auf lustig gleitendem Schlitten den lieblichen Tagen der Blüthe entgegenfährt.

      Und wenn in einem der Himmelskörper dort oben ein Auge offen ist, das ausspäht nach Licht, und wenn dieses Auge an seinen nächtlichen Himmel die blasse Scheibe der Erde betrachtet, aus welchen Strichen sonst wird ihm der hellste Schimmer entgegengrüßen, als aus den winterlichen Zonen! Denn licht ist unsere Welt, wenn die Sonne strahlt auf das schneeumhüllte Land! –

      Dergleichen Winterphantasien spielen gern in der träumerischen Seele des Germanen. Doch vielleicht nicht so an jenem Tage, da Wahnfred, der Mann aus dem Gestade, auf dem Rücken ein schweres Bündel und ein Schußgewehr geschnallt, sich durch Schnee und Wildstrupp emporarbeitete aus den Wänden der Rabenkirche, an den Lehnen der Mieslingschluchten, an dem felsigen Vorgeschiebe des Trasank bis zu jener Höhung, wo die Grunde von Trawies zu Ende gehen und der Ritscherwald beginnt. Der Ritscher schließt sich an den Birstling und an den Tärnwald, mit dem er auf gleichem Gebirgszuge liegt, hat jedoch eine höhere Lage und breitet sich auf einer weiten Hochebene hin, stets allmählich aufsteigend und emporziehend an das Felsengebirge, bis an diesem die Bäume immer schütterer und verwitterter, die Felsblöcke immer dichter und mächtiger werden, und sich so der ungeheure Wald allmählich verwebt mit dem Gesteine des Hochgebirges. Der Ritscherwald hat nur wenige Gräben und Schluchten, die Wässerlein rinnen in seichten Rinnsalen entlang und scheinen zum großen Theile wieder zu versickern, bevor sie hinab zu Bächen und Flüssen gelangen. Zahlreich ragen zwischen Bäumen und auf sandigen Heidegründen massige Felsblöcke, die vom Hochgebirge herniedergerollt zu sein scheinen und ein gar verwittertes Aussehen zeigen. Heute ist dieser Urwald zum großen Theile hingeschlachtet, sind die Quellen, die einst so zahlreich waren, zum großen Theile versiegt. Zur Zeit dieser Begebenheiten aber führte kein Weg und kein Steg in den so ab- und so hochgelegenen Wald, der Mensch suchte ihn nicht mit Gewinngier, wie heute, er mied ihn, er fürchtete ihn seiner Wildnisse und seiner Raubthiere wegen, und so wucherte in demselben, was wuchern wollte. Das Gestämme der Tannen, der Buchen und Eichen war üppig und wuchtig – ein Riesengeschlecht. Schauerlich wilde Formen, theils dicht umflochten von Reisigmassen, theils erstorben und fahl, ragten auf, und der Specht, der Habicht, der Adler, und was eben fähig war zum Streite, das lebte hier und herrschte. Einmal des Jahres brauste das wilde Heer der Klosterjagden durch den Wald und fahndete nach dem Wolf und dem Eber und führte eine reiche Beute von Hirschen heim.

      So war das Bergreich, in welches Wahnfred nun einzog. Der Mann, wie das damalige Geschlecht überhaupt, kannte die Naturbetrachtung noch nicht solchergestalt, wie wir Heutigen; er fürchtete sich vor den Alpenstürmen, vor den Wildwässern, vor den Lawinen, ihm war die Wildheit, die wir heute Schönheit nennen, drückend dämonenhaft. So hatte die Natur dazumal keine Seele; erst der Mensch muß die seine in sie hineinlegen, und je größer das Herz eines Beschauers ist, desto bedeutungsvoller wird ihm die Außenwelt. Viele sind gewöhnt worden, den sie umgebenden Ring der Welt auf sich selbst zu beziehen, während eine große Seele bereit ist, das Herz opferfreudig in die Außenwelt zu versenken.

      Einen ähnlichen, aber unbewußten Drang fühlte auch Wahnfred; er sah, er hatte sich selbst verwirkt, so wollte er sich hingeben, nur wußte er nicht, an wen. Jetzt dachte er an nichts, als an Flucht, um sich zu retten für eine freiwillige Sühne.

