Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Julius Stinde

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Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz - Julius Stinde

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und hustete.

      »Und aus den Schüchternheits-Jahren ist sie,« stand die Butschen mir bei. »Wenn ihr jedoch ja was geschieht, dann braucht sie blos ordentlich schreien.«

      »Ganz recht,« bediente ich in derselben Farbe, »die Kraft der Schwachen liegt im Schreien.« — »Damit wehr' ich mich auch immer gegen die Mause,« sagte die Butschen.

      Weil in meiner Absicht lag, den Kaffee draußen zu nehmen, bot ich den Damen ein Gläschen Maltonsherry, der ihnen derart mundete, daß sie sich zur zweiten Auflage so gut wie gar nicht nöthigen ließen, dabei einen Posten von Kokusnußmakronen, selbstgebackene Probe für den Sommerbesuch. Sie sollen billiger sein als aus Mandeln, aber ich vermuthe, die Berechnung bezieht sich mehr auf die Breitengrade, wo die Nüsse umsonst wachsen. Von Geschmack fanden sie Beifall.

      »Ist Ihnen ein Krümel auf das unrechte Stimmband gerathen?« fragte ich die Pohlenz, die, wie ich wiederholt beobachtete, einen sehr aufbegehrenden Kehlkopf hatte, »oder haben Sie sich erkältet?«

      »Ein ganz klein wenig,« gab sie zu.

      »Da müssen Sie vorsichtig sein. Vernachlässigte Erkältungen zersetzen oft die Athmungsorgane.«

      »Meinen Sie?«

      »Ich nicht. Aber die medicinische Wissenschaft. Mein Schwiegersohn, der Sanitätsrath, sagte vor ein paar Tagen noch, es sei ein gefährliches Lungenwetter. Wer Symptome weg hätte, bliebe am besten im Zimmer und hielte sich warm. Wie lange husten Sie schon?«

      Die Pohlenz wurde ängstlich und besann sich.

      »So,« dachte ich, »noch ein paar Rathschläge und sie ist so vernünftig und zoppt rückwärts nach Hause; dann hätten die Butschen und ich unseren Nachmittag reizend für uns.« Eben wollt' ich von einer Frau erzählen, die sich auch nicht warm gehalten und innerhalb dreier Tage ihren trostlosen Gatten zum Wittwer gemacht hatte, als die Butschen dazwischen fuhr: »Mir sagten mal der Herr Sanitätsrath, beim Husten nur ja nicht die frische Luft abgewöhnen.«

      »Bei Ihnen, halb auf dem Lande, trifft das zu,« entgegnete ich, »aber hier bei uns doch nicht.«

      »Die Pohlenz wohnt ja in unserer Gegend, also muß sie an die Luft.«

      »Dann wollen wir auch nicht länger zögern,« entschied ich und blickte die Butschen mit tadelndem Kopfschütteln an, das sie natürlich nicht begriff. Hätte sie sonst gesagt: »Ich halt es auch nicht für schlimm. Husten reinigt.«

      Wir trabten nach dem Alexanderplatz-Bahnhof, kauften am Schalter mit dem Fahrschein gleich unsern Ausstellungseinlaßzettel und wegen des Sonnabends war ganz commodes Mitkommen auf der Stadtbahn. Sonntags wird es jedoch engbrüstiger zugehen.

      Wir stiegen Bahnhof Treptow aus, gingen die Chaussee lang und näherten uns dem Haupteingange. Die Pohlenz, naiv wie immer, wollte durch das Central-Verwaltungsgebäude eindringen, indem sie es für ein Thorhaus hielt. »Meine Liebe,« belehrte ich sie: »Das Publikum theilt sich rechts und links und geht durch die Kassen-Kontrole an den Seiten. Auf dem Rückwege dürfen Sie durch die Mitte, nachdem Sie sich durch die Drehzähler gequetscht haben, die jedoch ohne Nummerwerk sind.« — Dies bewunderte die Pohlenzen sowohl, wie die Butschen, aber mich mit ihnen auf das statistische Gebiet zu begeben, schien unangebracht. Wo wenig Verstand ist, muß man ihn für wichtigere Aufgaben schonen.

      Als unsere Eintrittsscheine richtig befunden waren, schlüpften wir auf das Ausstellungsgelände. Die Pohlenz wollte ihren bis dahin verhaltenen Ueberraschungsgefühlen Ausdruck verleihen, aber, da es so eingerichtet ist, daß man anfänglich nichts sieht, machte sie ein Gesicht, wie Eine die ein bischen mager zu Weihnachten bekommen hat. Die Bergfeldten war inzwischen in Ablehnungskampf mit einem von den officiellen Jünglingen gerathen, die das verbriefte Recht haben, die Tagesprogramme feil zu halten. Da die Pohlenzen sofort in dieselbe Verlegenheit gesetzt wurde, war ich neugierig, ob sich wohl eine von den Beiden so anständig zeigte, eins zu kaufen. Aber nein.

