Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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haben schon gegessen,« sagte der Knabe, »aber ich warte auf Dich.«

      So stieg der Mann herauf, nahm den Knaben an der Hand, und sie gingen ins Haus.

      Am anderen Morgen war das Begräbnis. Es war niemand geladen worden aus Trawies und auch Niemand gekommen. Nur die wenigen Leute des Hauses waren zugegen und der Feuerwart war heraufgekommen aus seiner Schlucht. Er hatte unter dem Schutze einer Laterne ein Flämmchen Ahnfeuer mitgebracht, das als Bote aus alten Zeiten die Verstorbene zu Grabe begleiten sollte.

      Die Todte lag aufgebahrt in der Stube in einem langen weißen Kleide, wozu die Hausfrau ihre feinste Leinwand gegeben hatte. Die Hand hielt sie nicht gefaltet über der Brust, sondern an beiden Seiten ausgestreckt, weil sie ja nicht mehr betete, sondern weil sie ruhte.

      Einen Arzt hatten sie nicht, der ihnen sagen konnte, daß sie todt wäre. Der Bart fühlte ihre kalte, erstarrte Hand an und sagte: »Wir mögen sie erheben, wach wird sie nimmer.« Einen Priester hatten sie nicht, der über der Todten seinen Segen gesprochen hätte. Der Feuerwart trat hinzu, legte einen Kranz aus Tannengrün auf ihre Stirn und sagte die Worte: »Selig die Todten, die im Herrn sterben, sie sind frei von aller Sünde. Wir werden Dir folgen, geliebte Schwester, wenn wir den Sold entrichtet haben. Wir werden eingehen in das ewige Leben.«

      Dann legten sie den Leichnam in einen sechseckigen Sarg, der rauh war und ungefüg, dem man es anmerkte, daß ihn der Schreiner nicht gemacht hatte.

      Der Wahnfred legte noch seine Hand auf die Rechte der Todten und sagte: »Schlaf süß! schlaf süß! Abschied nehme ich nicht.«

      Sonach legte der Bart den Deckel auf den Sarg und hämmerte ihn fest. Auf das Hämmern lief Erlefried herbei; er hatte Weilchen in der Hand, die er der Mutter auf die Brust legen wollte.

      »Es ist zu spät, Kind,« sagte der Bart. Und sein Weib fügte bei: »Es ist auch nichts nutz, wenn man einem Todten was mitgiebt, man muß auf solche Gebe so lang Herzweh haben, bis sie im Grab verfault ist.«

      »Tragen wir sie jetzt in ihr Bett.« sagte der Feuerwart und legte die Hände an die Bahrenstangen, »wir wollen weiters keine Ceremonien mehr machen. Wir haben sie gern gehabt, Gott hat sie noch lieber gehabt, so hat er sie genommen. – heb auf, Bart!«

      Dan trugen sie den Sarg aus dem Hause und über die Au hin. Das Weib des Bart trug das Licht, dessen Gluth von den längst heimgegangenen Voreltern als ein flammender Faden so fromm bewahrt und beschützt herübergekommen war, den Lebendigen zur Mahnung, dem Gedenken an die Altvorderen treu zu bleiben und die Todten zur letzten Ruhe zu begleiten. Auch der Himmel hat ein Licht bewahrt aus der Väter Zeiten. Die Sonne schien so hell auf den weißen Schrein, der den Glanz wieder zurückstrahlte auf die traurigen Gesichter, so wie der Mond die Nächte unserer Erde beleuchtet.

      Als sie zum Grabe kamen, fuhren die Träger, von einem Geräusche erschrocken, zurück. Ein paar kleine aschgraue Vögel flatterten hervor aus der Grube und ins Gestämme hin; zwei junge Ammern waren es, die in der Erde nach Insekten gesucht haben mochten. Es ist kein Grab so tief, daß in ihm nicht wieder Leben wäre.

      Sie senkten nun den Sarg hinab; sie machten das so rasch als möglich, sie warfen mit den Händen Erde darauf, wühlten mit den Armen Erde hinab, rührten mit der Schaufel Erde hinab, bis vom Sarge das letzte Stückchen Weiß verdeckt war. Sie füllten das Grab mit Erde und legten endlich noch die Rasendecke darüber, und fegten mit Reisig den Staub hinweg, bis alles wieder glatt und grün und kaum die Spur des neuen Grabes zu merken war.

      Wahnfred wendete sich gegen die Übrigen und sagte: »jetzt sind wir fertig, jetzt seid mir bedankt. Ich danke Dir, Bart vom Tärn, für die Freundschaft, die Du meinem Weibe unter Deinem Dach und an Deinem Tisch erwiesen hast; ich danke Dir, Hausfrau, für die Liebe, mit der Du sie gepflegt und getröstet hast; ich danke Euch, Hausgenossen, daß Ihr so gut gegen sie gewesen seid und ihr Liebes gethan habt bis zu dieser Stund’! Ich danke Dir, Gallo, daß Du hinaufgestiegen bist mit dem Licht und sie mir hast helfen begraben. – Und nun,« er ergriff die Hand des Bart, »nun bitte ich Dich, behalte meinen Knaben und sei ihm ein väterlicher Freund, wenn ich nicht bei ihm bin. Ich gehe hinab nach Trawies.«

      Er schüttelte Allen die Hand, er drückte den Knaben an die Brust. Er trat vom Grabe weg und stieg rasch zu Thale.