      Hoch aufathmete er, als er mit seiner Last zu Höhe gelangt war, rings um ihn der sonnige Glanz des Winters. Nun blickte er zurück in das Engthal der Trach, das von den Wänden des Trasank sich zweigte und in vielen Windungen zwischen schroffen Waldbergen hinausging, vorüber dort an dem ätherblauenden, kegelförmig aufstrebenden Johannisberge, linksab gegen das Gestade. Da in der Tiefe der Nebel lag, war es zu schauen, wie ein langgestreckter, grauer, welliger See, von steilen Ufern umrahmt, die theils in der Sonne blinkten, theils im dämmernden Blau des Schattens lagen. Schräge gegenüber stand der Rockenberg und die Felswand mit dem Wasserfalle an der Wildwiesen. Über den Bäumen strebte ein Bändchen blauen Rauches auf aus dem Hause des Waldhüters. Dort draußen, wo sich der See ein wenig weitete, ragten aus dem Nebel die Zacken einer Wand, der Dreiwand. Dort lag Trawies. Dort, Wahnfred, liegt der starre Mann, der im Tode Dir noch ein größerer Feind ist, als er es im Leben gewesen ...

      Weit links hin, am Fuße des Firner, über dem Gestade, schiebt sich der Nebel in dichterem Massen ineinander, zu sehen, als ob darunter auch Wirbel des Rauches wären. Vielleicht! Jene Nebel brauen über einer Brandstätte ...

      Noch weiter links, schon an den diesseitigen Bergzug sich schließend, blaut der Tärn. In jener Gegend sieht das Haus des Bart und in diesem Hause weilt ein heimatloses Weib, ein vaterloses Kind ...

      In seinen Füßen zuckte es heiß, seine Schuhspitzen waren gegen den Tärn gerichtet; aber er war gewarnt, er wußte, wie dort unten die Häscher Haus um Haus durchstöberten, und daß seine Rückkehr nicht bloß ihm, sondern auch seiner Familie, ja der ganzen Gemeinde die größte Gefahr bringen müßte.

      Wahnfred bedauerte seine That, sie hatte sein innerstes Wesen aufgewühlt, wie der Ausbruch eines Vulcans den Schoß der Erde – aber er bereute sie nicht. Er war entschlossen, sich nun verborgen zu halten und aufzubewahren für die Zeit, da er ungefährdet in sein Thal zurückkehren durfte. Er war entschlossen, sein Leben ganz der Waldgemeinde Trawies zu weihen, der erste Theil seiner Aufgabe war gethan; das Verderbliche war niedergerissen. Der zweite Theil blieb ihm noch übrig zu thun: das Gedeihliche aufzubauen.

      Nun wendete er sich und ging hinein in die winterliche Wildniß.

      Fast eben war der Boden. Zwischen den Bäumen lag hoher Schnee, der den Mann streckenweise trug, streckenweise brach unter der Last, so daß Wahnfred oft bis an die Lenden, mehrmals sogar bis an die Brust einsank und es ihm nur mit großer Mühe gelang, sich wieder herauszuarbeiten. Er kam kaum vorwärts und wurde allmählich so erschöpft, daß er in den Schnee zurücksank. Vor seinen Augen sah er nichts mehr, als das Kreisen buntfarbiger Sternchen und sein Gedanke war: das also ist mein Ende ...

      Doch erholte er sich wieder und seine Beine fühlten sich gestärkt im Schoße des Schnees, und die Sonne schien so warm über die zackigen Wipfel des Waldes her. Wahnfred sann auf Mittel, um vorwärts zu kommen. Am Abend friert der Schnee, dann dürfte er tragen. Aber wer konnte in der Nacht hier wandern und die Richtung einhalten, die gefunden werden mußte! Oder sollte er sich der Länge nach auf den Boden legen und weiter rollen wie ein voller Sack? Undenkbar. Es blieb ihm nur Eins übrig. Er hieb mit dem Handbeil, das er mit sich trug, Zweige von einem Tannling und flocht aus denselben zwei Scheiben, die er sich an die Fußsohlen band. Mit solch breiten Pfoten versuchte er’s nun wieder; der Schnee knackte unter den Tritten, aber er brach nicht ein.

      So schritt der Mann vom Gestade nun dahin. Er ging über weite Blößen, er brach durch Dickicht und Gefälle, indem er sich Pfad schlug mit dem Handbeil. Er ging durch glatt- und hochstämmigen Wald, der sich so dicht und finster über ihm schloß, daß der Boden schneelos war. Dann wieder ging er über Gesteppe, in welchem die Bäume einzeln und gar zerzaust dastanden, alle die verkrüppelten Äste nach einer Seite hinneigend, wie sie der Windlauf verkümmert hatte. In die Gegend von Trawies sah er nicht mehr; ein fremder Gesichtskreis voll Wald und Winter, so weit das Auge reichte. Nur einzelne Warten des Trasank ragten goldig leuchtend über die Höhe.

      Endlich kam er zu einem Bächlein, das zwischen dem Schnee auf braunem Kieselgrunde, die Wellen

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