      Wenn sie jedoch dachten, ich würde den Groschen in's Allgemeine Beste werfen, täuschten sie sich gründlich und deshalb winkte ich dito Schippen.

      Wir gingen nun rechts die künstliche Anhöhe hinauf, die, genau besehen, eine Brücke über die elektrische Eisenbahn darstellt, und betraten nach und nach die Hauptbetrachtungswürdigkeit, die Anlagen zwischen dem Neuen See und dem Industriegebäude. »Meine Damen,« sagte ich, »sehen Sie sich erst um, wenn ich vernehmlich rufe: Nu! So verfahren gewiefte Reisende, wenn's wo schön ist.« — »Ich schiele nicht,« antwortete die Butschen, »hingegen für die Pohlenzen übernehme ich keine Garantie« — »Woso?« begehrte die auf — »Sie kann mit zugemachten Augenlidern um die Ecke glupen,« setzte die Butschen hinzu, »und sieht mehrstens gerade stets, was sie nicht sehen soll. Woher weiß sie sonst Alles?«

      Um Zwistigkeit zu verhüten, schritt ich rasch bis zum Bismarckstandbild und machte Halt. »Schlagen Sie Ihre Sehorgane auf,« befahl ich, »und begrüßen Sie dieses Bildniß aus Erz. Hier hat Berlin seinem Ehrenbürger ein Monument gesetzt, das der Ausstellung zum Ruhm gereicht. Wo der große Mann gewirkt hat, ist noch alles zu Heil und Segen ausgefallen.« Ich wollte einige fernere Worte hinzufügen, aber ein Programm verkaufender Jüngling litt es nicht. — »Danke, wir sind schon versehen,« verscheuchte die Pohlenz ihn. Wie Eine angesichts Bismarckens so lügen kann, ist mir unbegreiflich und mindestens das Zeichen eines sehr fleckigen Charakters.

      Nach etlichen Schritten rief ich: »Nu!«

      Die Wirkung war, wie ich gedacht.

      Die Meeresfläche, im Hintergrunde mit dem weißen Wasserthurm und dem Hauptrestaurant, vorne die Blumengefilde, die Obelisken und dazu Musik aus den Pavillons, das war wirklich wunderschön. Und dann durch einfache Umdrehung des menschlichen Körpers der Blick auf das Industriegebäude mit der Kuppel und den Thürmen, deren Aluminiumkappen in der Sonne glänzten wie nagelneue Suppentöpfe und die Orangenbäume auf dem Dache des Vorbaues, der in zwei Wandelhallen ausläuft, die das Ganze in übersichtlicher gerader Linie durchschneiden, dies wirkte verstummend auf die Beiden, die derartiges noch nie in ihrem Leben gesehen hatten. Die Pohlenz that so überwältigt, daß sie auf einen der vielen Stühle sank, die einladend an den Ufern des Sees entlang stehen.

      Kaum jedoch war sie gesunken, als flugs ein Knabe nahte, der zehn Pfennige Stuhlmiethe verlangte. Sie sich gesträubt. Es half ihr aber nichts und so kaufte sie für einen Nickel Sitzgerechtigkeit, die für den ganzen Nachmittag gilt.

      Dies war die Strafe dafür, daß sie kein Programm gekauft hatte, worin zu lesen steht, was per naß ist, und was Auslagen verursacht.

      Als ich nun für angebracht hielt, den Kaffee zu nehmen, wollte die Pohlenz für ihre zehn Pfennige weiter sitzen. »Wie Ihnen beliebt,« bemerkte ich, »aber einmal getrennt ist Wiederfinden ein Glückszufall. Kommen Sie, Butschen, wir gehen in's Café Bauer.«

      Dieses erreichten wir unangefochten und nachdem wir einen Tisch mit bester Mitten-Aussicht gefunden hatten, bestellten wir dreimal Melange. Wir nennen es sonst Kaffee mit Milch, aber die Oesterreicher kennen es nicht anders und den Dreibund-Gebräuchen muß man sich fügen.

      Der Kellner brachte das Verlangte. »Auch Gebäck gefällig?« fragte er und stellte einen Korb mit feiner Backwaare auf den Tisch.

      »Nee,« rief die Butschen, »nehmen Sie den man wieder mit. Wir haben selber.« Und ehe ich mich von meinem Schreck erholen konnte, sagte sie zur Pohlenz: »Nu man heraus mit den Gesangbüchern, ich hab' Hunger.«

      Die Pohlenz denn auch ihre Handtasche aufgemacht und einen Packen

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