Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Julius Stinde
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz - Julius Stinde страница 5
»Dorette?« rief ich. »Was giebt's denn? Was ist los?«
Keine Antwort.
»Ist Ihnen was Nahes gestorben?«
»Uh!«
»Wer denn, Dorette?«
Sie schüttelte verneinend mit dem Kopfe.
»Was ist Ihnen denn?«
»So reden Sie doch.«
»Det — kann ick — Ihn'n — man blos — janz alleene sagen,« schluchzte Dorette und drückte das Taschentuch ins Gesicht.
Mit einem Takt, den sie früher nie hatte, stand die Butschen auf und verabschiedete sich. »Sie können das Zimmer jederzeit haben, wenn wir's nur vorher wissen. Uebrigens hat Butsch seine Telephonnummer.«
Ich zurück zur Dorette. Was hat sie? Was soll ich ohne sie anfangen mit dem Haus voller Gäste und ich selber halb auf der Ausstellung und halb am Schreibtisch, nie voll und ganz für den Hausstand? Eine neue Philippine anbändigen, Berichte schreiben und dabei tadellose Wirthin spielen — das übersteigt meine Fähigkeit. Mehr als seine gewisse Anzahl Pferdekräfte hat der Mensch nicht.
Ich also mir schleunig die Philippine vorgebunden und reinen Wein verlangt. Sie aber immer gedruckst und mit Wortnoth behaftet, daß ich schon dicht daran war, fuchtig zu werden, als mein Karl kam, der im Gegensatz zu ihrer Zurückhaltung sich in einer Lebhaftigkeit erging, die mich erschreckte.
So hatte ich ihn noch nie schimpfen gehört.
Als ich nach und nach erfuhr, worum es sich handelte, glaub' ich, hab' ich auch einige unsanfte Aeußerungen dazu geliefert. War es denn erhört? Jetzt, wo die Ausstellung eröffnet werden sollte, jeder Tag ausgenutzt werden mußte, jetzt warfen die Tapeziere die Arbeit nieder, gerade jetzt, wo sie die letzte Hand anzulegen hatten, damit alles die Vollendungsfalten und Fransen kriegte und den rothen Callicot um die Tische und was sonst zu bekleben, zu benageln und zu betroddeln war.
Die Philippine weinte bei dieser Auseinandersetzung ganz schrecklich.
»Ja, plärren Sie nur,« schnauzte mein Karl sie an. »Ihr Bräutigam, der mir sein Wort gab, meinen Stand rechtzeitig fertig zu stellen, ist auch mit ausgerückt. Ist das der Dank, daß ich ihm versprach, ihm bei seiner Etablirung behilflich zu sein? Jetzt läßt er mich sitzen.«
»Mir ooch,« jammerte Dorette. »Er sagte, hier könnte er sich von wejen Undank nich wieder blicken lassen.«
»Kann er auch nicht,« gab ich drauf.
»Und mit Heirathen is et nischt. Er setzt Alles bei den Strike zu, ooch wat ick ihm erspart habe.«
»Warum begeht er denn solche Gemeinheit und verloddert sein Glück, Ihr Glück?«
»Er wollte ja ooch nich, ihn hat das Herz jeblut't, aber er mußte ja. Wat kann er alleene jejen die Uebermacht? Er jinge für den Herrn und die Frau durch den dicksten Kleister, aber er derf nich.«
»Wer macht mir nun den Adler für meinen Aufbau?«
»Was?« rief ich, »der ist noch nicht da? Die Hauptkrone der ganzen Ausstellung?«
»Vorläufig nur im Grundriß.«
»Karl, her damit. Ich hole den Eiserkasten. Den bringen wir selbst auch wohl noch zu Stande, der akademische Plan ist ja vorhanden und die Socken dito.«
»Halt, Wilhelmine, nicht übereilt. Es sind Tapeziere von auswärts verschrieben, die werden kommen. Was am Eröffnungstage nicht fertig ist, wird's vierzehn Tage später sein.«
»Das werde ich besonders in meinen Berichten hervorheben, mein Karl. Du sollst nicht wegen des Streikes zu kurz kommen. O nein. Ich werde öfter lobend auf Dich hinweisen, und wenn er erst an seinem Platze prangt, auch auf den Sockenadler. — Haben Sie sich man nicht so, Dorette, Sie sehen, es geht auch ohne.«
»Ach, Madame, et is schon nich mehr scheen. Ick weeß nich, wie't werden soll.«
»Dorette,« nahm ich strenge das Wort, »wir haben diesen Sommer doppelte, ja dreifache Arbeit, dabei müssen Sie durchaus auf dem Posten sein.«
»Det kann ick nich versprechen.«
»Dann gehen Sie besser.«
»Det wollt' ick ooch nich.«
»Was wollen Sie denn, Dorette?«
»Blos en Bisken Nachsicht mit meine traurije Lage.«
»Das werde ich mir erst noch mal überlegen. Gehen Sie an Ihre Arbeit.«
Sie ging.
»Karl,« sagte ich: »die Ausstellung, ein Mädchen, auf das kein Verlaß, die Berichte, oder gar ein unerfahrenes neues, das Haus voller Fremden, weißt Du, das sind Sommer-Aussichten, die ich mir doch etwas anders gedacht hatte.« »So denkt man immer,« sagte mein Karl.
Angriffspläne.
Die Ausstellung war kaum eröffnet, als der Herr Redakteur energisch die versprochenen Berichte verlangte; es wäre doch reichlich Stoff vorhanden.
Als ob ich das bestritten hätte? So weit mir bewußt, niemals. Also weshalb Vorwürfe? Womit soll ich anfangen und an welchem Ende, da gerade, was sich zum Beginnen eignet, noch nicht fertig ist? Liegt die Schuld etwa an mir?
Soll ich das Unterrichtswesen zuerst vornehmen? Was sagen dann die Damen, die das Seidenkleiderige vorziehen oder die Juwelenabtheilung? — Oder das chemische Gebäude? Ich habe mir ein Buch mit bunten Ausstellungs-Ansichten gekauft, darin steht: »Das Dach dieses Gebäudes hat eine eigenthümlich gewellte Form: ein Rundbogen verläuft in einen scharfen Kamm, als Andeutung gleichsam, daß der Bau der Wissenschaften, deren Pflege sich hier zeigt, immer höher und höher steigen werde.« — Wenn man dies nicht wüßte, würde man dem Dache garnicht ansehen, was für ein schlaues Dach es ist. Manche sagen, sie sähen es auch schon, ich aber sehe mir es noch nicht darin, obgleich ich wiederholt das Opernglas zu Hilfe nahm.
Ich holte Herrn Kriehberg darüber aus. Er meinte, »die Wissenschaft als Rundbogen gedacht, wäre sehr geistreich.« — »Dann rummelt ja die ganze Stadtbahn über Wissenschaft weg,« entgegnete ich, »blos, daß in den Stadtbahnbögen, soweit mir bekannt, mehr die Gurgel als der Geist genährt wird.« — »Sie laufen auch nicht in scharfe Kämme aus,« bemerkte er, »darin liegt es. Der Kamm ist das Individuelle. Hätte man mich gefragt, ich hätte ihn dreifach so scharf konstruirt, wenn nicht noch schärfer,