      Die Leute gingen auseinander, der Feuerwart heimwärts, die Anderen ins leere Haus. Sie blickten traurig auf den Schragen hin, auf welchem die Bahre geruht hatte, auf das Bett, in welchem die Arme monatelang hingesiecht war still und ohne Klagen. Das Haus war weit und öde. Es war ein Werktag und der Acker bedurfte des Pfluges, aber der Bart hatte angeordnet, daß seine Leute an diesem Tage zum stillen Gedenken an die Heimgegangene ruhen sollten.

      Auf dem Grabe war nur ein Mensch zurückgeblieben – Erlefried. Er stand allein da und hatte immer noch das Sträußchen in der Hand, das er seiner Mutter vermeint gehabt. – Warum ließen sie es nicht auf ihre Brust legen? Als ob er nicht ohnehin Herzweh haben werde, weit länger, als bis der Sarg da unten zu Moder sein wird! Und wer hat ihn gefragt, ob er eine Zeit zu erleben wünsche, in welcher er um seine verstorbene Mutter nicht mehr trauern werde!

      So dachte der Knabe; er fühlte etwas wie Zorn gegen den Bart und sein Weib und er wollte nicht in das Haus zurück. Auf diesem Rasen stand er nun und sann nach, wie denn das sein könne, daß seine Muttern da unten liege, fest eingegraben in die feuchte Erden? – Wie er so dastand, wohl zart am Körperbau, aber schlank, und wie sein üppiges Gelocke das aufrechte Haupt umrankend Schatten legte über sein Gesicht, den Ernst desselben noch erhöhend, da war er kein Kind. Die leichtlebige Behendigkeit des Knaben war weg und in seiner Stirn ging’s wie ein neues Ahnen auf – weit vorauseilend den Jahren.

      Dieser eine Winter hatte mehr an ihm gethan als sonst Jahre thun, die im Alltagsschritte an fröhlichen Knaben vorübergehen. Harte Erfahrungen führen den Mann rascherem Altern, und den Knaben rascherer Entwicklung zu. Der Körper bewegt sich nur so lange in jener planlosen, tollenden Ungebundenheit, die wir Kindeslust nennen, als er von dem Geiste noch nicht gebändigt wird. Ist dieser durch Zeit, Zucht oder Erfahrung kräftig genug, den Körper zu beherrschen, ist es der feste Wille, der das Wort führt, dann geht die Mannheit an. Auch bei Mädchen, deren inneres Leben noch weit empfindlicher ist, wirkt heißer Schmerz wie die Gluth der südlichen Zonen – saugt den Thau der Kindheit auf, entwickelt im Herzen frühzeitig die Ahnung der Jungfrau. Erlefried sann und brütete; nun hörte er den Gesang der Vögel.

      Ihr seid lustig, so dachte er, ja, wenn ich wüßte, was ihr euch so viel zu sagen habt! Meine Mutter hat mir wohl erzählt von dem Drachen, dessen Fleisch man berühren muß, um den Gesang der Vögel zu verstehen. Aber der Drache ist ein Ungeheuer und will Jeden, der ihm in die Nähe kommt, verschlingen.

      Gemach, Junge, noch ist jener Drache nicht in deiner Nähe, mit dem die germanische Mythe die sinnliche Leidenschaft gemeint hat, und die Vögelein im Gezweige sind vielleicht verwunschene Engel und erzählen sich, wie sie eben vom Himmel geflogen kämen. Dort war heute ein großes Fest. Eine Dulderin, eine liebgetreue Gattin und Mutter, noch in der Jugend Jahren, angethan mit schneeweißem Kleide, ist in den Himmel gezogen. Alle Glockenblumen haben geläutet im himmlischen Garten und der Erzengel hat die Einziehende erwartet an der goldenen Pforte und hat sie zwischen den Jungfrauen und Blutzeugen hindurch zu Maria der himmlischen Königin geführt. Diese hat sie umhalst, hat sie geküßt, hat ihr einen Kranz von Rosen auf das Haupt gelegt, hat ihr den lieblichsten Platz angewiesen zu ihren Füßen.

      Wo solche Mär im kindlichen Haupt widerspielt, da singen leicht die Vögelein das nämliche Lied. – Ein Rehbock war’s , der ihn aus seinen Träumen weckte. Das Thier stand zwischen dem Gestämme und schaute auf den Knaben, der jetzt doch wieder Kind war.

      »Warum läufst du nicht davon?« rief ihm Erlefried fast drohend zu. »Siehst du nicht, daß

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